Weiterkochen in den Wolken

Auf dem ehemaligen Koch-Areal entsteht das Koch-Quartier: Der Bau ist in vollem Gange, die Grundsteinlegung am Montag absolviert – nur ist es eben kein Grundstein, sondern eine WC-Tür gewesen, eingraviert ein Gedicht von Sibylle Berg. Skurril ist das allemal, schön wirds hoffentlich trotzdem.

Das mit den vielen Köchen und dem verdorbenen Brei stimme in diesem Fall nicht, meinte Stadtrat André Odermatt in seiner Ansprache zum Abschluss des Rundgangs auf dem neu entstehenden Koch-Quartier. Eine Herausforderung, drei Bauträger:innen zu koordinieren und gemeinsam an den Planungstisch zu bringen, sei es sicherlich, gerade wenn das Areal knapp 30 000 m2 Fläche aufweist. Aber was entsteht hier, wo bis vor Kurzem noch anders gekocht wurde, jetzt eigentlich?

Wer in den letzten Monaten einen Blick ins Koch-Areal geworfen hat, dem ist sicher das riesige Loch aufgefallen, daneben die Kohlenlagerhalle, die noch steht und auch erhalten bleibt. Denn rund um sie herum entsteht der Koch-Park – mit der Kohlenlagerhalle als Herzstück, einem überdachten Pavillon, wo zum Beispiel Konzerte oder sonstige Veranstaltungen stattfinden sollen. Dahinter hat die Genossenschaft ABZ grosse Pläne, die auf der Seite der Flurstrasse ihr erstes Zürcher Wohnhochhaus bauen will – die stattlichen 85 Meter Bauhöhe wurden bereits im Gemeinderat rege diskutiert (P.S. vom 03.12.21). Ob man erfreut ist über die Höhe oder nicht: 204 Wohnungen entstehen hier, ein Drittel davon subventioniert, und günstig werden sie auch bei ca. 1700 Franken für eine Vierzimmerwohnung. Neben der Kohlenlagerhalle, also zur Rautistrasse hin, entsteht ebenfalls Wohnraum, die Genossenschaft Kraftwerk 1 baut 124 Wohnungen, ebenfalls ein Drittel subventioniert, allerdings ein wenig teurer. Im Erdgeschoss sind zudem Gewerbeflächen geplant und auch der Zirkus Chnopf wird hier einquartiert. Das letzte Gebäude zur Flüelastrasse hin wird ein Gewerbehaus, realisiert von der Immobilienfirma Senn. 

Damit zur Grundsteinlegung – beziehungsweise zur WC-Tür, die ein wenig Kontext braucht. Gleich drei Vertreter:innen der städtischen Exekutive haben eine Ansprache gehalten, bevor sie, also Simone Brander, André Odermatt und Daniel Leupi, zum Objekt traten, das von zwei Bauarbeitern unter das Dach der Kohlenlagerhalle gerollt und dann von den Stadträt:innen ausgepackt wurde: Die Tür des öffentlichen WCs auf dem Koch-Park, eingraviert ein Gedicht von Autorin Sibylle Berg, das von einer smarten Stadt, Regenbogenfahnen an den Fassaden der Banken erzählt, und davon, dass sich die Menschen die Stadt zurückholen … Nicht das erste Mal an diesem Tag, dass eine etwas gentrifizierend anmutende Nostalgie an die ehemalige Autonomie auf dem Koch-Areal erinnerte. Auch André Odermatt räumte in seiner Ansprache ein, das hier entstehende Quartier, besonders wegen der Kohlenlagerhalle, werde «immer das Koch-Areal bleiben». Und auch bei Kraftwerk 1 gab man sich innovativ und erklärte stolz, es gebe neben den geplanten Wohnungen auch Wohnraum, der von den zukünftig dort wohnenden Genossenschafter:innen selbstverwaltet würde. Man schwelgt also nicht nur in Erinnerungen an die «legendäre Sitzung mit der UBS» zum Verkauf des Areals an die Stadt wie André Odermatt, sondern auch an die Geschichte und damit an die beim Abrissstart weggewiesenen Besetzer:innen – unter anderem auf einer WC-Tür … was vielleicht auch bezeichnend ist: Ein Ort, der stets mit Lärm, Leben und «Lämpe» in Verbindung gebracht respektive geschrieben wurde, wandelt sich zum idyllisch-modernen stillen Örtchen, der aber gleichzeitig noch den Anspruch hat, möglichst lebhaft zu wirken. Es bleibt lediglich zu hoffen, dass die Lebhaftigkeit nicht nur als Motto eingraviert wird und dass das Spiessbürgertum nicht überhand nimmt, sobald die Tür von innen geschlossen, das Mantra, sich die Stadt zurückzuholen, nur noch Lyrik ist.

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