Ein Schreiner als Brückenbauer

Die EVP ist eine Kleinstpartei. Ihr Kantonsrat Daniel Sommer aus dem Säuliamt möchte dennoch Regierungsrat werden – als Teil einer «breiten Mitte».

 

Von der «Hausmacht» eines Kandidaten zu sprechen, wenn dessen Partei bei Wahlen nur fünf Prozent der Stimmen holt, führt verständlicherweise zur Frage: «Ist die Eroberung eines Regierungsratssitzes überhaupt realistisch?» Daniel Sommer, EVP-Kantonsrat und Inhaber einer Schreinerei in Rifferswil, nimmt solche Fragen gelassen: «Unser WählerInnenanteil mag gering sein, aber bei Abstimmungen folgen jeweils viele Stimmberechtigte unserer Linie. Wir sind lebendiger Teil der politischen Mitte. Vielleicht sogar deren Herzstück.» Gegen diese Selbsteinschätzung liesse sich einwenden, dass die kleine EVP diese Mehrheiten bei Abstimmungen nicht alleine zustande bringt. Sie gehört bekanntlich zur Klima­allianz im Kantonsrat. Daniel Sommer betont, dass seine EVP oft «im Hintergrund» wirke und Wesentliches zum Feinschliff einer Vorlage beitrage. Als Beispiel nennt er die Härtefallregelung im Energiegesetz, über das am 28. November 2021 abgestimmt wurde: «Wenn HauseigentümerInnen die Investitionskosten für den Umstieg von einer fossilen Heizung zu einer klimaneutralen nicht tragen können, sollte der Gesetzgeber dies doch berücksichtigen.» Die gefundene Lösung, einen Aufschub bis nach dem nächsten Eigentümerwechsel, hat Kantonsrat Sommer dem Rat beliebt gemacht. Das war ihm natürlich auch als Vorstandsmitglied von Casafair, dem «alternativen» Hauseigentümerverband, wichtig. Allerdings gesteht der EVP-Kantonsrat unumwunden ein, dass «arme» HausbesitzerInnen, die sich keine fossilfreie Heizung leisten können, in der Minderheit sind. Also purer Populismus? Das sieht Daniel Sommer nicht so, sondern als politischen Pragmatismus. Denn er betont: «Der psychologische Effekt einer solchen Regelung in einem Abstimmungskampf ist nicht zu unterschätzen.» Das Argument der Gegenseite, das neue Gesetz werde vor allem ältere Menschen aus ihren eigenen Häusern vertreiben, sei immer wieder gekommen: «Hätten wir es nicht mit der Härtefallklausel kontern können, wäre die Vorlage möglicherweise nicht mit über 60 Prozent Ja-Stimmen angenommen worden.»

 

Kein einfacher Name

Die EVP, die sich für die kleinen Leute einsetzt, die Partei, die, anders als die ehemalige CVP, den christlichen Ursprung mit dem «E» für «Evangelisch» noch im Namen trägt – nein, ein Selbstläufer sei das nicht, im Gegenteil, sagt Daniel Sommer: «Unser Name ist eher ein Hindernis und schreckt gewisse Leute ab.» Auf seine Chancen, in den Regierungsrat gewählt zu werden, habe das aber keinen Einfluss: «Es ist in erster Linie eine Personenwahl.» Er habe zudem den Anspruch, eine zeitgemässe Art christlicher Politik zu vermitteln: «Für mich sind die christlichen Werte die Grundlagen meines politischen Wirkens.» Aber er sei deshalb kein frömmlerischer Zeitgenosse, der mit missionarischem Eifer anderen seine Überzeugungen eintrichtern will. Doch Spiritualität gehöre für ihn genauso zum Leben wie für andere das Feierabendbier. «Oder in der zeitgeistigen Work-Life-Balance-Community das Meditieren.»

 

Was das Verhältnis zu den anderen Fraktionen im Kantonsrat betrifft, erwähnt er die lose Zusammenarbeit mit der GLP, die seiner Partei im Allgemeinen nahestehe. In der Finanzpolitik allerdings hätten die beiden Parteien «eher weniger» gemeinsam, gibt er zu. Für den Wahlkampf ist kein Zusammengehen in Sicht. Wird es also herauskommen wie vor vier Jahren, als EVP-Kandidat Hanspeter Hugentobler in der Öffentlichkeit kaum präsent war? Er wolle sich natürlich bekannt machen, sagt Daniel Sommer, das Budget sei aber begrenzt. Und obwohl selbst Unternehmer, habe er die Unterstützung der UnternehmerInnen keineswegs auf sicher: «Für einige Bürgerliche ist die EVP zu links, für einige Linke zu bürgerlich.» Als Beispiel erwähnt er die kantonale Volksinitiative gegen Lohndumping, die im Februar 2016 Schiffbruch erlitt: Er hatte sich als Vizepräsident des Arbeitgeberkomitees «Stopp Lohndumping» für ein Ja eingesetzt. Ihn störe es, wenn jene Firmen, die sich an die Regeln hielten – sprich, ihre ArbeitnehmerInnen anständig bezahlten –, am Schluss die Dummen seien, begründet er sein Engagement.

 

Die Demut des Goalies

Mit zwei Fraktionskollegen hat er im Februar 2021 eine Motion für Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge in Mietobjekten und im Stockwerkeigentum eingereicht: «Wenn möglichst viele wegkommen von fossilen Energien, haben unterm Strich alle etwas davon.» Wobei sich auch hier wieder die Frage stellt, ob jemand, der sich ein E-Auto leisten kann, diese Unterstützung durch die öffentliche Hand wirklich nötig hat. Privat habe er seit sechs Jahren kein Auto mehr, dafür ein E-Bike, fügt Daniel Sommer an, und in der Freizeit sei er gern mit seinem motorlosen Mountainbike unterwegs. Zudem habe er eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach seines Hauses. Und die Vermieterin des Gebäudes, in dem sich seine Schreinerei befindet, habe ebenfalls bereits Panels beschafft. Das ändert allerdings nichts daran, dass die EVP im Kantonsrat bisweilen aus der Klimaallianz ausschert, wenn es um den Autoverkehr oder den Flughafen geht.

 

Auch wenn Daniel Sommer als Mitglied einer Kleinstpartei eher geringe Wahlchancen hat: Er wäre vorbereitet, ein jüngerer Mitarbeiter hätte Interesse, die Schreinerei zu übernehmen. Nicht zuletzt dank seines zweiten Berufs als Sozialpädagoge, in dem er tätig war, bevor er die eigene Schreinerei aufbaute, könne er gut vermitteln, sagt er. Und als langjähriger Goalie der Veteranen des FC Affoltern am Albis habe er viel gelernt: «Ich war mehr als einmal wegen katastrophaler Fehlgriffe verantwortlich für Niederlagen unserer Mannschaft, und trotzdem haben mich die Kollegen nicht vom Hof oder in diesem Fall vom Platz gejagt.» So habe er gelernt, selbst unter widrigen Umständen Verantwortung zu übernehmen. Und der altertümlich klingende Begriff «Demut» sei ihm auch in der Politik wichtig. «Ich sehe mich als Volkspolitiker», hält er fest, «und habe eine Affinität zum Bildungsbereich. Aber zu meinen wichtigsten Trümpfen gehört sicher mein Talent, stabile Brücken zu bauen und damit parteiübergreifend einen Beitrag leisten zu können.»

 

Regierungsratswahlen 2023

Mit dieser Porträtreihe stellen wir bis Anfang Februar die bisherigen und die neuantretenden RegierungsratskandidatInnen vor: diese Woche Daniel Sommer (EVP, neu). Erschienen im P.S. vom 25.11.2022.

 

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