von Ina Müller

Schuld, Rache, Krieg

Als junge Mutter in schwierigen Lebensumständen wurde ich von überwältigenden Schuldgefühlen meinem Kind gegenüber geplagt. Vieles lief weit weg von ideal, und es betraf kein solch triviales Versagen – wie etwa eine unaufgeräumte Wohnung oder versäumtes Früh-Chinesisch – worüber man mit einer lockereren Haltung hätte hinwegsehen können. FreundInnen und Mitmütter, denen ich mein Leid klagte, schienen elterliche Schuldgefühle kategorisch abzulehnen. Nur meine Schwiegergotte, eine zutiefst religiöse Frau, verstand mich auf Anhieb.

Abschütteln, weitermachen

Für einmal ringe ich um Worte. Wie packe ich ein Thema an, von dem wir alle – ad nauseam und wieder zurück – dermassen die Schnauze voll haben, dass wir nie, nie, nie mehr davon hören wollen, auf das wir aber wie in einem nicht enden wollenden kafkaesken Alptraum ständig wieder gestossen werden? 

Suchthirni

Vor zwanzig Jahren habe ich das Rauchen aufgegeben. Davor hatte ich schon einmal zehn Jahre lang nicht gepafft. Warum fing ich überhaupt wieder an? Nun – ich fühlte mich zu einem kleinen Exzess berechtigt, hatte ich doch während Schwangerschaft und Stillzeit weder geraucht noch Alkohol getrunken. Das Bravsein hing mir plötzlich zum Hals raus. Ich wollte über die Stränge schlagen, suchte den Anschluss an gleichaltrige Ungebundene und mein früheres, vor-mütterliches Leben als Draufgängerin. Eine Art Midlife-Crisis.

Mehr schlecht als recht

Ein Stiefvater schenkte jüngst seiner Stieftochter, die sich bekennendermassen gleichgeschlechtlicher Liebe erfreut, ein hübsches Abziehbild vom Dike-Verlag. Denn er arbeitet da. Das ist natürlich kein Lesben-, sondern ein juristischer Verlag. Während sie dies nicht wusste, so wusste er seinerseits nicht, was eine dyke ist. Ich hab dreimal gelacht: Einmal über das treffende Geschenk, dann als…

Fat Is a Poverty Issue

Den Titel habe ich geklaut, wie Sie vielleicht gemerkt haben. Das Original hiess «Fat Is a Feminist Issue» und zierte Susie Orbachs Streitschrift von 1978 für die Akzeptanz weiblicher Kurven (dt. «Anti-Diät-Buch»). Das Anliegen weiblicher Body-Positivity scheint ja nun in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein.

Stilblüten II

Da man mich im Erwerbsleben gerade nicht benötigt, richtete ich mir ein Textil-Atelier ein. Ich setzte bewusst auf gebrauchte Einrichtung und Materialien. Das ist zwar umständlicher, als Neues zu kaufen, aber auch unterhaltsamer: Was eine nicht alles antrifft, wenn sie etwa nach «Restposten» sucht…

Stilblüten

In «Songs of the Silent Snow» beschreibt Hubert Selby die Entspannung, die seinen Protagonisten überkommt, sobald er feierabends im Bus die vermischten Meldungen über all die Verbrechen und Katastrophen liest, die sich am Tage ereignet hatten, während er im Büro sass. Ganz ähnlich ergeht es mir mit den Stilblüten, die im Blätterwald munter gedeihen, seit Medien zu Renditeobjekten degradiert wurden und in den Redaktionen das grosse Korrektorats-Sterben (oder wohl eher -Abmurksen) um sich greift.

Briefwechsel

Manchmal wird die Schreiberin von Ihrem ‹Stoff› rechts überholt. Verbales Fernlichtblitzen vertreibt poetischen Müssiggang: «Liebe XY, anbei ein Einschreiben an IM und das ich hiermit Ihnen in Kopie per E-Mail zukommen lasse. Ich bitte Sie um unverzügliche Räumung Ihrer Gegenstände. Bedauerlicherweise kann IM die Räume nicht mehr unbeaufsichtigt betreten, weil Diebstahlsbezichtigungen vorliegen und weitere Wirren vermieden werden müssen. Sie wird mit mir oder mit euch für einen Räumungstermin Kontakt aufnehmen müssen.»

Alles auf Zucker? (2)

Ich nehme an, dass Sie die Null­Zu­cker­Challenge, die ich vor drei Wochen ausgerufen habe, ausgeschlagen haben. Dann bin ich also Siegerin, tadaa!

Tratschtanten / Diogenes

Viel zu lange haben Frauen den Fehler bei sich gesucht, sich mangelndes Durchsetzungsvermögen, Geschwätzigkeit, fehlende Ratio oder eine Opferhaltung einreden lassen. Hier wird das Mansplaining als Teil einer anerzogenen «toxischen Männlichkeit» thematisiert, die Frauen und Männer gleichermassen überfordert.