Wohnungen, Schulen, Steuerfuss

Der Zürcher Gemeinderat startete am Mittwoch um 14 Uhr in die Budgetdebatte und arbeitete bis nachts um zwölf die ersten 41 von 94 Änderungsanträgen ab. Einstimmig überwies der Rat ein Postulat, das den Stadtrat auffordert zu prüfen, wie er den Antisemitismus in der Stadt Zürich wirksamer bekämpfen kann.

Für die SP stand fürs Budget 2024 gemäss dem Titel ihrer Fraktionserklärung das Investieren in Wohnungen, Tagesschule und Klimaschutz im Vordergrund. Tiba Ponnuthurai führte aus, die Stadtzürcher Finanzen seien gesund. «In aller Regel» schnitten die Rechnungen deutlich besser ab als die Budgets, sagte sie mit Verweis auf eine noch nicht budgetierte Rückerstattung vom Kanton in Höhe von über 200 Millionen Franken. Die SP begrüsse es, dass dem Stadtrat nun eine halbe Milliarde Franken für den Kauf von Grundstücken und Liegenschaften zur Verfügung stehe. Beim Steuerfuss sieht die SP «keinen Handlungsbedarf». Die FDP möchte «Masslosigkeit stoppen, Wohlstand sichern» – und eine «Steuersenkung jetzt!», wie Martin Bürki ausführte. Indem der Stadtrat jeweils ein defizitäres Budget präsentiere und später eine viel besser abschliessende Jahresrechnung, führe er «das Parlament und die Bevölkerung seit Jahren an der Nase herum». Deshalb fordere die FDP «eine moderate Steuersenkung von drei Prozentpunkten», also auf einen Steuerfuss von 116 Prozent.

«Mehr Grün, mehr Chancen­gerechtigkeit»

Felix Moser sprach für die Grünen von «soliden Finanzen». Seine Fraktion möchte «mehr Grün, mehr Wohnungen, mehr Chancengerechtigkeit», fordert in den Schulen aber auch mehr Stellen für Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung sowie für den Unterricht in Deutsch als Zweitsprache: «Hier hält die Stadt nicht einmal die kantonalen Mindestvorgaben ein.» Die 216 Millionen Franken Aufwandüberschuss des Budgets lägen im Bereich von «nur knapp zwei Prozent der Bilanzsumme von 11 Milliarden Franken», betonte Felix Moser. Stellen streichen wollen die Grünen beim Sozialinspektorat, «um diese Stellen im Gegenzug bei den Sozialen Diensten aufzubauen». Den Steuerfuss möchten sie unangetastet lassen: «Falls möglich, soll ein Überschuss zur Reduktion von Kapitalaufnahmen und damit zur Reduktion der wieder steigenden Zinslast genutzt werden», sagte Felix Moser. Auch Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne) hält nichts von einer Steuerfusssenkung: Es sei gescheiter, Schulden abzubauen, sagte er.

«Stellenwachstum überprüfen»

Für die GLP stehe ausser Frage, «dass wir uns eine Steuersenkung auf 116 Prozent leisten können, ja leisten müssen und diesen tieferen Steuerfuss mindestens über die nächsten fünf Jahre halten können», sagte Sven Sobernheim. Die Grünliberalen fordern unter anderem eine Fachstelle «Bestellerkompetenz» und elektrifizierte Parkplätze. Weiter habe die GLP erreicht, «dass einstimmig eine Fachstelle für Antisemitismus geschaffen werden soll». Geht es nach der SVP, dann verlangt die «Wohlstandskrise antizyklisches Verhalten»: «Steigen die Lebenskosten so massiv an, müssen die Steuern entsprechend runter», sagte Johann Widmer. Weiter forderte die SVP «weniger Staat, mehr Freiheit»: Die Politik solle die Bürger und die Wirtschaft «möglichst in Ruhe lassen». Durch eine «freiheitliche und bürgernahe Politik lässt sich problemlos eine dauerhafte Steuersenkung von sieben Prozentpunkten umsetzen», hielt Johann Widmer fest: «Wir können als Konjunkturprogramm für den Mittelstand diese auch nur für ein Jahr bewilligen.»

Die Fraktion Die Mitte/EVP anerkenne, dass in einzelnen Departementen, beispielsweise im Schulbereich, neue Stellen geschaffen werden müssten, sagte Markus Haselbach (Die Mitte). Doch das Stellenwachstum müsse in allen Departementen «noch mehr zum Thema werden», und die Überprüfung der Notwendigkeit dieser Stellen «könnte dazu führen, dass ein Teil dieser Soll-Stellen gestrichen werden kann». Seine Fraktion werde nur zusätzlichen Mitteln für Elektromobilität und für die Bekämpfung von Antisemitismus zustimmen und ansonsten «dem vorgelegten Budget des Stadtrats folgen», also «die meisten Anträge auf zusätzliche finanzielle oder personelle Mittel für bestimmte Anliegen ablehnen.»

Für die AL erklärte Tanja Maag, der Blick ihrer Fraktion aufs Budget 2024 orientiere sich an den Aspekten Wohnen, Soziales und Gesundheit. Die «komfortable Ausgangslage» zeige: «Zürich muss es sich leisten, in diesen Bereichen verstärkt zu investieren.» Die Verknappung des Wohnraums in Zürich sei eine Geschichte von «verpassten staatlichen Interventionen und eines permanenten Marktversagens». Die AL fordere «stabilisierende Massnahmen gegen die Wohnspekulation, gegen die Fortsetzung des Zweitwohnungsbooms sowie dringende Umsetzungspläne für die forcierte Realisierung von gemeinnützigem Wohnraum». Zürich müsse aber auch im sozialen Bereich mehr leisten, «damit sich die Menschen Zürich überhaupt leisten können», sagte Tanja Maag und erwähnte nebst der Energiekostenzulage und dem Mindestlohn auch die Forderung ihrer Fraktion nach einer Lohnerhöhung für die städtischen Lernenden in der Grundausbildung, mit der sie allerdings nicht durchdrang.

Antisemitismus bekämpfen

In der Detailberatung gab es chancenlose Pauschalanträge wie zum Beispiel jenen der SVP, die Honorare «externer Berater, Gutachter, Fachexperten etc.» pauschal um 30 Prozent zu kürzen – mit der Begründung, es brauche «keine Gefälligkeitsgutachten mehr». Resultat: Abgelehnt mit 110 gegen elf Stimmen (der SVP). Durchgekommen sind hingegen der Beitrag von 53 000 Franken für ein Jubiläumstram zu «30 Jahre Zurich Pride» sowie 100 000 Franken ans Zurich Pride Festival für «spezifische Projekte im Rahmen des Jubiläums».

Florian Utz (SP) stellte das von allen Fraktionen gemeinsam eingereichte Postulat vor, das den Stadtrat auffordert zu prüfen, «wie er den Antisemitismus in der Stadt Zürich wirksamer bekämpfen kann». Dabei soll die Schaffung einer entsprechenden Stelle geprüft werden, und die Prüfung des Anforderungsprofils und der Aufgabenportfolios soll in enger Zusammenarbeit mit den jüdischen Gemeinden und deren Dachverbänden erfolgen. Florian Utz sagte, nach dem Terrorakt der Hamas vom 7. Oktober hätten antisemitische Vorfälle zugenommen, leider auch in Zürich. Das sei «inakzeptabel», und es sei die Aufgabe «von uns allen», diesen Antisemitismus entschlossen zu bekämpfen. Es brauche aber auch die Stadt als Institution, auch sie müsse sich noch stärker engagieren zum Schutz der jüdischen Bevölkerung. Einstimmig wurde das Postulat überwiesen. Der Budgetantrag zur Schaffung einer Stelle zur Bekämpfung von Antisemitismus, die in der Fachstelle für Gleichstellung angesiedelt werden soll, kam ebenfalls durch, wobei FDP und SVP dagegen stimmten: Sie wollten erst geprüft haben, ob es wirklich eine neue Stelle brauche. Die Budgetberatung wurde gestern Donnerstag nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe fortgesetzt.

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