«Der Sitz der Bildungsdirektorin war stets umkämpft»

Regierungsrätin Silvia Steiner (Mitte) freut sich darauf, weitere vier Jahre als Bildungsdirektorin zu amten.

 

Unter «guter Bildung» verstehen längst nicht alle dasselbe, und obendrein ist es mit der Bildung ein bisschen wie im Fussball: Am Match wissen die Fans sofort, was der Schiri besser machen müsste (zu Gunsten ihrer Mannschaft, versteht sich), und in der Bildung kommen alle draus, weil sie schliesslich alle mal in der Schule waren. Was also ist Bildungsdirektorin Silvia Steiner in der zuende gehenden Legislatur gelungen und was weniger? Gelungen sei ihr, das Schülerwachstum von 100 bis 150 zusätzlichen Klassen pro Jahr zu bewältigen. Und zwar nicht einfach zufällig. Es habe zusätzlich Werbung gebraucht, um junge Leute auf die Studiengänge an der Pädagogischen Hochschule Zürich (PH) aufmerksam zu machen. Auch die Weiterentwicklung inklusive Vergrösserung der PH sei aufgegleist. Die frühe Förderung habe sie ebenfalls ins Visier genommen, fährt Silvia Steiner fort, angefangen bei der Anpassung der Ausbildung der Kindergartenlehrpersonen sowie deren Löhne.

 

Die Arbeitszeit der Kindergartenlehrer­Innen umfasst nach wie vor einen Nachmittag pro Woche weniger als jene der PrimarschullehrerInnen, weshalb sie auch entsprechend weniger verdienen. In einem nächsten Schritt gelte es deshalb, den neuen Berufsauftrag entsprechend anzupassen, erklärt Silvia Steiner. Warum erst jetzt? Das Problem ist ja längst erkannt. Der Grund für das, was ihr bisweilen als «zögerliches Verhalten» angekreidet werde, sei taktischer Natur, sagt sie: « Wenn eine solche Vorlage abgelehnt würde, wäre sie vom Tisch und ich müsste von vorn beginnen. Ich habe nur einen Versuch, und für den muss ich den bestmöglichen Zeitpunkt wählen.»

 

«Extreme Belastungsprobe»

Mit der Corona-Pandemie sei «eine extreme Belastungsprobe», ja die «grösste Krise der Nachkriegszeit» zu bewältigen gewesen, grösser etwa als jene, die der Krieg gegen die Ukraine mit sich gebracht habe: «Die Volksschule kann Kinder von geflüchteten Menschen integrieren, das macht sie ja ständig, dieses Mal waren es aber sehr viele Kinder.» Während der Corona-Pandemie habe es jedoch «alle paar Tage neue Ideen aus Bundesbern» gegeben. Diese zu managen, sei aufwändig gewesen und habe viel zusätzliche Bürokratie verursacht – besonders für Schulen und die Lehrpersonen. Als Beispiel nennt Silvia Steiner die Pool-Tests. Diese Krise gemeinsam bewältigt zu haben, wertet Silvia Steiner denn auch als grössten Erfolg. Sie merkt aber an, der ständige Krisenmodus sei im Lauf der Corona-Zeit zu einer immer grösseren Belastung geworden, nicht nur für die LehrerInnen, sondern auch für ihre MitarbeiterInnen in der Bildungsdirektion.

 

Doch in die zuende gehende Legislatur fällt nicht nur Corona, sondern auch der Umbau der Berufsschulen. Sie ähnelten nun nicht mehr «Gemischtwarenläden», sondern seien zu Kompetenzzentren gebündelt und aufgewertet worden, sagt Silvia Steiner. Damit sei der Kanton Zürich bereit, wenn die vielen SchülerInnen, die aktuell die Volksschule besuchen, dereinst eine Lehre beginnen. In der Sek 2 wiederum habe sie den «digitalen Wandel» bereits vor Corona und damit vor dem aktuellen Hype um die Digitalisierung eingeläutet, betont sie. Doch auch die Hochschulbildung hat Silvia Steiner im Blick – und zum Ausschluss der Schweiz aus dem EU-Forschungsprogramm «Horizon» merkt sie an, wir hätten in Zürich «herausragende Forschungskooperationen, die auch ohne ‹Horizon› laufen», kurz: «Wenn die EU auf diesem Gebiet nicht mit uns zusammenarbeiten will, schadet sie sich selbst.»

 

«Voller Tatendrang»

Alles andere als eine Erfolgsgeschichte ist hingegen das Schneckentempo bei den Stipendien, das gibt sie unumwunden zu. Es sei «nicht gelungen, die rechtlichen Grundlagen so umzusetzen, dass eine schnelle Bearbeitung der Gesuche möglich ist». Die Bearbeitungsdauer eines Gesuchs ab dem Zeitpunkt, wenn alle nötigen Unterlagen eingereicht sind, beträgt aktuell 135 Tage. Ihr Ziel ist es, diese Frist auf 50 Tage zu verkürzen. Wenn aber die rechtlichen Grundlagen das eigentliche Problem sind, weshalb hat die Bildungsdirektorin dem Kantonsrat nicht längst eine Vorlage mit den notwendigen Gesetzesänderungen präsentiert? Die Vorarbeiten dazu seien im Gange, erklärt Silvia Steiner. Das entsprechende Amt habe den Auftrag zu prüfen, wie das Gesetz angepasst werden könnte. 

 

Die letzte Wahl-Umfrage sieht sie gleichauf mit Herausfordererin Priska Seiler Graf von der SP, doch Silvia Steiner lässt sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen: «Ich weiss, dass meine Hausmacht nicht allzu gross ist. Doch der Sitz der Bildungsdirektorin war stets umkämpft.» Die Beobachtung, dass sie mit ihrer direkten Art und ebensolchen Wortwahl im Kantonsrat bisweilen aneckt, kommentiert sie mit den Worten, ihr Tonfall sei «völlig gemässigt», sie verstehe nicht, woher dieser Vorwurf käme. Sie habe kein Problem mit dem Kantonsrat oder ihrer Kommission, sagt sie, im Gegenteil: «Ich blicke der neuen Legislatur voller Tatendrang entgegen und bin zuversichtlich, dass die Wiederwahl gelingt.»

 

Regierungsratswahlen 2023

Mit dieser Porträtreihe stellen wir bis Anfang Februar die bisherigen und die neuantretenden RegierungsratskandidatInnen vor: diese Woche Silvia Steiner (Mitte, bisher). Erschienen im P.S. vom 20.01.2023.

 

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