Von Tragödie und Farce

Der Gemeinderat beriet sich am Mittwoch zu Sportplätzen, der Elektrizitätsinfrastruktur, der Haltestelle Sihlquai/Hauptbahnhof und der Kapazität der Thurgauerstrasse.

Es gab zum Start der Gemeinderatssitzung eine Fraktionserklärung von den Grünen. Julia Hof­stetter machte auf die vermehrt ungemütliche Situation von Rentner:innen aufmerksam: Trotz des Ausbaus der beruflichen Vorsorge sei der Anteil der Rentner:innen, die auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind, gestiegen. Die Hälfte der Ergänzungsleistungen sei aber oft direkt wieder weg, weil in den Alterszentren deutliche Mehrkosten verzeichnet werden. Dass die Kosten dank einer neuen, einheitlichen Taxregelung der Gesundheitszentren für das Alter – am Mittwoch letzter Woche vom Stadtrat beschlossen (P.S. berichtete) – steigen, sei nicht tragbar. Von der finanziellen Verschlechterung seien vor allem Frauen betroffen. 

Rasensportplätze und Zuwanderung

Nach der Abhandlung von Vorstössen ohne Diskussion kamen die Parlamentarier:innen schliesslich zum Bericht der Ombudsstelle wieder zu Wort, für den sich alle herzlich bedankten – eine der interessantesten Lektüren, die man als Parlamentarier:in zu lesen bekommt, befand die AL. Und zur «Raumbedarfsstrategie Sport» wurde dann auch erstmals rege diskutiert. Die Rasensportplätze der Stadt kommen dem Nutzungsbedarf nicht nach – die Stadt hat aber auch keinen Platz respektive keine Flächen, um neue Plätze zu bauen, so die grobe Zusammenfassung des Berichts, der dem Rat als Antwort auf eine Motion vorgelegt wurde. Liv Mahrer (SP) erklärte, was die Motion fordert, sei unrealistisch. Projekte seien ohnehin geplant und neue Sportanlagen nicht innert fünf Jahren realisierbar. Gegen die Kommissionsmehrheit beantragte Stefan Urech (SVP) einen Änderungsantrag: Denn Schuld, dass es kein Platz habe, sei – oh Wunder – die Zuwanderung. Der Bericht nenne diesbezüglich nur die Symptome, aber den Grund benenne nur die SVP. Die Abstimmung ging jedoch klar aus: Der Bericht wurde mit 102:13 Stimmen zur Kenntnis genommen, die Motion mit 113:10 abgeschrieben. 

Dann ging es um die Elektrizitätsinfrastruktur und ihren Ausbau, einen zusätzlichen Bericht in drei Jahren und um Echtzeitdaten. Wirkliche Diskussion gab es nur wegen den Echtzeitdaten, wo, Beat Oberholzer (GLP) nannte sie «unheimliche Allianz», SVP und AL sich erstmals an diesem Abend auf derselben Seite sahen: Johann Widmer (SVP) erklärte, als in Informatik Bewanderter machten ihm die Echtzeitdaten Bauchweh. Der Datenschützer werde mitreden müssen und auch sicherheitstechnisch sei das nicht unproblematisch. Stadtrat Michael Baumer versuchte zu beruhigen: Die Echtzeitdatengeräte würden wohl nicht flächendeckend eingebaut, das wäre sicherlich teuer, und im durchschnittlichen Haushalt würde vielleicht ohnehin nicht ständig der Echtzeitverbrauch überprüft. Der vorliegende Bericht zum Ausbau wurde zur Kenntnis genommen, ein Postulat für einen neuen Bericht im Jahr 2026 wurde überwiesen und ebenso ein Postulat zur Bereitstellung der Echtzeitdaten.

Erdbebensicherheit am HB

Die nächste Diskussion war zur Tramhalte­stelle am Sihlquai, wo man sich stritt, wo sie denn hinsoll. Provisorisch ist sie an der Limmatstrasse, ursprünglich am Sihlquai, von SP, Grünen und AL aber auf der Zollbrücke gewünscht. Auch die Testplanung zum Masterplan HB/Central befand eine Verschiebung auf die Zollbrücke als sinnvoll. Das dürfte also mittel- bis langfristig auch so passieren, nur muss die Zollbrücke bis 2025 saniert werden. Sie könnte undicht werden, Salz im Winter das Material korrodieren und ausserdem sei sie nicht mehr erdbebensicher. Eine Sanierung wäre somit also vor der Verschiebung der Tramhaltestelle nötig. Derweil hapert es bei Provisorium und altem Standort mit Barrierefreiheit. Auch hier fand sich die unheilige Allianz wieder auf derselben Seite. Bei der SVP belustigte man sich zunächst über die vielen Erdbeben, die den HB erschüttern, ihr Hauptproblem lag aber darin, dass der Autoverkehr wieder nicht mitgedacht werde, wie schon beim Masterplan, und im Zeitplan, der eine Sanierung mit gleichzeitiger Verschiebung der Tramhaltestelle ohne weiter Abklärungen nach optimalem Standort nicht erlaube. Der Zeitplan war durchaus ein Problem, weshalb eine Nachfolgemotion zum Thema eingereicht wurde für einen Projektierungskredit, der Verbindlichkeit schaffen sollte. Der Stadtrat wollte diesen nicht als Motion, sondern als Postulat annehmen. Stadträtin Simone Brander erklärte im Anschluss, warum die Motion unrealistisch sei angesichts einer zu sanierenden Brücke, Verhandlungen mit den SBB und einer Verlegung, die vollzogen werden müsste, bevor die Sanierung überhaupt durchgeführt werden kann. Michael Schmid (AL) erinnerte an das berühmte Zitat von Tragödie und Farce, das offenbar nicht nur für weltgeschichtliche Tatsachen, sondern auch für zürcherische Tramhaltestellenprojekte gelte. Die Tragödie: Die Brückeninstandsetzung sei sehr aufwendig und inkompatibel mit der Verschiebung der Haltestelle. Die Farce: SP, GLP und Grüne reichen eine Nachfolgemotion ein, obwohl Sanierungsprojekte nicht sistiert werden können. Vielleicht sei es besser, abzuwarten. Zurück an den alten Standort soll das Provisorium aber auch nicht: Eigentlich müsste die Haltestelle Sihlquai/HB 2024 wieder ans Sihlquai, aber diese sei nicht barrierefrei, zudem eng und unattraktiv. Ein Postulat soll den Stadtrat die Verlängerung prüfen lassen. Islam Alijaj (SP) teilte noch etwas aus: Es sei nicht die Schuld von Menschen mit Behinderung, dass Behörden und Verwaltung es nach 20 Jahren noch immer nicht geschafft hätten, alle Haltestellen barrierefrei zu gestalten. Am wichtigsten sei, überall bei der zweiten Türe aussteigen zu können. Lieber nehme man dafür einen weiteren Weg in Kauf als die alte Haltestelle. Die alte Motion wurde abgeschrieben, die Nachfolgemotion mit 62:43 überwiesen und ebenso mit 68:37 das Postulat, dass der Stadtrat die Verlängerung des Provisoriums prüfen soll. 

Zuletzt ging es noch um die Thurgauerstrasse, wo man auf beiden Seiten nicht viel Freude hatte – links, weil der Kanton dem Spurabbau und Tempo 30 teilweise widersprach, rechts, weil Tempo 30 und Spurabbau dem Autoverkehr in die Quere komme. Die Sorgen gingen von Stau bis Opfikon bei Veranstaltungen im Hallenstadion bei der SVP, über höhere Mieten wegen Tempo 30 bei der EVP bis hin zur motorisierten Individuallawine im zweispurigen Teil (wegen übergeordnetem, kantonalen Gesetz, weil Hauptverkehrsachse) bei der GLP und der Ratslinken. Einig war man sich allerdings, dass die Situation unbefriedigend ist bezüglich des Schulwegs, der über die Strasse führt. Die dringliche Motion wurde abgeschrieben, der Bericht mit 66:36 zur Kenntnis genommen. 

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