Stilblüten II

Da man mich im Erwerbsleben gerade nicht benötigt, richtete ich mir ein Textil-Atelier ein. Ich setzte bewusst auf gebrauchte Einrichtung und Materialien. Das ist zwar umständlicher, als Neues zu kaufen, aber auch unterhaltsamer: Was eine nicht alles antrifft, wenn sie etwa nach «Restposten» sucht… Da gibt es Wolle mit reflektierenden Fäden, die von ganz alleine «im Dunkeln leuchtet». Oder ein Textil hat «Top Farbe und Qualität!», ohne seine Machart oder Zusammensetzung preiszugeben. Bei mangelnder Elastizität ist dann eben die Flexibilität der Hobbyschneiderin gefragt, wenn sie das Pyjama aus Vorhangstoff nähen muss. Es gibt aber schon auch korrekt deklarierten «Stoff mit Stretsch». 

 

Nicht allen liegt Selbermachen, besonders wenn etwas nur selten gebraucht wird wie ein Fasnachtskostüm. Da staune ich über ein «Krankenschwestern-Outfit», das aus einer Corsage und einem Minirock besteht, die ganz in Schwarz mit weissen Linien und Kreuzen gehalten sind. Ob es an der Übersterblichkeit in der Pandemie liegt, dass PflegerInnen neuerdings Schwarz statt Weiss tragen? Ähnlich befremdlich mutet der «herzige Clown auf Schaukelstuhl» an, der griesgrämig aus seiner bunten Wäsche guckt, unter den Augen tiefe Säcke und auf dem Kopf violetten Kunstpelz trägt – aber wer wollte sich beklagen, wenns nur 1.- Franken kostet… 

 

Fashion-Zubehör hingegen sollte vor dem Kauf ganz genau geprüft werden: Der «Kleiderständer für Mode» eignet sich nämlich nicht für Ihre verfusselten Schlabberklamotten! Anderes duldet still, was immer Sie ihm zumuten – so etwa der «Openair-Regenpancho», ein treuer Gefährte für einen läppischen Zweifränkler. Oder nehmen Sie gleich alle hundert, das rechnet sich am besten. Alternativ kriegen Sie 400 WC-Bürsten für nur 200 Stutz – Loriots «Pappa ante Portas» würde vor Neid erblassen. Vorsichtig wäre ich hingegen bei «216 Eiswürfeln ab Fr. 16.90» – das ist doch sicher keine dauerhafte Qualität: Eiswürfel als Restposten? Klingt abgelutscht. Gefahrlos sparen können Sie aber sicher mit den «50×300 Loombands ab Fr. 40.-», also «15 000 Stück» dieser farbigen Mini-Gümmeli zum Basteln, die an Zahnspangen-Spanner erinnern. 15 000! Ist das zu toppen? (Höchstens mit einem Salzstreuer: Das sind bestimmt 200 000, für unter 10 Kröten!).

 

Einige Restposten verschleiern ihr Alter geschickt. Erfüllt etwa ein Teppich, der 20 Jahre in einem Estrich gelagert wurde, tatsächlich das ausgelobte Kriterium «neu»? Wie stehts mit dem «echten, handgeknüpften Orientteppich», der «fabrikneu» sein soll? Und was soll man bitte von 40 Bogen Geschenkpapier 70 auf 100 cm halten, Zustand «gebraucht (neu verpackt)»? Gerade bei Geschenken ist fraglich, welche Botschaft auf der empfangenden Seite ankommt, wenn schon das Papier Occasion ist. Immerhin verstehen wir alle, was mit Geschenkpapier grosso modo gemeint ist. Weniger klar sieht das geistige Auge bei «Blockbodenbeuteln», «Umdaschprofilen» oder «Schrägabhängern». Letztere muten nachgerade zwielichtig an. Wesentlich eindeutiger zweideutig ist ein Paar kopulierender Steinzeug-Urviecher, die als «2 fröhliche Dinausaurier» aber immerhin die Zensur umgehen konnten. Tönernes geht ja auch mal zu Bruch, was bei solchen Nippes wohl ein Glücksfall ist. Porzellanpuppen hingegen sind natürlich arm dran, wenn ein Bein ab ist. Geschickte Bäbi-Grosseltern kaufen dann Ersatzteile und doktern sie wieder an. Warum aber so ein Restposten an Puppen-Extremitäten etwa sechs linke, aber nur einen rechten Arm, wie auch sieben linke und nur fünf rechte Beine umfasst, bleibt im Dunkeln. Machwerk der Puppenmafia? Politische Schieflage? Missbildungen (Dreiarmigkeit) infolge Substanzenmissbrauch in der Schwangerschaft? 

 

Lassen wir diese traurige Sache! Es gibt schliesslich positivere Gebrauchtware: «Das Holzregal ist in einem Top-Zustand und ist bereit, ein neues Zuhause zu finden.» Das nenne ich Motivation – da kann sich manch StellensuchendeR eine Scheibe abschneiden!

 

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