Alterswohnungen und Abstellplätze

Der Zürcher Gemeinderat sprach sich einstimmig für eine Volksinitiative aus, die 2000 zusätzliche Alterswohnungen forderte. Gestritten wurde über Velo- und Cargoveloabstellplätze auf öffentlichem Grund.

In seiner Sitzung vom Mittwochabend befasste sich der Zürcher Gemeinderat zum Einstieg mit einem «alle-Jahre-wieder»-Geschäft, der ‹en Bloc›-Abschreibung einer ganzen Reihe von mehr oder weniger alten Postulaten. Die Präsidentin der Geschäftsprüfungskommission (GPK), Martina Zürcher (FDP) führte aus, dieses Mal habe der Stadtrat die Abschreibung von 150 Postulaten beantragt, von denen das älteste wenige Tage nach ihrer Geburt eingereicht worden und somit «gut abgehangen» sei… Dafür, dass jeweils trotzdem nicht allen Abschreibungsanträgen entsprochen wird, brachte sie ein paar Beispiele. So habe etwa Stadträtin Simone Brander (SP) ein von ihr eingereichtes Postulat abschreiben lassen wollen – doch ihre Fraktion sei dagegen. Matthias Probst (Grüne) erinnerte seine Ratskolleg:innen daran, dass ein Postulat ein Prüfungsauftrag sei, kein Umsetzungsantrag. Wenn also die in einem Postulat gestellte Forderung (noch) nicht umgesetzt sei, dann sei das kein Grund, das Postulat weiterhin aufzubewahren. In den Schlussabstimmungen folgte der Rat nichtsdestotrotz einstimmig den Abschreibungs- bzw. Nichtabschreibungsanträgen seiner Kommission.

Mehr Alterswohnungen

Am 4. Januar 2022 wurde die Volksinitiative «Mehr Alterswohnungen für Zürich (Plus 2000)» eingereicht (siehe P.S. vom 7. Januar 2022). Sie verlangt die Ergänzung der Gemeindeordnung um eine neue Bestimmung: Um ein «an der Nachfrage orientiertes» Angebot an Wohnmöglichkeiten für ältere Menschen zu schaffen, soll der Bestand der Alterswohnungen mit Kostenmiete der Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich (SAW) und anderer gemeinnütziger Wohnbauträger bis 2035 im Vergleich zum Stand vom 31. Dezember 2019 um 2000 Wohnungen erhöht werden. Der Stadtrat hält in seiner Vorlage zuhanden des Gemeinderats fest, dass die Initiative gültig ist und dass er deren Ziele im Grundsatz unterstützt. Kommissionssprecher Moritz Bögli (AL) erklärte, dass die Stadt im Rahmen der Umsetzung der Altersstrategie den Wohnungsbestand der SAW bis 2035 um 1000 Wohnungen erhöhen wolle. Die Initiative verlange die doppelte Menge in derselben Zeit, und die Kommission beantrage einstimmig Zustimmung zur Vorlage. Stadtrat Andreas Hauri sprach von einem «wichtigen Anliegen» und erklärte, mit den gemäss Altersstrategie geplanten Wohnungen sei man «auf Kurs», wenn auch nicht hundertprozentig – aber 500 Wohnungen seien unterwegs. Wenn nun das Doppelte verlangt werde, werde das die SAW nicht allein leisten können, es müssten auch weitere gemeinnützige Bauträger wie etwa Genossenschaften ihren Beitrag leisten. Mit 111:0 Stimmen stimmte der Rat der Volksinitiative zu.

10 000 Veloabstellplätze mehr

Dann aber wars vorbei mit der Einstimmigkeit, was angesichts des Reizthemas Velo nicht weiter erstaunt: Mit einer Motion forderten die SP-, Grüne- und AL-Fraktionen die «Schaffung von 10 000 öffentlich zugänglichen Veloabstellplätzen und 500 Cargoveloabstellplätzen nach Möglichkeit auf bisherigen Strassen-Autoabstellplätzen». Anna Graff (SP) erklärte, der Mangel an Abstellplätzen, insbesondere auch an solchen für Cargovelos, könne unter anderem dazu führen, dass Velos auf Trottoirs abgestellt werden müssten, worunter insbesondere mobilitäteingeschränkte Personen zu leiden hätten. Die neuen Abstellplätze sollten jedoch nicht dem Langsamverkehr den Platz streitig machen – deshalb die Forderung, sie auf bisherigen Autoparkplätzen zu platzieren und diese Flächen zwecks Hitzeminderung zu entsiegeln. Zurzeit habe es in Zürich auf öffentlichem Grund noch zehnmal mehr Parkplätze für Autos als Abstellmöglichkeiten für Velos, fügte sie an.

Stadträtin Simone Brander zählte auf, was die Stadt schon alles unternehme in Sachen mehr Veloabstellplätze: Man sei dran, versicherte sie, doch diese Motion sei nicht das richtige Instrument, weshalb der Stadtrat sie ablehne. Als Postulat nehme er den Vorstoss gern entgegen. Michael Schmid (AL) befand, dass in Zürich nicht noch viel mehr Menschen das Velo nähmen, liege weniger am Fehlen von Abstellplätzen als an der mangelnden Sicherheit und der mangelhaften Infrastruktur. Dennoch unterstütze seine Fraktion die Motion, denn das bisherige Tempo von 200 neuen Abstellplätzen pro Jahr entspreche flächenmässig bloss 20 Autoparkplätzen, und das sei zu wenig. Die GLP unterstütze den Vorstoss als Postulat, sagte Patrick Hässig. Die Motion sei nicht innert nützlicher Frist umsetzbar, und Michael Schmid habe ja bereits richtig bemerkt, dass nicht die Abstellplätze das Problem seien, sondern die Sicherheit. 

«Überall stehen die blöden
Velos rum…»

Johann Widmer (SVP) befand, den Motionär:innen gehe es bloss darum, das Auto aus der Stadt zu verbannen, dabei müsste man eigentlich die Velos rauswerfen, denn die seien viel zu gefährlich, und überhaupt, «überall stehen die blöden Velos rum»… Wenn schon, müsste man künftig  pro Cargovelo 200 und pro gewöhnliches Velo 150 Franken pro Jahr zahlen müssen, denn schliesslich entfielen die Autoparkplatzgebühren. Martina Zürcher (FDP) erinnerte an den Paragraphen 242 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes, der besage, dass die Zahl der Abstellplätze «für Verkehrsmittel, insbesondere für Motorfahrzeuge» so festgelegt werden sollte, dass die Fahrzeuge der Benützer einer Baute oder Anlage ausserhalb des öffentlicihen Grunds aufgestellt werden können: «Auch Velos sind Verkehrsmittel.» Die FDP lehne den Vorstoss wegen der darin verpackten «Doppelmoral» ab. Klammer auf: Damit wissen wir immerhin, was passiert, falls die Motion doch umgesetzt werden kann: Die FDP verkündet, der Stadtrat halte sich mal wieder nicht an übergeordnetes Recht, und rennt subito zum Statthalter… Klammer zu. Mit 59 gegen 49 Stimmen (von SVP, FDP, Mitte-/EVP und GLP) wurde der Vorstoss als Motion überwiesen.

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.