Von Schulorganisation bis Fangewalt

Der Zürcher Gemeinderat hat sich hauptsächlich mit Schulthemen beschäftigt, aber auch über Fangewalt und Kollektivstrafen diskutiert.

Die Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend startete gleich wie die von letzter Woche, nämlich mit einer Fraktionserklärung der AL, wobei diese weniger Rote-Köpfe-Potenzial aufwies als die letzwöchige. Unter dem Titel «Warum preschen Sie vor, Frau Rykart?» nahm Moritz Bögli Bezug auf Medienberichte des Inhalts, dass die Bewilligungsbehörden den Heimsektor des FC Zürich für das nächste Heimspiel vom 31. Januar gesperrt hätten. Bislang sei die AL-Fraktion der Ansicht gewesen, Bewilligungsbehörde für Spiele im Letzigrund sei «einzig das Sicherheitsdepartement, wie dies das kantonale Recht vorsieht». Entsprechend «mit Erstaunen» nehme seine Fraktion zur Kenntnis, «dass neu anscheinend eine ominöse ‹Arbeitsgruppe Bewilligungen› der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) für Sektorsperren im Letzigrund als zuständige Bewilligungsbehörde fungiert». Im besten Fall verstecke sich das Sicherheitsdepartement hinter dieser Arbeitsgruppe, im schlechtesten «macht es den Anschein, als würde es ungezwungen und ungefragt seine Kompetenzen abgeben», hielt Moritz Bögli fest. Mit einer «Kollektivstrafe» der Südkurve werde die laufende Diskussion darüber vergiftet, ob und wie schweizweit einheitliche Massnahmen bei Fangewalt eingeführt werden sollten. Kollektivstrafen seien nicht nur unfair, sonderrn auch nicht geeignet, um Fangewalt zu verhindern. Er schloss mit dem Aufruf an Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart, «eigenständig» zu handeln und die Sektorsperre wieder aufzuheben.

In einer persönlichen Erklärung fügte Pascal Lamprecht (SP) an, um eine Kollektivstrafe verhängen zu können, bräuchte es erst eine Kollektivschuld. Es gehe nicht an, alle Fans in einen Topf zu werfen. Das wiederum rief Michael Schmid (FDP) auf den Plan, der die Fraktionserklärung der AL als «jenseits» taxierte, weil darin kein Wort von den «schwersten Ausschreitungen und Angriffen auf die Polizei» vorgekommen sei, die zu diesem Entscheid geführt hätten. Dass die SP in dieselbe Kerbe schlage und kein Wort über die Ursache verliere, könne er nicht verstehen. Es gehe hier nicht um eine Kollektivstrafe, sondern um angezeigte Massnahmen zur Sicherheit.

Vier Modelle

Danach standen Vorlagen des Stadtrats zur Debatte, wobei der Fokus auf Schulthemen lag. Mit ihrer Motion hatten Jean-Daniel Strub (SP) und Rosa Maino (AL, beide nicht mehr im Rat) im Jahr 2018 die «Reorganisation der Schulbehörden als Fundament für eine zukunftsfähige Organisations- und Führungsstruktur der Stadtzürcher Volksschule nach dem Grundsatz einer starken demokratischen Verankerung» angeregt. Umgesetzt wurde die Motion mit einem begründeten Bericht des Stadtrats.

Balz Bürgisser (Grüne) stellte das Geschäft vor, ein Job, um den er nicht zu beneiden war: Die Vorlage umfasste inklusive Anhänge 182 Seiten… Es seien vier Modelle erarbeitet worden, führte Bürgisser aus. Sie reichen vom «modifizierten Status quo», also beispielsweise den Präsidien der Kreisschulbehörden, die in Personalunion Mitglieder der Schulpflege sind, über Modelle mit Vorschlägen eines zwei- oder mehrstufigen anstatt eines einstufigen Schulleitungsmodells bis zu einem Modell mit einer Schulpflege ohne unterstellte Kreisschulbehörde und ohne Kommissionen. Oder für alle, die nicht vom Schulfach sind: Aufgezeigt werden Varianten, mit denen an der heutigen Organisation der Schulbehörden praktisch nichts geändert würde, bis zu solchen, bei denen fast alles neu würde.

Maya Kägi Götz (SP) dankte Bürgisser für die «elegante Vorstellung» der Vorlage und begründete, weshalb die Minderheit den Bericht ablehnend zur Kenntnis nehme: Sie anerkenne die geleistete Arbeit und sei auch dabei, die Motion als erledigt abzuschreiben. Der Bericht sei eine «ausgezeichnete Diskussionsgrundlage», doch die Minderheit könne sich für das Modell, das der Stadtrat zur Weiterverfolgung empfehle, nicht erwärmen. Dieses baut laut Vorlage auf dem Modell auf, das Winterthur umgesetzt hat: Die personelle Trennung der Schulpflege von der operativen Schulführung ermögliche eine deutliche Verbesserung hinsichtlich «Checks and Balances», heisst es dort unter anderem. Die Minderheit sieht hingegen «kein Verbesserungspotenzial gegenüber heute», wie Maya Kägi Götz ausführte, sondern vor allem eine «kostspielige Erweiterung auf der Führungsebene».

Yasmine Bourgeois (FDP) hingegen erklärte, ihre Fraktion sehe in den vorgeschlagenen Führungsstrukturen eine klare Verbesserung, und auch die «Stärkung der Mitwirkung der Eltern» sei in ihrem Sinn. Allerdings liefen die Kosten im Bildungsbereich «jetzt schon aus dem Ruder, ohne die Schule nur schon ein bisschen besser zu machen». Diesbezüglich werde die FDP deshalb «demnächst vorstössig werden». Ihre Fraktion nehme den Bericht zur Kenntnis und stimme der Abschreibung der Motion zu. Mit 79:35 Stimmen (der SP) lehnte es der Rat ab, den Bericht ablehnend zur Kenntnis zu nehmen, und nahm ihn sodann mit 80:39 Stimmen zur Kenntnis. Die Abschreibung der Motion folgte mit 112:0 Stimmen.

Stadtrat muss nachsitzen

Mit einer weiteren, 2020 überwiesenen Motion hatten Balz Bürgisser und Yasmine Bourgeois den Stadtrat beauftragt, dem Gemeinderat «eine kreditschaffende Weisung vorzulegen, damit Schülerinnen und Schüler mit einer Autismus-Spek­trum-Störung, die in einer Regelklasse unterrichtet werden, optimal gefördert und betreut werden». Der Stadtrat habe die Motion damals unter anderem mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass die Heilpädagogische Schule der Stadt Zürich bereits den Auftrag habe, ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten, führte Yasmine Bourgeois aus. Doch der Rat lehnte es ab, die Motion in ein Postulat umzuwandeln. Daraufhin verfasste der Stadtrat den nun diskutierten Bericht, in dem er argumentiert, die Anliegen der Motion seien bereits «vollumfänglich umgesetzt».

Balz Bürgisser erinnerte daran, der Vorstoss sei damals aufgrund einer «grossen Schlagzeile in einer grossen Zeitung» eingereicht worden, die darauf hinausgelaufen sei, «dass bei Autist:innen gespart werde». Sophie Blaser (AL) befand, mit dem Bericht sei nicht ausreichend auf die Motion reagiert worden, weshalb ihre Fraktion diesen zwar zur Kenntnis nehmen, die Motion jedoch nicht abschreiben wolle. Auch Christina Horisberger (SP) befand, das Problem sei noch nicht gelöst. Sie wies unter anderem darauf hin, dass Schüler:innen mit Autismus-Spektrum-Störungen nicht nur Probleme hätten, sondern auch spezielle Begabungen, auf die zu wenig eingegangen werde. Mit 78 gegen 34 Stimmen (von SVP und FDP) nahm der Rat den Bericht zur Kenntnis, und mit 79 gegen 34 Stimmen sprach er sich dafür aus, die Motion nicht als erledigt abzuschreiben, sondern dem Stadtrat eine Nachfrist von zwölf Monaten zur Erfüllung der Motion einzuräumen.

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.