von Ina Müller

Verfraut unter Blinden

«Die Männer sind vermannt», sagt Frau G. «und die Frauen verfraut.» Ich überlege, was das bedeuten könnte. Frau G. ist nämlich seit Geburt blind. Was hat sie für eine Vorstellung von Frauen und Männern?

Alle Jahre wieder …

Ach, die Jahreszeiten! Mit ihren stimmungsvollen Bräuchen! Der Herbst: Erntedankfeste, Nebel­schwaden, Laubrascheln … Der Winter: schneehelle Nächte, Zitrusfrüchte, Kerzenglanz und Tannennadelduft … Heutzutage natürlich urban und neuzeitlich interpretiert.

Zuckertobak

Wer aufhört zu saufen, trinkt mehr Süssgetränke. Wer aufhört zu rauchen, isst mehr Schokolade. «Zuletzt landen fast alle Süchtigen beim Essen», sagt Dr. Joan Ifland, eine erfahrene Kämpferin gegen die dreckigen Geschäfte der Konzerne mit Konsumsüchten.

Knilz-Pigge

Wenn im Herbst eine unbekannte Nummer bei mir anruft, nehme ich das Telefon immer ab. 
Es könnte sich nämlich um Kundschaft der Pilzkontrolle handeln, die ich in Richterswil ausübe, und ich bin ja stets im Einsatz. 

Es(s) ist kompliziert

Wenn zwei sich streiten, lacht der Dritte – gar nicht. Auf der Suche nach einer griffigen Therapie gegen Esssucht und Übergewicht kann eine:r sich schon einmal vorkommen wie die blinde Kuh, die zwischen wissenschaftlichen und populärpsychologischen Verheissungen ahnungslos herumtapst.

Ärgerbnb / Queasyjet (1)

Man soll ja keine Billigferien buchen. Nun hatte ich aber grad nicht so viel flüssig und grossen Meeresbedarf. In einem südfranzösischen Badeort wollte ich von Auffahrt bis Pfingsten via Airbnb logieren.

Morgenstund’ im Maien

«Alles neu macht der Mai» – so dachte ich zwar nicht; der Mai ist schliesslich auch nicht mehr, was er einmal war, mittlerweile mehr Sommer als Frühling. Aber sei’s drum. Da ich schon keinen Neujahrsvorsatz gefasst habe, will ich dieses Motto eines immer wiederkehrenden Neubeginns nun für meinen neusten Spleen zum Vorwand nehmen.

Postcoronale Verwirrungen

Corona ist vielleicht schon bald Geschichte – hinterlässt aber landauf, landab geistige Verwüstungen. Auf Telegram sucht jemand: «eine Person im Raum Zürich, die aktuell Corona hat – ich hätte gerne ein paar Fragen.» Das ist wohl die maximale Verwirrung.

Schuld, Rache, Krieg

Als junge Mutter in schwierigen Lebensumständen wurde ich von überwältigenden Schuldgefühlen meinem Kind gegenüber geplagt. Vieles lief weit weg von ideal, und es betraf kein solch triviales Versagen – wie etwa eine unaufgeräumte Wohnung oder versäumtes Früh-Chinesisch – worüber man mit einer lockereren Haltung hätte hinwegsehen können. FreundInnen und Mitmütter, denen ich mein Leid klagte, schienen elterliche Schuldgefühle kategorisch abzulehnen. Nur meine Schwiegergotte, eine zutiefst religiöse Frau, verstand mich auf Anhieb.