Umstrittene Kredite

Der Zürcher Gemeinderat hat Entlastungsmassnahmen für die Hallenstadion AG bewilligt und einen Kredit von 3,2 Millionen Franken gesprochen, der die Vorarbeiten fürs Einführen einer Züri-City-Card ermöglichen soll.

 

Zwei grosse Debatten prägten die Gemeinderatssitzung vom Mittwochabend, eine zum Hallenstadion und eine zur Züri-City-Card. Bei der Hallenstadion-Vorlage ging es um Entlastungsmassnahmen zur Sicherung der Liquidität und darum, langfristig das wirtschaftliche Weiterbestehen der AG Hallenstadion zu sichern. Dass es solche Massnahmen braucht, liegt am Grossveranstaltungsverbot, das der Bundesrat wegen der Corona-Pandemie verfügte. Sie sollen rückwirkend ab dem 1. Juni 2020 gelten und umfassen eine Senkung des Zinssatzes von 2,25 auf 1,0 Prozent für ein bestehendes städtisches Darlehen in Höhe von 20 Millionen Franken bis zum Vertragsende am 31. Mai 2028. Gleichzeit sollen der AG Hallenstadion der Baurechtszins und der Mietzins für Vorbereitungsflächen bis am 30. Juni 2021 erlassen werden. Auf «erneutes begründetes Gesuch hin» kann dieser Erlass bis längstens 30. Juni 2022 verlängert werden, heisst es in der Vorlage. Zusammengefasst erhält die AG somit für eine Zeitdauer von rund acht Jahren Entlastungsmassnahmen im Umfang von maximal 2,7 Millionen Franken. Falls die AG Hallenstadion im erwähnten Zeitraum eine Dividende ausschüttete, würde sich der Darlehenszins auf 1,625 Prozent erhöhen.

 

Zu letzterem Punkt stellte die SP einen Änderungsantrag, den Judith Boppart begründete: Für die SP sei «klar, dass dasselbe auch für die Vergabe der Gastronomie» gelte. Es sei «im Eigeninteresse der AG, den für sie besten Vertrag» abzuschliessen – immerhin sei die Umsatzabgabe der Gastronomie eine ihrer besten Einnahmequellen. Zudem sei die Abgabe für die langjährige Gastrobetreiberin, die Wüger Gastronomie AG, Anfang der 2000er-Jahre von 16 auf 14 Prozent gesenkt worden, obwohl man von einer Steigerung der BesucherInnenzahlen und des Pro-Kopf-Konsums ausgegangen sei. Die Familie Wüger verdiene dort nicht nur gut, sondern ihr gehörten auch 37 Prozent der Aktien, und sei im Verwaltungsrat vertreten. Nun sei das Hallenstadion aber keine rein private Firma, und wenn Steuergelder involviert seien, müsse «alles sauber laufen». Deshalb müsse «zwingend ein fairer Wettbewerb ums Catering» stattfinden und die AG das beste Angebot aussuchen, andernfalls sollte sich der Zinssatz ab dem 1. Juli 2025 auf 1,625 Prozent erhöhen.

 

Die Grünen verlangten ebenfalls eine Änderung: Wie Luca Maggi ausführte, sollen im Rahmen der Entlastungsmassnahmen die Berechnungsgrundlagen für den Baurechtszins neu festgelegt werden: Die Höhe des Zinses soll variabel und an den Geschäftserfolg, konkret den Ebitda geknüpft sein. Ebitda ist die Abkürzung für englisch: «Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation an Amortization», übersetzt also für den «Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände». Die Grünen forderten, dass der aktuelle Baurechtszins als Richtwert bei einem Ebitda zwischen 4 und 4,5 Millionen Franken gelten soll. Höhere Ebitda sollen zu einer schrittweisen Erhöhung, tiefere zu einer schrittweisen Senkung führen. Zudem soll es einen Mindest- und einen Höchstzins geben. Die Verhandlungen über die Modalitäten sollen im Jahr 2023 starten.

 

Martin Götzl (SVP) erklärte, er habe «Verständnis, teils sogar Sympathie» für die Anträge der Grünen – aber der Zeitpunkt und die Art und Weise, wie die Anträge gestellt würden, seien «jenseits» und «weder anständig noch korrekt». Es sei, als würde man «einem Covid-Patienten den Sauerstoff abstellen». Patrik Maillard (AL) entgegnete ihm, die AG Hallenstadion habe lange vom «sehr günstigen Baurechtszins» profitiert und bis zur Pandemie «satte Gewinne» gemacht. Përparim Avdili (FDP) befand, Rot-Grün nutze mal wieder «schonungslos die eigene Macht aus». So gehe man nicht mit Unternehmen um, der Antrag der Grünen sei eine «klare Erpressung». Es nützte nichts: Die rot-grüne Mehrheit setzte sich erwartungsgemäss durch, der Änderungsantrag der SP kam mit 65:51 Stimmen durch, jener der Grünen mit 78:36 Stimmen.

 

Chance oder Bärendienst?

Die Vorlage zur Züri-City-Card geht auf eine dringliche Motion der SP-, Grüne- und AL-Fraktionen «betreffend Einführung einer städtischen Identitätskarte für alle Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner (Züri-City-Card)» zurück. Die drei Fraktionen forderten mit ihrem Vorstoss einen Rahmenkredit für die Einführung einer Züri-City-Card. Diesen Kredit in der Höhe von 3,2 Millionen Franken galt es nun zu bewilligen. Zur Züri-City-Card hatten Stadtrat und Gemeinderat schon früher Stellung genommen (vgl. P.S. vom 14. September 2018 und den Gemeinderatsbericht zur Überweisung der dringlichen Motion im P.S. vom 2. November 2018). Die lange und emotional geführte Debatte brachte inhaltlich denn auch nicht viel Neues. Kommissionssprecherin Maya Kägi Götz (SP) sagte, rund 10 000 Sans-Papiers lebten und arbeiteten in Zürich ohne geregelten Aufenthalt, sie seien zu Schwarzarbeit gezwungen, und ständig drohe ihnen Verhaftung und Ausschaffung. Sie verwies auf ein Rechtsgutachten der Uni Zürich, das festhalte, dass die Stadt eine City-Card ausstellen könne, deren Nutzen jedoch wegen der ausländerrechtlichen Ausweispflicht beschränkt sein werde: Dazu müssten Kanton und Bund aktiv werden, sprich jene Sans-Papiers regularisieren, die seit vielen Jahren hier lebten. Die Züri-City-Card könnte aber vereinfachten und vergünstigten Zugang zu städtischen Dienstleistungen bieten.

 

Für die FDP verlas Yasmine Bourgeois eine Fraktionserklärung: Die Züri-City-Card sei «untauglich, widerrechtlich und undemokratisch». Sie löse kein Problem und sei obendrein «unmoralisch», denn sie schütze «Schwarzarbeitgeber» und fördere die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte. Stefan Urech erklärte für die SVP, die linken Parteien möchten «eine Art Parallelrecht zur Bundesverfassung einführen». Zudem würde eine Umsetzung dieses Anliegens «einen starken Anstieg der Sans-Papiers generieren». Den Rückweisungsantrag begründete Yasmine Bourgeois unter anderem damit, dass die Züri-City-Card nicht als Ausweis anerkannt werden dürfte.

 

Simone Hofer Frei (GLP) befand, mit dieser Karte würde man den Sans-Papiers «einen Bärendienst» erweisen, und auch Ernst Danner (EVP) befürchtete «schwere Folgen» und betonte, die Karte würde den Sans-Papiers nicht viel nützen. Urs Riklin (Grüne) erinnerte an die «Bambini clandestini» der 1960er-Jahre, an die Kinder der Saisonarbeiter, die in den Wohnungen versteckt wurden, weil es kein Recht auf Familiennachzug gab. Auch die Sans-Papiers seien da und könnten nicht einfach weggeschickt werden. Wenn man sie weiterhin nur als «illegal» anschaue, kämen sie nie aus dieser Situation hinaus. Marco Geissbühler (SP) mahnte, es müssten die Grundrechte von allen Menschen geschützt werden, die hier lebten, also auch von den Sans-Papiers. Schlieslich hiess der Rat den Kredit mit 65:40 Stimmen (von FDP, SVP, EVP) bei 12 Enthaltungen (der GLP) gut.

 

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