Zum Tod von Hanspeter Guggenbühl

Am Mittwoch vor einer Woche starb im Alter von 72 Jahren unsere Umweltinstanz Hanspeter Guggenbühl, nachdem ihn ein Motorradfahrer auf seinen Veloferien bei Aigle frontal umgefahren hatte.

 

Ganz sicher bin ich mir nicht, aber ich vermute, dass Hanspeter der Kollege war, mit dem ich in meinen nun bald 40 Jahren als Journalist am längsten zusammenarbeitete. Ganz sicher aber bin ich, dass er allen P.S.-LeserInnen (und vorher jenen beim ‹Volksrecht› und der DAZ) ein Begriff war. Er war unser Autor für Umweltthemen und hier spezifisch für Verkehrs- und Energiefragen. Er verfasste für uns und viele andere Zeitungen Glossen und Kommentare (auch über Verteilungsfragen), aber vor allem recherchierte er Fakten. Wo andere glaubten oder meinten, rechnete er und zeichnete Grafiken. Er wies, leider immer wieder, nach, dass etwa die eben beschlossene Massnahme für sauberere Autos ja gut und recht sei, die Bilanz der Gesamtbelastung sich indes wegen der ständigen Zunahme der Anzahl Fahrzeuge erhöht hatte. Er wies mit seiner Ironie und mitunter auch seinem Sarkasmus gerne darauf hin, dass er im Prinzip seit 30 Jahren immer die gleichen Artikel schreibe, einfach mit jeweils aktualisierten Zahlen. Was nützt es – dies war eines seiner Lieblingsthemen – wenn die Automotoren etwas weniger CO2 ausstossen, wenn dafür das Drumherum immer grösser und schwerer wird: Obwohl nach wie vor meistens nur eine Person und meist nur mit einer leichten Mappe darin sitzt?

Er äusserte sich immer sehr kritisch zu Elektroautos, vor allem, weil er bei ihnen wie bei allen anderen Berechnungen die graue Energie mitberechnete. Seine Rechnungen ergaben immer wieder ähnliche Ergebnisse: Bei allen technisch möglichen Fortschritten bessert sich die Umweltsituation ohne Beschränkung des Wachstums nicht. Er fasste seine Erkenntnisse in Zusammenarbeit mit Urs P. Gasche auch in vier Büchern zusammen: «Das Märchen von der sauberen Schweiz», «Das Geschwätz vom Wachstum», «Schluss mit dem Wachstumswahn» und «Die Energiewende und wie sie gelingen könnte». Das letzte Buch schrieb er alleine. Was das Wachstum betrifft: Es war ihm durchaus bewusst, dass Baubetriebe bauen müssen. Also kam er auf die bildliche und schriftliche Idee, einen Gotthardstrassentunnel zu bauen, der in Achterbahnkehren wieder am Ausgangsort herauskommt. Das Bild hat sich bei mit tief eingeprägt.

Punkto Gotthardtunnel: Er nahm den Basistunnel der SBB mehrmals unter die Lupe: Mit dem Ergebnis, dass die Bahn ihre Versprechen nicht halten konnte. Er fand die Bahn das sinnvollste Verkehrsmittel (ausser Velo), aber er rechnete auch bei ihr und stellte vor allem die grossen vorgesehenen Bauten infrage. Ein grosses Thema von ihm war immer der Strom, wo er sich mit den Verantwortlichen manche Rechenschlacht lieferte. Dabei gewann er vom gleichen ‹rechten› Politiker wie ich Respekt: vom Appenzeller Carlo Schmid. Während dieser mir als Leiter der Landsgemeinde imponierte, überzeugte er Hanspeter Guggenbühl mit seinen Sachkenntnissen und seiner Logik beim Stromgeschäft. Nicht dass sie immer zu den gleichen Schlüssen kamen, aber ihm imponierte, dass Carlo Schmid den Fakten ins Auge schaute.

 

Zeitungsgeschichte

Hanspeter Guggenbühl war kein typischer Linker, vor allem kein 68er, obwohl es zeitlich noch knapp gepasst hätte. Aus reichem Hause stammend, fand er das Erben schon früh falsch. Als junger Journalist recherchierte er gerne und verspürte nie den Drang, Mitglied einer Redaktion zu werden. Er verbrachte in seiner ganzen langen Karriere nur ein gutes halbes Jahr bei der ‹Berner Zeitung› auf der Redaktion. Zusammen mit anderen gründete er das Pressebüro «Index», wovon man in den 1980er-Jahren ganz gut leben konnte. Vorausgesetzt, man bot Geschichten und Themen an, die Fachwissen und mitunter auch Aufwand erforderten. Er konzentrierte sich auf Umwelt und konnte in der damals noch vielfältigeren Medienlandschaft seine Artikel zu angemessenen Honoraren unterbringen. Er arbeitete vor allem mit der ‹Berner Zeitung›, dem ‹St. Galler Tagblatt› und der ‹Südostschweiz› zusammen, wobei er immer einzelne Artikel verkaufte und ohne Fixum arbeitete. Was nicht bedeutete, dass er nicht auch Routinearbeit übernahm, also etwa die Berichterstattung aus den Räten zu seinen Themen. Zu unserem Glück war sein Verhältnis zum ‹Tages-Anzeiger› angespannt: Weniger aus inhaltlichen, denn aus pressetechnischen Gründen. Er verweigerte dem Verlag das Recht, seine Artikel zum gleichen Preis auch in anderen eigenen Medien zu platzieren. So war Zürich frei und wir konnten zuerst im ‹Volksrecht› (wo er einen Teil der Kantonsratsberichterstattung übernahm), dann in der DAZ und im P.S. seine Artikel publizieren, die er uns zuerst zu einem symbolischen Preis und später ganz gratis überliess.

Arbeitet man so lange zusammen, kennt man sich mit der Zeit auch persönlich. Wir waren mehr und mitunter auch weniger stark befreundet, wobei dem Mehr oder Weniger vor allem örtliche Gegebenheiten zugrunde lagen. Er wohnte mit seiner Lebenspartnerin Beatrix Mühlethaler, die bei uns über biologische Aspekte der Umwelt schrieb, lange im Kreis 4 und gehörte zeitweise zum Kreis, der sich am Freitagabend im ‹Grottino› traf. Als er nach Illnau zügelte, wo er sich an einer energetischen Topsiedlung mit einem grossen Garten für Beatrix beteiligte, wurden die Kontakte seltener. Aber immer noch häufig genug, um ganze Abende zu diskutieren: Über die Entwicklung der Medien, die freie JournalistInnen immer weniger benötigten, aber auch über Privates, und da standen zwei seiner Hobbys (eher zentralen Lebensinhalten) im Zentrum: Das Skifahren (wenig) und das Velofahren, das er sehr intensiv und immer auch auf mehrtägigen Ausflügen betrieb. Nicht nur da staunte ich über sein Gedächtnis: Er wusste haargenau nicht nur, was er wann in welchem Artikel geschrieben hatte, sondern auch wieviel Minuten und Sekunden er für eine Bergstrecke vor 10 oder 20 Jahren benötigt hatte; er war furchtbar stolz, dass er immer noch gleich schnell war. Er betrieb das Velofahren nie als Wettkampfsport, aber wie viele andere Gümmeler wusste er noch genau, wann er welchem davongefahren war oder wer ihn stehen gelassen hatte.

Er hinterlässt beim P.S. (aber auch beim ‹Infosperber›) eine schwer zu füllende Lücke und menschlich tut sein Tod mir und etlichen anderen ganz einfach weh.

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.