Pilotquartier und Postulate

Der Zürcher Gemeinderat befasste sich dem Pilotquartier Netto-Null. Kontrovers diskutiert wurden ausserdem die Demo vom 3. Februar und mehrere Postulate der SVP.

Unter dem Titel «Heimlifeisseln und Diktat des Kantons» verlas Serap Kahriman (GLP) an der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend die gemeinsame Erklärung der GLP-, SP-, Grüne- und AL-Fraktionen zum Thema Nationalitätennennung. Sie erinnerte daran, dass die genannten Fraktionen erst im November 2023 ein Postulat an den Stadtrat überwiesen hätten, das forderte, die Stadtpolizei solle «von der Praxis, die Nationalität in Medienmitteilungen zu nennen», ablassen. «Mit Erstaunen» hätten sie deshalb «über die Medien die Information erhalten, dass die Oberstaatsanwaltschaft infolge unseres Vorstosses die Weisung per 1. Januar 2024 angepasst hat», sagte sie. Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart hielt dazu unter anderem fest, sie habe vom Kommandanten der Stadtpolizei von dieser Änderung erfahren und daraufhin bei der Oberstaatsanwaltschaft nachgefragt, warum so entschieden worden sei und ob es noch eine Information der Öffentlichkeit gebe. Die Antwort habe gelautet, damit werde dem Volksentscheid vom März 2021 Nachachtung verschafft, und eine Information der Öffentlichkeit gebe es nicht, da Anpassungen der entsprechenden Verordnung nie öffentlich kommuniziert würden (am 7. März 2021 wurde die kantonale Volksinitiative «Bei Polizeimeldungen sind die Nationalitäten anzugeben» abgelehnt und der Gegenvorschlag zur Änderung des Polizeigesetzes angenommen/nic.).

Die zweite Fraktionserklärung kam von der SVP und trug den Titel «Reicht der Arm der linksextremen Antifa bis in den Gemeinderat?». Samuel Balsiger, der die Erklärung verlas, verwies zuerst auf den «politischen Umzug» vom 3. Februar «mit aktiver Teilnahme von Gemeinderäten der Grünen, GLP und SP», bei dem «auch Linksextreme mitmaschierten». Gemeint war die bewilligte Demo, die auf der Webseite der Grünen unter dem Titel «Kante gegen Rechtsextremismus – Deine Stimme für unsere Demokratie» angekündigt war. Samuel Balsiger sagte, Dominik Waser (Grüne) habe die «linksextreme Antifa» sogar an die Veranstaltung eingeladen: «Eine linksradikale Schlägertruppe ist an einer Demonstration für ‹Toleranz› herzlich willkommen. Das lässt tief blicken.» Dominik Waser entgegnete ihm unter anderem, der Vorwurf, sich nicht von den Linksextremen abzugrenzen, äusserten jene am lautesten, «die mit Nazis kuscheln». Es gehe um die Demokratie, «und die wollen Rechtsextreme abschaffen». Er verwies auch auf einen Vortrag, den die Junge Tat am Tag der Demo organisiert habe, mit einem Gast aus Deutschland mit AfD-Verwandtschaft. David Garcia Nuñez (AL) befand, die Demo habe anscheinend bei der SVP «den Nagel auf den Kopf getroffen», während sich die FDP offensichtlich «nicht betroffen fühlt». Samuel Balsiger betonte, die SVP müsse sich nicht von der Jungen Tat distanzieren, weil sie nichts damit zu tun habe. Përparim Avdili (FDP) sagte, seine Partei sei seit der Entstehung unseres Landes für die demokratische Grundordnung und gegen Extremismus und müsse sich deshalb auch von nichts distanzieren. Moritz Bögli (AL) erinnerte die SVP an die Winterthurer Parteipräsidentin, die ihre Medienarbeit an die Junge Tat delegiert hatte.

Netto-Null-Quartier

Klare Verhältnisse herrschten sodann bei der Vorlage, mit der der Stadtrat 7,7 Millionen Franken für die Umsetzung des Projektkonzepts «Pilotquartier Netto-Null» im Gebiet Binz / Alt-Wiedikon über eine Dauer von sechs Jahren beantragte: SVP und FDP waren dagegen, alle anderen dafür. Im Rahmen des Projekts sollen gemäss Vorlage Erkenntnisse gewonnen werden, «mit welchen Massnahmen die freiwillige Bereitschaft lokaler Anspruchsgruppen zu einem verstärkten Engagement für die Zielerreichung von Netto-Null 2040 und die städtischen Energieziele erhöht werden können». Kommissionssprecherin Julia Hofstetter (Grüne) erwähnte zudem, dass es auch darum gehe, sich zu vernetzen. Die im Rahmen des Projekts gewonnenen Erkenntnisse würden zudem laufend evaluiert und in einem nächsten Schritt auf andere Quartiere übertragen. Mögliche Themen könnten von Logistik über nachhaltige Ernährung bis zu öffentlichen Orten zur gemeinsamen Nutzung reichen. Im Pilotquartier wohnten 5000 Menschen und arbeiteten deren 14 000, und es sollten auch Kinder, Jugendliche und Menschen ohne Schweizer Pass einbezogen werden.

Den Rückweisungsantrag der FDP begründete Deborah Wettstein unter anderem damit, es stehe nirgends, wie die Ziele erreicht werden sollten – aber dass das Ganze 7,7 Millionen kosten solle, sei bereits klar. Die Bevölkerung warte nicht auf «Bespassung», fügte sie an und gab dem Stadtrat den Rat, erst zu «sagen, was ihr wollt», und dem Gemeinderat danach einen Projektplan vorzulegen. Pascal Lamprecht (SP) hingegen befand, es sei egal, ob das Netto-Null-Ziel 2040 oder 2050 erreicht werde, «Hauptsache, wir legen endlich los!». Walter Anken (SVP) fand, 7,7 Millionen für ein «derart schwammiges Konzept» seien «völlig überrissen». Moritz Bögli sagte, seine AL sei «nicht so begeistert wie andere» und habe Zweifel, was Erfolg und Nutzen des Vorhabens betreffe. Schliesslich habe unser Wirtschaftssystem massgeblich dazu beigetragen, «dass wir da stehen, wo wir stehen». Wenn wir alle ein bisschen besser recycleten, führe das nicht zum Ziel. Dennoch stimme die AL zu. Der Rückweisungsantrag ging mit 21 gegen 96 Stimmen bachab, und die Vorlage kam mit 84 gegen 34 Stimmen durch.

«Obsessive Beschäftigung»

Bis zum Schluss der Sitzung behandelte der Rat sodann fünf Postualte der SVP mit Forderungen nach einer Kameraüberwachung des Gebiets um das Bundesasylzentrum, nach der «Unterbindung der Besetzung der Hardturmbrache», nach der «Verhinderung von gewalttätigen Ausschreitungen bei der Räumung des besetzten Hardturm-Areals», nach der Räumung von Hausbesetzungen innert 24 Stunden sowie nach der «Abschaffung des internen Merkblatts zu den Hausbesetzungen hinsichtlich der sofortigen Räumung besetzter Gebäude». In der Debatte forderte die SVP von den Linken erneut, sich endlich vom Linksextremismus zu distanzieren, während sie ihnen gleichzeitig vorwarf, sie seien linksextrem: Man könne die AL als linksextreme Partei bezeichnen, und er werde das künftig auch so sagen, erklärte Samuel Balsiger unter anderem. Das Schlusswort hatte Andreas Kirstein: «Die obsessive Beschäftigung mit dem moralischen Innenleben des politischen Gegners führt uns nirgends hin», sagte er an die Adresse von Balsiger. Und weiter: «Es empfiehlt sich, das Merkblatt mal zu lesen, auch wenn das anstrengender ist, als ein Video zu verlinken oder eine Schlagzeile zu schreiben», riet er der SVP, denn «Lesen lohnt sich!». Alle fünf Postulate wurden abgelehnt.

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