«Sinnvoll» oder «Brechstange»?

Ob Bürokratie oder Parkplätze, beides gibt im Zürcher Gemeinderat stets viel zu reden. Am Mittwoch verlangte die AL mit einer Motion, dass jene, die weniger Parkplätze bauen möchten, nicht mit einer Extraportion Bürokratie ‹bestraft› werden sollen.

Mit einer gemeinsamen Erklärung aller Fraktionen, die Përparim Avdili (FDP) vortrug, sprach sich der Zürcher Gemeinderat gegen Antisemitismus in Zürich aus. In den letzten Tagen habe es zahlreiche antisemitische Vorfälle in der Schweiz gegeben. Auch die «in der Stadt Zürich tief verwurzelte jüdische Gemeinschaft» sei stark davon betroffen, sagte Avdili. Mit der gemeinsamen Fraktionserklärung setze das Parlament ein Zeichen gegen Gewalt und Antisemitismus: «Wir appellieren auch an die Stadtzürcher Bevölkerung, sich deutlich gegen Hass und Gewalt auszusprechen und für ein friedliches Zusammenleben einzustehen.»

Hürden für autoarmes Bauen

Dass autoarmes Wohnen in Zürich zum Standard werden sollte, forderte die AL mit einer Motion. Michael Schmid führte aus, seiner Fraktion gehe es darum, «bürokratischen Unsinn» zu reduzieren und auf «unrentable und klimaschädliche Investitionen» zu verzichten – also z.B. auf Tiefgaragen, die nie voll werden. Das kantonale Planungs- und Baugesetz (PBG) schreibe vor, bei Neubauten genügend Parkplätze zu erstellen, und das sei auch sinnvoll, fuhr Michael Schmid fort – die Frage sei nur, was man unter «genügend» verstehe. In der städtischen Parkplatzverordnung (PPV), die in der Zuständigkeit des Gemeinderats liege, seien «ausserordentlich hohe Hürden» festgeschrieben für jene, die gern autoarm bauen möchten: Verlangt würden ein Grundbucheintrag, ein Mobilitätskonzept und ein Controlling über die ganze Lebensdauer des Gebäudes – und das nur, um beweisen zu können, dass sich in den autoarmen Siedlungen niemand trotzdem ein Auto kaufe und es dann in der Blauen Zone parkiere. Das ginge viel einfacher, sagte Michael Schmid, man müsste diesen Leuten einfach keine Blaue-Zone-Parkkarten verkaufen. Weiter heisst es in der Motion, die Regelungen sollten sowohl bei Neu- wie auch bei Umbauten anwendbar sein, und bei Bestandeserweiterungen soll («Erhöhung der Wohnfläche bei Erhalt von wenigstens 80 Prozent der bestehenden Wohnungen») die Pflicht zur Erstellung von Parkplätzen entfallen.

Der Trend, die Autonutzung deutlich zu reduzieren, werde sich fortsetzen, sagte Michael Schmid. Dass die Motion übergeordnetem Recht widerspreche, wie der Stadtrat in seiner Antwort schreibt, sieht er nicht: Im PBG stehe ja ausdrücklich, dass die Parkplatzzahl reduziert werden könne, wenn ein Gebiet gut mit dem öffentlichen Verkehr erschlossen sei.

Stadträtin Simone Brander sagte, das PBG könne die Stadt nicht anpassen, aber die Motion verfolge gute Ziele, die der Stadtrat unterstütze, weniger Parkplätze und mehr Bäume beispielsweise. Doch es müsse sichergestellt werden, dass nicht plötzlich bei einem Wohnungswechsel in der Blauen Zone parkiert werde. Deshalb gehe es nicht ohne Grundbucheintrag, Mobilitätskonzept und Controlling. Zudem habe die Stadt rechtlich keine Handhabe, zu kontrollieren, wer in einer autoarmen Siedlung wohne und gleichzeitig eine Blaue-Zone-Parkkarte besitze.

Totalrevision nötig?

Sven Sobernheim (GLP) erklärte, es sei unbestritten, dass die PPV eine Totalrevision brauche: «Die Politik muss das Ziel vorgeben, nicht den Weg.» Er schlug eine Textänderung vor: Anstatt «autoarme und autofreie Wohnformen zum Standard zu machen», verlangte er eine Vorlage, die es erlaubt, «deutlich weniger» Parkplätze zu bauen und zudem, wie schon in der ursprünglichen Motion gefordert, «sicherstellt, dass die bürokratischen Hürden dafür nicht höher sind als jene für Nutzungsformen mit Automobil». Severin Meier (SP) sagte, seine Fraktion teile die Stossrichtung des Vorstosses, und mit der Textänderung der GLP könne sie ihm auch zustimmen.

Johann Widmer (SVP) hingegen hatte gar keine Freude: Es gehe der AL nur darum, private Tiefgaragen zu verbieten. «Was ist dann mit den Cüplisozialisten und ihren E-Schlitten? Illegal, scheissegal?» Benedikt Gerth (Mitte) erinnerte an die Unternehmen und Handwerker, die auf Parkplätze angewiesen seien, und gab die Ablehnung seiner Fraktion bekannt. Auch Stephan Iten (SVP) fand, der Vorstoss «sprudelt nur so vor Widersprüchlichkeiten», und sein Fraktionskollege Bernhard im Oberdorf pflichtete ihm bei. Claudio Zihlmann (FDP) sprach von «Parkplatzabbau mit der Brechstange». Markus Knauss (Grüne) kommentierte die «vielen rechtlichen Ausführungen» in der Motionsantwort so: «Ich verstehe, dass der Stadtrat politisch nicht will.» Mit 76 gegen 41 Stimmen (von SVP, FDP und Mitte-/EVP überwies der Rat die geänderte Motion.

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