Die GLP will mitregieren

Der frühere Kantonsratspräsident Benno Scherrer möchte der erste sein, der als Grünliberaler in den Regierungsrat gewählt wird: Er habe das Zeug dazu, und der Zeitpunkt sei ideal, sagt er.

 

Im Nachgang zur Affäre um die Beamtenversicherungskasse BVK reichte GLP-Kantonsrat Benno Scherrer vor ziemlich genau zehn Jahren ein Postulat ein. Die Verwaltungsratsmandate, Vertretungen und Führungspositionen, welche die RegierungsrätInnen ausserhalb der Verwaltung wahrnehmen, seien «auf ihren Nutzen zu überprüfen und auf das Notwendige zu reduzieren», forderte er. Als Beispiele für Aufgaben, die der Regierungsrat weiterhin selber wahrnehmen müsse, nannte er unter anderem die Verwaltungsratsmandate in der Axpo. Das Postulat wurde abgelehnt.

 

Heute gibt es eine Mehrheit (gegen den Widerstand der GLP), wieder Mitglieder des Regierungsrats im Axpo-Verwaltungsrat zu installieren – und der Postulant von damals will der erste grünliberale Regierungsrat werden. Falls das klappt: Sorgt er dann als erstes dafür, dass er und seine KollegInnen nicht «mit einer Vielzahl von Aufgaben überfordert» werden, wie er damals in besagtem Postulat schrieb, sondern genügend Zeit haben für «die wichtigen strategischen Aufgaben»?

 

Als Regierungsrat würde er vor allem rasch entscheiden, welche Aufgaben er selber anpacken müsse und welche er getrost seinen ChefbeamtInnen überlassen könne, erklärt Benno Scherrer. Das dürfte ihm als Generalist nicht schwerfallen, meint der Anglist und Historiker, der seit vielen Jahren als Berufsschullehrer tätig ist. Und ja, «der grosse Einreicher» von Vorstössen im Kantonsrat sei er nie gewesen, fügt er an. Dafür verweist er auf sein langjähriges Engagement als Fraktionspräsident und als Mitglied der Geschäftsleitung mit dem Ratspräsidium als Höhepunkt – auch wenn er die repräsentativen Aufgaben, die üblicherweise mit diesem Amt verbunden sind, Corona-bedingt nicht wahrnehmen konnte. Aber er kenne sowohl die Menschen im Kantons- und Regierungsrat wie auch die Mechanismen der beiden Räte bestens: «Ich bin es gewohnt, zwischen den SpezialistInnen in der Fraktion, jenen in der Verwaltung und der Öffentlichkeit zu ‹übersetzen› und zu vermitteln.» Kurz: Benno Scherrer wäre die Idealbesetzung für den Regierungsrat – sagt Benno Scherrer. Umgekehrt ist es aber keineswegs so, dass er mit dieser Einschätzung allein dastünde: Von rechts bis links ist etwa zu hören, er habe seine Sache als Kantonsratspräsident sehr gut gemacht.

 

Fisch oder Vogel?

Als er 2007 in den Kantonsrat gewählt wurde, engagierte sich der Berufsschullehrer jedoch nicht in der Bildungspolitik, sondern in der Kommission für Energie, Verkehr und Umwelt KEVU. Damals habe er mit einem 100-Prozent-Pensum unterrichtet, «mit Begeisterung», doch sein zweites grosses Interesse gelte dem öffentlichen Verkehr: «Bei meiner Berufswahl schwankte ich zwischen Betriebsdisponent SBB und Lehrer.» Die Arbeit in der KEVU sei damit der «ideale Ausgleich» zu seinem Beruf gewesen, wobei er auch auf diesem Gebiet seit fünf Jahren ein politisches Amt ausübt, das des Präsidenten der Sekundarstufe Uster. Und nicht zuletzt seien Energie, Verkehr und Umwelt «die Kernthemen der GLP», fügt er an.

 

Ja, die GLP: Ist sie nun Fisch oder Vogel? Ist sie zu links für anständige Liberale, wie die NZZ kürzlich schrieb, oder im Gegenteil zu bürgerlich, um ausserhalb der Klimaallianz mit Links-Grün zusammenarbeiten zu können? Seine Partei verbinde das Umweltthema mit einer liberalen Wirtschaft, «das gibt es sonst so nicht!», stellt Benno Scherrer klar, mit Fisch oder Vogel habe das nichts zu tun. Die GLP sei zudem gesellschaftspolitisch offen und setze sich für Bildung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein: «Die Grünliberalen haben die wichtigen Themen auf dem Schirm und suchen sich ihre politischen PartnerInnen je nach Thema aus.» Sie passten weder in die Wahl-Allianz von SP, Grünen und AL noch ins bürgerliche Bündnis, «und das ist kein Manko, sondern das, was uns als Partei und unsere Politik ausmacht». Er gehörte nicht zu jenen Grünliberalen, die sich von den Grünen abspalteten, ja mehr noch, er wäre nie den Grünen beigetreten: «Aber als die Grünliberalen entstanden, da wusste ich sofort, dass das meine Partei ist. Heute sind wir für 15 Prozent der WählerInnen im Kanton und zehn Prozent auf nationaler Ebene erste Wahl.» Ob das bei den Wahlen als Hausmacht reicht, wird sich weisen.

 

Und was sagt er zum Vorwurf von Links, die Grünliberalen hielten sich in der Sozialpolitik nobel zurück, sobald ein Vorhaben Geld kostet? «Natürlich brauchen wir ein soziales Netz, das einen auffängt, das ist unbestritten. Wer in dieses Netz fällt, sollte jedoch den Schwung nutzen, um möglichst rasch wieder auf den eigenen Beinen zu landen.»

 

Alleinerziehend und doch privilegiert

Seit vor acht Jahren seine Frau starb, ist Benno Scherrer alleinerziehender Vater, der Sohn ist nun 17 Jahre alt, Probleme mit der Vereinbarkeit von Regierungsamt und Familie hätte er somit nicht: «Der Zeitpunkt für meine Kandidatur ist ideal.» Als Familie seien sie insofern privilegiert gewesen, als dass seine Frau und er je 70 Prozent arbeiten und sich die Familien- und Erziehungsarbeit teilen konnten. Flexible Arbeitgeber und die Tatsache, dass er nach wie vor in Uster lebt und arbeitet und mit der S-Bahn in 15 Minuten in Zürich ist, trügen das Ihre dazu bei: «Vereinbarkeit ist auch eine Frage der richtigen Rahmenbedingungen», gibt er zu.

 

Benno Scherrer hat kein Auto, aber ein Mobility-Abo, meistens ist er mit dem öV unterwegs. Er kocht gern, mit Fleisch – «aber wenn ich entsprechenden Besuch habe, stelle ich auch einen veganen Mehrgänger auf den Tisch». Sein Rennvelo sei letztes Jahr «leider etwas zu oft herumgestanden», aber er sei nach wie vor gern damit unterwegs. Am liebsten aber bricht er zu Bergwanderungen auf, gern abseits der grossen Menschenmassen, und auch Klettersteige in den Dolomiten sind ganz nach seinem Geschmack. Seine aktuelle Tour soll ihn am 12. Februar 2023 in den Regierungsrat führen: Ob es gelingt?

 

Regierungsratswahlen 2023

Mit dieser Porträtreihe stellen wir bis Anfang Februar die bisherigen und die neuantretenden RegierungsratskandidatInnen vor: diese Woche Benno Scherrer (GLP, neu). Erschienen im P.S. vom 18.11.2022.

 

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