«Noch vor Ende meines ersten Amtsjahres kam die Pandemie»

2019 schaffte Natalie Rickli (SVP) den Sprung in die Regierung. Nach den ersten vier Jahren als Gesundheitsdirektorin blickt sie nun voller Tatendrang nach vorn.

 

Vor 15 Jahren, am 3. Dezember 2007, wurde Natalie Rickli in den Nationalrat gewählt, davor war sie von Mai bis November 2007 Kantonsrätin. Gestartet hat sie ihre Karriere als Parlamentarierin jedoch bereits 2002 im Grossen Gemeinderat von Winterthur, dem sie bis Juni 2007 angehörte. Als sie bei den Wahlen 2019 den Sprung in den Regierungsrat schaffte, blickte sie somit auf 17 Jahre als Parlamentarierin zurück. Wie schwer fällt es einem nach so vielen Jahren, der Legislative Ade zu sagen und in der Exekutive Fuss zu fassen? Natalie Rickli lächelt und sagt, sie habe sich sehr gut eingelebt: «Ab dem Moment meiner Kandidatur für den Regierungsrat war ich mir bewusst, welchen Rollenwechsel meine Wahl beinhalten würde.» Dennoch habe es zirka ein Jahr gedauert, bis sie in die Dossiers ihrer Direktion und in die Regierungsgeschäfte allgemein eingearbeitet gewesen sei, fügt sie an. «Unterdessen bin ich angekommen und kenne die Menschen, Themen, Abläufe und Prozesse im Gesundheitswesen ebenso gut wie die Pro­bleme.»

 

Neues Amt, neues Gesetz

Nach Beispielen gefragt, präzisiert sie, wer neu einer Direktion vorstehe, treffe auf eingespielte Prozesse und darunter auch auf solche, bei denen es sich lohne, sie genau zu analysieren und eventuell anzupassen. Viel Zeit sei ihr dafür allerdings nicht geblieben: «Noch vor Ende meines ersten Amtsjahres kam die Pandemie, und es galt innert kürzester Zeit sehr viel auf die Beine zu stellen, womit sich zuvor kaum jemand befasst hatte.» Im Bericht einer Subkommission, die aus Mitgliedern der Geschäftsprüfungs- und der Finanzkommission des Kantonsrates bestand und die den Umgang des Kantons Zürich mit der Corona-Pandemie während der ausserordentlichen Lage untersuchte, heisst es dazu etwa, die Gesundheitsdirektorin sei zu Beginn der Krise auf die Hilfe der Kantonspolizei und der Kantonalen Führungsorganisation KFO von Sicherheitsdirektor Mario Fehr «angewiesen» gewesen. «In der Gesundheitsdirektion gab es damals noch keine Pandemie-Stabsorganisation, das Generalsekretariat war für alle abteilungsübergreifenden Belange zuständig», erklärt Natalie Rickli. Die KFO und die Kantonspolizei seien dafür da, in einer Krisensituation aktiv zu werden: «Ich war froh um die Unterstützung des Sicherheitsdirektors, der uns einen Stab der Kantonspolizei zur Verfügung gestellt hat.»

 

Unterdessen hat Natalie Rickli erste Reorganisationen durchgeführt: «Seit dem 1. Januar 2022 steht das neue Amt für Gesundheit mit seinen 80 Mitarbeitenden organisatorisch auf derselben Ebene wie das Veterinäramt oder das kantonale Labor.» Dass sie selber während der Pandemie nicht im dreiköpfigen Regierungsausschuss war, den der Regierungsrat zur Bewältigung derselben ins Leben gerufen hatte, sei so geplant gewesen: «Dort wurden jene Pandemie-bedingten Probleme besprochen, die nichts mit der Gesundheitsversorgung zu tun hatten.» Im erwähnten Bericht heisst es hingegen, sie hätte im Ausschuss vertreten sein müssen – aber auch, die Einsetzung desselben sei «praktisch folgenlos» geblieben.

 

Zu den Erfolgen der zu Ende gehenden Legislatur zählt Natalie Rickli, wie ihre Direktion die logistischen Herausforderungen der Pandemie im Kanton Zürich gemeistert hat. Stolz ist sie auch auf das Spitalplanungs- und Finanzierungsgesetz, das sie durch den Kantonsrat brachte, und den Lohndeckel für Ärztinnen und Ärzte. Darauf angesprochen, dass die Bevölkerung in Affoltern am Albis oder Uster keine Freude hatte, als die Gesundheitsdirektorin verkündete, die dortigen Spitäler von der Spitalliste zu streichen, entgegnet sie, es sei doch gut herausgekommen: «Das Spital Affoltern setzt nun voll auf Palliativmedizin und Akutgeriatrie, und in Uster haben sich die Zahlen verbessert, das Spital hat wieder eine Chance. Wir müssen es aber weiterhin begleiten.»

 

Ausgebaut hat Natalie Rickli die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Mit der Kampagne «Kein Täter werden» und einer neu geschaffenen Präventionsstelle setzt sie ein Programm gegen Pädokriminalität um, dem sie noch als Nationalrätin den Weg gebahnt hatte – mit einem Vorstoss, den sie zusammen mit Daniel Jositsch (SP) eingereicht hatte. Was die Rehabilitation betrifft, sei die geplante Reha-Klinik beim Stadtspital Triemli eigentlich gut aufgegleist, fügt sie an. Doch weil der Kanton Thurgau gegen die neue Spitalliste Rehabilitation Beschwerde eingereicht hat, müsse man nun den Ausgang des rechtlichen Verfahrens abwarten.

 

«Schwer fassbar»

SP-Kantonsrat Andreas Daurù ist langjähriges Mitglied der Kommission für Sicherheit und Gesundheit. Er attestiert Natalie Rickli eine gute Zusammenarbeit mit der Kommission. Vergleiche man ihr Auftreten dort mit dem ihres Vorgängers Thomas Heiniger, habe ein «Kulturwandel» stattgefunden. Trotzdem sei sie eher «schwer fassbar, sie hat wenig Ecken und Kanten, schafft es aber meistens, in der Kommission gut dazustehen, und macht in ihrer Direktion rechtzeitig das Nötige», fügt er an. Auch die Corona-Pandemie habe sie nicht schlecht gemeistert. Umgekehrt sei sie nicht die Schnellste, wenn es um bessere Arbeitsbedingungen für das Personal gehe. Massnahmen analog zum Programm «Stärkung Pflege», das die Stadt Zürich umgesetzt habe, seien nicht in Sicht: «Hier träte eine Sozialdemokratin aktiver auf», glaubt er.

 

Natalie Rickli verweist auf die verbesserten Anstellungsbedingungen der kantonalen Spitäler sowie auf die Pflegeinitiative, deren erste Etappe fristgerecht per Sommer 2024 umgesetzt werde, und darauf, dass es mehr brauche als eine Ausbildungsoffensive: «Wir müssen auch die Menschen, die in der Pflege tätig sind, im Beruf halten. Das wird nicht einfacher dadurch, dass man heutzutage zwei bis drei Leute pro Stelle braucht.» Immerhin: Gesundheitsdirektorin gibt es nur eine, und die Wiederwahl Natalie Ricklis dürfte aller Voraussicht nach glatt über die Bühne gehen.

 

Regierungsratswahlen 2023

Mit dieser Porträtreihe stellen wir bis Anfang Februar die bisherigen und die neuantretenden RegierungsratskandidatInnen vor: diese Woche Natalie Rickli (SVP, bisher). Erschienen am 13.01.2023.

 

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