Mit besserer Luft in die Zukunft

Basel-Stadt sagte Ende November Nein zu den Stadtklima-Initiativen des Vereins umverkehR. Anderswo gibt es bereits Erfolge zu feiern – und was ist eigentlich der Stand der Dinge
im Kanton Zürich?

Verschiedene Städte, vergleichbare Forderungen: Der Verein umverkehR ist in zehn Städten und Gemeinden – Aarau, Basel-Stadt, Bern, Biel, Chur, Genf, Ostermundigen, St. Gallen, Winterthur und Zürich – mit seinen Stadtklima-Initiativen am Werk. Sie befinden sich in unterschiedlichen Phasen des politischen Prozesses: In Genf beispielsweise ist vorgestern Mittwoch der Gegenvorschlag in Kraft getreten, aufgrund dessen umverkehR die Initiative zurückgezogen hatte. «Dank diesem Gegenvorschlag werden 80 Prozent unserer Forderungen nach Umwandlung von Strassen in Flächen für öV, Fuss- und Veloverkehr sowie für Grünflächen mit Bäumen realisiert. Das ist mehr als bei allen anderen Gegenvorschlägen», freut sich der Geschäftsleiter von umverkehR, Silas Hobi. Auch in St. Gallen gebe es bereits einen Erfolg zu feiern: «Dank den Initiativen entstehen in den nächsten zehn Jahren 200 000 m² mehr Grünflächen mit Bäumen und Platz für den Fuss- und Veloverkehr sowie den öV». In Aarau hingegen wurde die Stadtklima-Initiative mit 769 gültigen Unterschriften erst kürzlich, am 10. November, beim Rathaus offiziell an den Stadtrat übergeben – zusammen mit einem Baum. Weniger gut ist es in Basel-Stadt gelaufen: Dort wurden die Initiativen am 26. November abgelehnt.

«Cool bleiben»

Die eine der beiden Stadtklima-Initiativen, für die in Zürich Unterschriften gesammelt wurden, heisst «Zukunfts-Initiative», die andere «Gute-Luft-Initiative» (P.S. berichtete). Die Forderungen der Zukunfts-Initiative lauten, dass während zehn Jahren jährlich 0,5 Prozent der Strassenfläche in Fläche für öV, Fuss- oder Veloverkehr umgewandelt werden sollen. Zudem verlangen die Initiant:innen unter anderem die Umsetzung konkreter Massnahmen zum Klimaschutz, die Förderung einer «zukunftsweisenden Mobilität im dichten urbanen Raum» sowie, dass sich Kinder und Menschen mit eingeschränkter Mobilität in der Stadt «frei und sicher bewegen» können.

Die Gute-Luft-Initiative verlangt ebenfalls während zehn Jahren die Umwandlung von 0,5 Prozent der Strassenfläche, und zwar in Grünfläche mit Bäumen. Die Initiative soll dafür sorgen, «dass wir in unseren Städten cool bleiben». Besseres Stadtklima, bessere Luft und mehr Biodiversität lauten weitere Forderungen, «denn Klimaschutz und Biodiversitätsförderung sollten Hand in Hand gehen». Weiter fordern die Initiant:innen die Schwammstadt: «Mit der Klimaerwärmung sind stärkere Niederschläge zu erwarten. Die Entsiegelung unterstützt das Versickern des Meteorwassers in den Untergrund und schützt dadurch vor Überschwemmungen.»

Basler Baustellen ohne Mehrwert

In Zürcher Ohren klingen Forderungen nach «zukunftsweisender Mobilität», Hitzeminderung und Schwammstadt keineswegs exotisch, und das sollten sie eigentlich in der linken Stadt Basel auch nicht: Warum also das Nein am 26. November? Ein Grund dürfte darin liegen, dass sowohl Regierung als auch Parlament die Initiativen ablehnten und es auch keinen Gegenvorschlag gab. In seiner Medienmitteilung vom 26. November verweist der Verein umverkehR aber auch auf die «finanzstarke Gegenkampagne» und die «unsachlichen Zweifel, welche durch die Medien gestreut wurden». Im Gegenkomitee waren etwa der Gewerbeverband, die Handelskammer beider Basel, der TCS und der Automobilclub Sektion Basel vereint, und von den Parteien hatten die SVP, die LDP (Liberal-Demokratische Partei) und die FDP ebenso die Nein-Parole herausgegeben wie die GLP. Dass sich Rot-Grün zusammen mit grösseren und kleineren (Umwelt-) Verbänden und Vereinen gegen geeinte Bürgerliche, Gewerbler, TCS und ACS durchsetzen kann – das ist offensichtlich nicht einmal in Basel-Stadt selbstverständlich.

Auf der Webseite des Gegenkomitees war zu lesen, die Initiativen verwandelten Basel in eine Grossbaustelle: «Noch mehr Staub und Lärm!» Es folgten Argumente wie etwa, dass die Initiativen «unrealistisch» seien und die CO2-Neutralität bis 2037 gefährdeten. Zudem versperrten sie die Zufahrt für Anwohner:innen, Blaulichtorganisationen und das Gewerbe, sie blockierten den öffentlichen Verkehr «während Jahren» und – wer hätte das gedacht… – «vernichten noch mehr Parkplätze und schaden damit dem Wirtschaftsstandort Basel». Die umverkehR-Medienmitteilung vom 26. November hält zum Baustellen-Killerargument trocken fest: «Die Bevölkerung wird nun also viele Baustellen haben – leider ohne konkrete Verbesserungen am Strassenraum.» Und weiter: «In der Gegenkampagne wurde die Notwendigkeit von mehr Grünflächen und Bäumen regelmässig betont. Wir nehmen sie beim Wort und werden die Klimaanpassung künftig bei jedem Bauprojekt einfordern.»

Abstimmungen wohl 2024

Und damit zurück zu den Stadtklima-Initiativen im Kanton Zürich: In Winterthur hat das Stadtparlament bereits über die Stadtklima-Initiativen und die Gegenvorschläge der Baukommission entschieden, wie der umverkehR-Medienmitteilung vom 29. August zu entnehmen ist: «Eine Mehrheit hat sich für diese Gegenvorschläge ausgesprochen und die beiden Stadtklima-Initiativen sowie die Gegenvorschläge des Stadtrats abgelehnt.» Der Gegenvorschlag der Baukommission zur Gute-Luft-Initiative fordert die Umwandlung von 40 000 m2 befestigtem Strassenraum bis 2033 und von weiteren 40 000 m2 in Grünfläche mit Bäumen bis 2040. Die Initiative hatte allerdings die Umwandlung von 230 000 m2 verlangt.

Im Gegenvorschlag der Baukommission zur Zukunfts-Initiative wird die Umwandlung von mindestens 80 000 m2 Autoverkehrsflächen bis 2033 und von weiteren 90 000 m2 in Flächen für Fuss- und Veloverkehr sowie den öV bis 2040 gefordert. «Auch hier wurde der Gegenvorschlag des Stadtrats verbessert», hält Silas Hobi fest: «Die Initiative fordert jedoch die Umwandlung von 230 000 m2 Strassenraum für mehr Platz für den öffentlichen Verkehr, den Fuss- und Veloverkehr.» umverkehR wolle deshalb an den beiden Initiativen festhalten. Eine mögliche Abstimmung findet voraussichtlich im Frühling 2024 statt.

In Zürich teilte der Stadtrat vor einem Jahr, am 14. Dezember 2022, mit, dass er die Initiativen ablehnt, jedoch für beide einen Gegenvorschlag unterbreitet. Über diese Gegenvorschläge beugt sich zurzeit die gemeinderätliche Verkehrskommission. Wie sie inhaltlich mit den Gegenvorschlägen zu verfahren gedenkt, ist folglich wegen des Kommissionsgeheimnisses noch nicht in Erfahrung zu bringen. In den beiden Vorlagen heisst es jedoch, dass die Schlussabstimmung im Gemeinderat innert 29 Monaten seit der Einreichung der Initiativen erfolgen muss, «also bis am 7. Februar 2024». Spätestens an jenem Datum sollten sie also im Gemeinderat besprochen werden, und eine allfällige Abstimmung dürfte somit ebenfalls 2024 stattfinden.

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