Abschütteln, weitermachen

Für einmal ringe ich um Worte. Wie packe ich ein Thema an, von dem wir alle – ad nauseam und wieder zurück – dermassen die Schnauze voll haben, dass wir nie, nie, nie mehr davon hören wollen, auf das wir aber wie in einem nicht enden wollenden kafkaesken Alptraum ständig wieder gestossen werden? 

 

In der Sache «Medien (momentan vertreten durch die TA-Schreibkraft Michèle Binswanger) vs. Privatsphäre von Jolanda Spiess-Hegglin» beendete die ‹Republik› schon im letzten August einen fundierten und umfassenden Artikel über die unbeschreibliche Kampagne mehrerer Medienhäuser gegen eine einzige Frau mit der Frage nach Ziel und Zweck dieser Hetze, die nun schon sieben Jahre andauert – «Bis eigentlich was passiert? Und warum?». 

 

Wenn man die Sache bloss totschweigen, ihr mangels Aufmerksamkeit die Luft ablassen könnte! Wenn man einfach vergessen und in die Zukunft schauen könnte. Aber nein. Es muss orchestriert werden, dass  Spiess-Hegg­lins Projekten gegen Hatespeech und sexuelle Belästigung im Internet den Geldhahn zugedreht wird. Internet-Trolle müssen mit geleakten Gerichts- und Krankenhausakten aufgerüstet werden («Ich bin auch eine Whistleblowerin»?). Ein Buch muss geschrieben werden. 

 

Es gibt offenbar Zeitgenossen, und die erwähnte Zeitgenossin im Besonderen, die ihren Lebenssinn und ihre Berufung darin sehen, mit dem Finger in anderer Leute schwärenden Wunden zu grübeln, die offenbar nur darauf warten, dass die Narbe aufplatzt, ein Körpersekret ausfliesst, dass die Verwundete einen Klagelaut von sich gibt oder knurrt oder nach dem Grübelfinger schnappt. Dann kann der Finger wieder auf sie zeigen: «Schaut her, was für ein Opfer, schaut, wie sie nach Aufmerksamkeit geilt!»

 

Man glaubt, man spinnt. Ein im Januar veröffentlichter Vorabtext aus Frau Grübelfingers damals noch verbotenem Machwerk wirkt konfus. Einmal geht es ihr gerade nicht um die Ereignisse jener unsäglichen Landammannfeier, sondern um grössere Zusammenhänge. Nämlich scheint ihr #metoo unterdessen passé, weil das Hauptproblem heute falsche Anschuldigungen gegen vermeintliche Vergewaltiger seien und wie diese massenhaft Opfer der supponiert linksinfiltrierten «Mühlen von Medien, Politik und Online-Aktivismus» würden. Jolanda Spiess-Hegglin wäre demnach nur ein besonders dreistes Exempel, das einen Unschuldigen anschwärzt, mal naiv von Medien bespielt wird, dann wieder ebendiese instrumentiert, ein ganzes Social-Media-Team einsetzt etc. (Obwohl das alles gerichtlich sanktioniert längst widerlegt ist. Und obwohl hier einfach ein Offizialdelikt seinen gesetzlich vorgeschriebenen Lauf nahm.) Dann wieder kann angeblich niemand über solch gesamtgesellschaftliche Vorgänge urteilen, ohne dass wir alle – Frau Binswanger, Sie und ich, Oma und Opa und die Katze und der Hund – ganz genau wissen, was denn nun wirklich damals in Spiess-Hegglins Unterwäsche vor sich ging! 

 

Mir bleibt ein Trost: Dass sich so grosse Medienhäuser, Politiker, die Wichtigtuerin vom Dienst etc. pp dermassen penetrant an einer Person abarbeiten, kann nur eines heissen: Sie gilt ihnen als Repräsentantin, Verkünderin und Personifikation einer Wahrheit, die sie nicht akzeptieren können, die sie um jeden Preis abwürgen und korrumpieren müssen: Opfer sexueller Gewalt müssen nicht mehr schweigen, nicht vereinsamen, nicht Opfer bleiben. Sie bilden ihre eigene Lobby. Sie schütteln die Demütigung ab und machen weiter.

 

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