Parteien alles andere als einig

Das von Regierungsrat Ernst Stocker am letzten Freitag präsentierte Budget erntet nur bei der Mitte halbwegs Beifall. Was allerdings noch lange nicht bedeutet, dass es nicht in etwa so – mit einem Defizit von 390 Millionen Franken plus Einsparungen – verabschiedet werden wird. Für eine Steuerreduktion gibt es wenig Argumente, aber eine klare Mehrheit.

Die Pointe im voraus: Der Zürcher Regierungsrat führte bis zum Amtsantritt von Ernst Stocker jeweils einen verbissenen Streit gegen pauschale Kürzungen. Wenn man sparen wolle, so argumentierte vor allem die ehemalige freisinnige Finanzdirektorin Ursula Gut verbissen, solle man gefälligst sagen, wo. Und nicht einfach in einem Sammelkonto verlangen, das Budget um eine generelle Summe zu verbessern und die Detailarbeit des Sparens oder der Mehreinnahmen dem Regierungsrat zu überlassen. Ernst Stocker wehrte sich zu Beginn seiner Amtszeit auch noch gegen diesen Pauschalverbesserungsvorschlag, allerdings mit deutlich weniger Energie. Er nahm es mehr oder weniger resigniert hin, froh, dass nichts Schlimmeres von ihm verlangt wurde. Da der Kanton seit acht Jahren in der Rechnung stets ein Plus schrieb, blieben die Auseinandersetzungen über die Pauschalkürzungen bei der Behandlung der Rechnung im eher theoretischen Bereich. Die Pointe beim Budget 2024: Ernst Stocker schlägt selber eine Pauschalkürzung vor. Er präsentiert ein Budget mit einem Defizit von 390 Millionen Franken und verspricht sozusagen, 150 Millionen davon noch einzusparen, auch wenn er noch nicht sagen kann, wo dies genau erfolgen soll. Man kann sich leicht vorstellen, dass die Finanzkommission und/oder die Mehrheit des Kantonsrats diesen Betrag noch erhöhen werden, sodass ein zumindest beinahe ausgeglichenes Budget im Dezember verabschiedet werden kann.

Optimistischere Budgetierung?

Die jeweils grosse Differenz zwischen Budget und Rechnung beruht auf zwei Mechanismen. Für die linke Ratsseite liegt es auf der Hand, dass dies aus Berechnung geschieht: Ein budgetiertes Defizit ist ein gutes Ruhekissen, um Einsparungen durchzuboxen. Die Finanzverantwortlichen erklären dies mit einer seriösen oder normalen Budgetierung. Bei den Ausgaben nimmt man alle, die anfallen, auch wenn man weiss, dass einiges wohl nicht anfallen wird, wenn auch nicht wo. Bei den Einnahmen budgetiert man, was sicher ist. Welche dieser beiden Versionen zutrifft, muss jeder und jede für sich entscheiden. Es ist wohl von beidem etwas. Was man unter anderem daran sieht, dass die deutlich besseren Rechnungsabschlüsse auch unter linken Finanzdirektor:innen in den  Städten und Gemeinden eher die Regel als die Ausnahme waren.

Für 2024 hat Ernst Stocker gute Gründe für sein vorausgesagtes Defizit. Von der Nationalbank sind kaum grosse Beiträge zu erwarten. Er rechnet mit einer einfachen Auszahlung (119 Millionen Franken), was 600 Millionen Franken weniger als 2022 sind. Von der Kantonalbank, die derzeit Rekordumsätze und -gewinne schreibt, ist ein höherer Beitrag als bisher zu erwarten, aber zur Kompensation des Nationalbankminus reicht es nicht. Zudem treten die Verschiebungen der Lasten bei den Ergänzungsleistungen und beim Strassenfonds erstmals in Kraft. Der Kanton verlor den Rechtsstreit mit den Gemeinden zu den Heim­unterbringungen. Ernst Stocker rechnet damit, dass dies den Kanton weitere 100 Millionen Franken kosten wird. Die Annahme, dass die Ausgaben für Asyl und auch für die Krankenkassenprämien zunehmen werden, liegen auf der Hand, auch wenn der Bund eine halbe Milliarde Franken zusätzlich dafür ausgibt. Bei den Steuern geht die Regierung von Mehreinnahmen von 500 Millionen Franken aus.

Betreffend Verbilligung der Krankenkassenprämien bahnt sich, wie eine Fraktionserklärung der AL, der SP, der Grünen und der EVP diesen Montag erläuterte, ein Konflikt an. Bisher galt das sozialpolitische Ziel, dass rund 30 Prozent der Zürcher Bevölkerung eine Verbilligung der Krankenkassenprämien erhalten. Dieses Ziel will der Regierungsrat für die kommenden Jahre auf 26 bis 24 Prozent senken. Praktisch bedeutet dies, dass noch mehr Personen und Haushalte nichts mehr erhalten. Obwohl sie es wegen der Erhöhung der Krankenkassenprämien und dem nur bedingt erfolgten Teuerungsausgleich auf den Löhnen dringender als je benötigen würden.

Gleiches gilt für den Teuerungsausgleich und für Reallohnerhöhungen. Der Regierungsrat sieht für die Teuerung 2 Prozent vor, was nicht sicher reicht. Dazu kommen minimale Lohnerhöhungen. Es liegt auf der Hand, dass die Personalverbände damit nicht zufrieden sind. Der Kanton schreibt seit Jahren schwarze Zahlen und somit liegt es auf der Hand, dass das Personal in Zeiten der Teuerung und der steigenden Mieten nicht die Zeche bezahlen will. Auch wenn beim Kanton viele Angestellte mit einem guten Lohn arbeiten, ist es nicht gerade eine Wertschätzung, wenn man an Kaufkraft verliert. Beim Kanton arbeiten aber auch Personen, die auf jeden Franken angewiesen sind.

1337 Stellen mehr

Zum grossen Streitpunkt könnte die Vermehrung um 1337 Stellen werden. Obwohl diese mit einigen Ausnahmen unvermeidlich ist. 3000 zusätzliche Schüler:innen verlangen mehr Lehrer:innen und Hortner:innen, mehr Studierende mehr Dozierende, die Pflegenot in der Spitälern ist mehr als aktenkundig, und dass am Flughafen 120 Polizist:innen zur Kontrolle fehlen, ist auch kein Geheimnis. Ein Teil dieser Kosten trägt der Kanton nicht selber;, in der Bildung, bei den Spitälern oder beim Flughafen etwa. Dazu kommen noch beinahe Bösartigkeiten: So empört sich die GLP über 27 neue Stellen im Generalsekretariat der Volkswirtschaftsdirektion. Dabei wurde einfach eine Gruppe vom Amt für Wirtschaft ins Generalsekretariat verschoben.

Ein Hauptstreit wird der Steuerfuss sein. Dazu sage ich wenig. Der Regierungsrat und der Kantonsrat haben eine bürgerliche Mehrheit, und diese kennt kein grösseres Hobby als Steuersenkungen. Die Regierung gibt mit einem Prozent ein bisschen nach, FDP und SVP wollen mindestens zwei. Die Linke inklusive EVP keine. Dazu soll eine Senkung der Gewinnsteuer kommen, aber erst 2025 und erst nach einer Volksabstimmung. Für die Linke ein Tipp: Viel wichtiger als die Verhinderung einer Steuerfusssenkung ist etwa eine Erhöhung der Verbilligung der Krankenkassenprämien oder mehr Geld für die Realisierung der Pflegeinitiative. Und es ist nicht zwingend ein Entweder-Oder. Und als Letztes: Die Investitionen bleiben mit 1,3 Milliarden Franken hoch, was fast alle goutieren.

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