Wildtiere erobern die Städte

Fuchs, Dachs, Marder und Co. fühlen sich im Siedlungsgebiet immer wohler. Das freut vor allem Naturfreunde. Gelegentlich kommen sie dem Menschen allerdings sehr nah. 

Seit einigen Jahren erobern Fuchs, Dachs, Marder und Co. zunehmend unsere Ballungsgebiete. Nach anfänglicher Freude legt sich bei vielen die Begeisterung über die wilden Nachbarn spätestens dann, wenn sich der Steinmarder im Dachstock einnistet, der Fuchs das Gemüsebeet vor dem Haus plündert oder auf den Sitzpolstern der Gartenmöbel ein Schläfchen macht. In Affoltern am Albis streifen seit geraumer Zeit vor allem Füchse durch die Wohnquartiere, bestätigt Paul Erni, Obmann der Jagdgesellschaft Affoltern am Albis, auf Anfrage. «Wir erhalten etwa zwei bis vier Wildtiermeldungen pro Monat.» Im Sommer können es durchaus mehr sein. «Fuchs, Marder, Dachs und Co. sind häufig dann unterwegs, wenn wir noch schlafen.» Daher bekomme man die scheuen und schlauen Wildtiere oft gar nicht zu Gesicht.  Katja Rauchenstein von StadtWildTiere Zürich, einer Meldeplattform für Wildtiere, spricht von über 1200 Meldungen seit Anfang des Jahres. «Häufig werden Wildtiere wie Igel oder Eichhörnchen gemeldet, welche man gut beobachten kann. Auch scheue Arten wie Iltis, Biber, Fuchs oder Dachs werden regelmässig gesichtet, wie auch kleinere wie Wildbienen, Schmetterlinge oder Eidechsen.» 

«Als typische Kulturfolger finden Wildtiere in der Nähe menschlicher Siedlungen günstige Lebensbedingungen vor», sagt Paul Erni. «Jagten Füchse früher vor allem nach Mäusen, finden sie ihr Futter heute im Siedlungsraum ohne grosse Anstrengung.» Sie plündern den Kompost, machen sich über Fallobst her und verzehren Speisereste, die achtlos weggeworfen werden. «Die Muttertiere kennen die guten Futterplätze und führen den Nachwuchs dorthin», ergänzt Erni. «Wildtiere haben in der Schweiz immer weniger Lebensraum», findet Katja Rauchen­stein. «Da in ländlichen Gebieten durch die intensive Land- und Forstwirtschaft Lebensräume verschwinden, also unattraktiv werden, müssen sie Alternativen suchen. Und diese finden sie zum Teil in Siedlungen und Städten.» So seien etwa Füchse schon seit längerem in Städten heimisch und unterscheiden sich sogar genetisch von ihren Artgenossen auf dem Land. «Stadtfüchse werden in der Stadt geboren und sehen den Wald oft nie von Nahem. Igel kommen heutzutage sogar häufiger im Siedlungsraum vor als in ländlichen Gebieten, wo sie vielerorts aufgrund der intensiven Landwirtschaft verdrängt werden.» Rauchenstein findet es wichtig, dass die Stadt als Lebensraum wahrgenommen wird. «Grünflächen und Parkanlagen gehören geschützt und dürfen nicht der Verdichtung zum Opfer fallen.»

Vorsicht im Umgang mit Wildtieren

Obwohl Begegnungen mit Wildtieren im urbanen Raum eher selten sind – die meisten sind nachtaktiv – gibt es Verhaltensregeln, die man beim Zusammentreffen mit Fuchs, Marder, Dachs und Co. beherzigen sollte. «Ruhe bewahren», rät Paul Erni. «Fuchs und Co. sind nicht gefährlich.» Rauchenstein ergänzt: «Wildtiere sollte man weder bedrängen noch anfassen, noch sollte man sie anlocken oder gar füttern.» Gleichwohl das Füttern von Wildtieren, mit Ausnahme von Singvögeln, seit dem 1. Januar 2023 verboten ist, kommt es deswegen immer wieder zu Zwischenfällen. «Zahme Füchse, die wegen Fütterung die Distanz zum Menschen nicht mehr wahren, können Probleme bereiten und müssen eliminiert werden», warnt Erni und ergänzt: «Das gilt auch für alle anderen Wildtiere, die ein problematisches Verhalten aufweisen.» Auch rät er bei Sichtung auf deren Erscheinungsbild zu achten. «Sind Fuchs, Marder oder Dachs an einer Infektionskrankheit wie der Staupe erkrankt, fallen sie durch unsicheren Gang und apathisches Verhalten auf. An Räude erkrankte Tiere leiden unter starkem Juckreiz und Haarausfall. Wildtiere mit diesen Symptomen müssen dem Wildhüter gemeldet werden.» Auf keinen Fall sollte man kranke oder verletzte Wildtiere berühren oder gar füttern. «Besteht Tollwutgefahr, werden die Verantwortlichen im Bezirk umgehend vom Kanton informiert», sagt Paul Erni, der das Jagdrevier gemeinsam mit vier Kollegen betreut und regelmässig kontrolliert.

Garten umgestalten

«Wer kein Futter achtlos herumliegen und den Kübelsack mit Essensresten nicht über Nacht am Strassenrand stehen lässt, dürfte vor gefrässigen Zeitgenossen sicher sein», sagt Erni. Katja Rauchen­stein empfiehlt, den Lebensraum für Wildtiere so gut wie möglich zu gestalten. «Damit sich Igel im Garten wohlfühlen, kann man eine wilde Ecke mit einem Asthaufen und etwas Laub einrichten. Wildstauden und Wildblumen locken Schmetterlinge und Wildbienen an. Mit einem Steinhaufen an einem sonnigen Ort kann man mit etwas Glück Mauereidechsen beobachten», ergänzt sie. «Und je mehr Bäume und früchtetragende Stauden im Garten stehen, desto mehr Vögel kommen zu Besuch.»

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