«Es entspricht mir, Verantwortung zu übernehmen»

Priska Seiler Graf hat gemäss der ersten Wahlumfrage die beste Wahlchance aller neu Kandidierenden. Sie ist auch die Einzige mit Exekutiverfahrung.

 

Sie redet nicht lange um den heissen Brei herum: «Wir brauchen mehr sozialdemokratische Politik im Regierungsrat. Zwei SP-Sitze sind aufgrund unseres WählerInnenanteils gerechtfertigt», sagt Priska Seiler Graf. Was versteht sie unter sozialdemokratischer Politik? Eine Politik, die den Menschen ins Zentrum stellt, präzisiert sie: «Alle Menschen im Kanton Zürich, in der Stadt, auf dem Land und in der Agglo sollen ein gutes Leben haben, unabhängig davon, ob ihr Portemonnaie dick ist oder dünn.» Damit aber nicht genug: «36 Prozent aller Menschen im Kanton Zürich wohnen in der Agglomeration einer der grossen Städte. Ob in Schlieren oder Dietikon, Kloten oder Bülach – sie haben eines gemeinsam: Sie sind im Regierungsrat nicht vertreten», fügt Priska Seiler Graf an.

 

Dass sie den Adliswiler Regierungsrat Mario Fehr nicht zu den Agglo-Vertretern zählt, begründet sie mit dem kantonalen Raumordnungskonzept (ROK) beziehungsweise dessen Passus, dass das Limmattal und das Glatttal beziehungsweise die dortigen Agglomerationen 80 Prozent des Wachstums aufnehmen müssten: «Das finde ich sinnvoll, aber für mich heisst es auch, dass diese Wachstumsregionen in der Regierung vertreten sein müssen.»

 

Lieber Erneuerbare als Kampfjets

Priska Seiler Graf amtete zehn Jahre, bis zu ihrem Rücktritt im Herbst 2020, als Stadträtin von Kloten, genauer als Sicherheitsvorsteherin. Die Arbeit in der Exekutive hat ihr gefallen: «Es entspricht mir, Verantwortung zu übernehmen, die anstehenden Geschäfte mitzugestalten und gemeinsam mit den anderen Exekutivmitgliedern gute Lösungen zu finden. Ich habe auch kein Problem damit, den Kopf hinzuhalten, wenn etwas nicht optimal läuft.»

 

In Kloten mit seinen unterdessen rund 20 000 EinwohnerInnen habe sie miterlebt, dass die nötige Verdichtung «auf eine gute Art und Weise machbar» sei. Gleichzeitig wisse sie seither sehr genau, «wo die Gemeinden der Schuh drückt». Sie ist auch überzeugt, dass der Kanton die Agglo besser unterstützen müsste, nicht zuletzt finanziell, «damit die Gemeinden das Wachstum gestalten können, statt es geschehen lassen zu müssen».

 

So wie sie von ihrer Zeit als Stadträtin von Kloten erzählt, ist rasch klar, dass Priska Seiler Graf gern noch länger im Amt geblieben wäre: «Leider hat der Tag nur 24 Stunden…» Seit 2015 ist sie Nationalrätin, und beides sei auf Dauer nicht vereinbar, findet sie. Mit ihrem Engagement in der Sicherheitspolitischen Kommission SiK wie auch als Mitinitiantin der schliesslich zurückgezogenen Volksinitiative gegen den Kampfjet F-35 wurde sie über den Kanton Zürich hinaus bekannt.

 

Wegen ihres Einsatzes gegen die Milliarden für die Militärflieger wurde sie auch angefeindet, vor allem nach dem Überfall Putins auf die Ukraine. Aber Priska Seiler Graf, der auch Bürgerliche eine vernünftige und kompromissbereite Art des Politisierens attestieren, sieht in solchem Gegenwind kein Problem: Es sei wichtig gewesen, diese Initiative einzureichen. «Ich bin auch nicht sicher, wie eine Abstimmung über den F-35 ohne aktuellen Krieg auf europäischem Boden herausgekommen wäre.» Also einfach schlechtes Timing? «Was die SP zur Sicherheitspolitik beiträgt, sind keine lauten Schlagworte, sondern differenzierte Darstellungen. Wir wehren uns keineswegs gegen Investitionen – dort, wo sie Sinn machen.» Die Schweiz sei beispielsweise in Sachen Boden-Luft-Abwehr «etwas schwach auf der Brust», und wie wichtig solche Abwehrsysteme seien, zeige gerade der Krieg gegen die Ukraine. Jets zur Verteidigung hingegen «sind kein realistisches Szenario für die Schweiz».

 

Im Gespräch erinnert sie sich auch gern an ihre zehn Jahre im Zürcher Kantonsrat und an die Zeit, als sie Mitglied der Kommission für Energie, Verkehr und Umwelt KEVU war. Als Nationalrätin wäre sie gern Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie UREK geworden, was aber nicht klappte: «Das Leben ist kein Wunschkonzert, die Politik auch nicht, also mache ich das Beste aus meinem Engagement in der Sicherheitspolitischen Kommission.» In der Politik gebe es zum Glück keine langweiligen Themen: «Sobald man sich in die Details vertieft, ist jede Kommission und jede Direktion inte­ressant.» Dass die Umstellung auf erneuerbare Energien bis 2040 erfolgen sollte und neue AKW «definitiv keine Option» sind, steht für sie fest. Es brauche auch keine neuen Technologien: «Alles ist erfunden. Wir müssen es nur endlich machen. Das nützt erst noch unserer Wirtschaft und schafft neue Arbeitsplätze.»

 

«SP-Themen beschäftigen alle»

Glaubt man der ersten Wahlumfrage, ist der Fall klar, die GLP gewinnt, die SP verliert. Priska Seiler Graf lässt sich dadurch weder als Regierungsratskandidatin noch als Co-Präsidentin der SP Kanton Zürich aus der Ruhe bringen: «Die einzige Umfrage, die zählt, ist jene vom 12. Februar.» Die SP-Mitglieder hätten noch kaum je so enthusiastisch Wahlkampf gemacht wie dieses Mal, und die SP-Themen deckten sich mit dem, was die Menschen zurzeit am meisten beschäftige: «Der knappe und teure Wohnraum ist längst zum brennenden Thema in der Agglo geworden, und die Energiepreise, der Kaufkraftverlust und die Krankenkassenprämien machen den Menschen zu schaffen.» Auch der akute LehrerInnenmangel verlange dringend nach Lösungen, fügt die ausgebildete Sek-Lehrerin an: «Die LehrerInnen müssen entlastet werden, und sie brauchen einen neuen Berufsauftrag.» Statt Steuern zu senken, gelte es dafür zu sorgen, dass der Staat eine gute Grundversorgung bietet. Wie soll das gehen in einer Regierung mit bürgerlicher Mehrheit? «In jeder Exekutive gibt es bisweilen harte Diskussionen. Ich bin kompromissbereit – aber ich halte nichts davon, schon mit dem Kompromiss zu beginnen», sagt Priska Seiler Graf. Sie weiss, was sie kann und will. Ob das reicht, wissen wir am 12. Februar.

 

Regierungsratswahlen 2023

Mit dieser Porträtreihe stellen wir bis Anfang Februar die bisherigen und die neuantretenden RegierungsratskandidatInnen vor: diese Woche Priska Seiler Graf (SP, neu). Erschienen im P.S. vom 13.01.2023.

 

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