Von Grünraum bis Geflüchtete

Mehr Grün zur Hitzeminderung, ein Asphaltbrocken als Geschenk für eine Stadträtin und giftige Töne zu einigen Postulaten prägten die Sitzung des Zürcher Parlaments.

Der Zürcher Gemeinderat hatte an seiner Sitzung vom Mittwochabend lediglich zwei Vorlagen des Stadtrats auf dem Programm, dafür etliche Postulate, doch dazu später mehr. Zum Auftakt an diesem 8. März wartete die IG Frauen mit einer gemeinsamen Erklärung auf, verlesen von Tanja Maag (AL), Serap Kahriman (GLP), Cathrine Pauli (FDP), Anna-Béatrice Schmaltz (Grüne), Karin Weyermann (Die Mitte/EVP) und Angelica Eichenberger (SP). Inhaltlich thematisierten die Parlamentarierinnen unter anderem die Lohngleichheit, die zwar längst gesetzlich verankert sei. Dennoch nehme der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen nur langsam ab. Auch die unbezahlte und grösstenteils von Frauen geleistete Care-Arbeit, die «mangelhaften und teuren Strukturen in der Kinderbetreuung» sowie Diskriminierung und Gewalt an Frauen kamen zur Sprache.

Mehr Bäume, weniger Asphalt

Sodann stand der Bericht zu einer Motion von Markus Knauss und Brigitte Fürer (beide Grüne) zur Kenntnisnahme an, die Motion sollte sodann abgeschrieben werden. Die beiden hatten «Pilotprojekte für eine klimagerechte Strassenraumgestaltung» gefordert, der Stadtrat befand, man sei schon dran. Markus Knauss nannte einige Projekte des Tiefbauamts, die «nicht klimagerecht» seien, beispielsweise die neu gestaltete Molkenstrasse im Kreis 4 oder die Martastrasse im Kreis 3: Es gebe dort nach wie vor zu viel Asphalt und zu wenige Bäume und Sträucher. Die kühle Luft vom Üetliberg dringe nicht bis zum Quartier Sihlfeld vor, die Menschen litten im Sommer unter der Hitze, die auch nachts nur knapp unter 20 Grad falle. Doch angesichts der von den Stimmberechtigten bereits angenommenen Grünstadt-Initiative und der zurzeit bei der zuständigen Kommission pendenten Gute-Luft-Initiative sei es vertretbar, die Motion nicht weiterzuverfolgen. Schliesslich überreichte er Tiefbauvorsteherin Simone Brander aber noch einen Asphaltbrocken, damit sie künftig stets vor Augen hat, was sie nicht mehr in die Hand nehmen darf, wenn es mit der Hitzeminderung künftig schneller vorangehen soll… Gegen die Kenntnisnahme des Berichts war nur die SVP: Derek Richter sprach von einem «trojanischen Pferd» der «Triple A», was er als «Anti-Auto-Allianz» ausdeutschte. Mit 102:14 Stimmen nahm der Rat den Bericht zur Kenntnis und schrieb die Motion mit 114:0 Stimmen als erledigt ab.

Durchs Band einig war sich der Rat bei der zweiten Vorlage des Stadtrats. Es handelte sich um die «Verordnung Solidaritätsbeitrag an Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981». Die vorberatende Kommission beantragte einstimmig, dem Antrag des Stadtrats zu folgen. Redner:innen von rechts bis links erinnerten daran, dass man das Unrecht nicht ungeschehen machen könne. Umso wichter sei es, dass die Stadt mit dem Soldaritätsbeitrag von je 25 000 Franken ein Zeichen setze, dass sie das an den Opfern dieser Zwangsmassnahmen begangene Unrecht anerkenne. Die Verordnung geht nun an die Redaktionskommission, die Schlussabstimmung folgt in zwei, drei Wochen.

Giftige Töne

Bei den Postulaten zum Thema «Geflüchtete Menschen» wurde der Umgangston giftig: Für die SVP forderten Samuel Balsiger und Walter Anken eine «unbürokratische und schnelle Rückkehrhilfe für Geflüchtete aus der Ukraine». Alan David Sangines (SP) erklärte ihnen, es gebe diese Rückkehrhilfe bereits, sie funktioniere – und zuständig dafür sei der Kanton. Er gab den Postulanten darin recht, dass es stossend sei, dass der Kanton Zürich «grundlos» tiefere Beträge für Ukrainier:innen ausrichte als für andere Geflüchtete. Doch auch diese Kritik müssten die Postulanten beim Kanton anbringen, beispielsweise mit einem Vorstoss im Kantonsrat. Es nützte nichts: Samuel Balsiger setzte zu einer seiner Pu­blikumsbeschimpfungen an (weitere sollten folgen…), Kurzfassung: «Ihr stellt euren Hass auf die SVP über das Wohl der Flüchtlinge, sonst würdet ihr unser Postulat annehmen.» Auch die Bitte des Präsidenten, das Niveau der Debatte im Auge zu behalten, fruchtete nichts. Schliesslich lehnte der Rat das Postulat mit 13:102 Stimmen ab. Dass anschliessend ein weiteres jener Postulate zu beraten war, die als Reaktion auf den Überfall von Neonazis auf eine Veranstaltung im Tanzhaus eingereicht worden waren (P.S. berichtete), vermochte die erhitzten Gemüter erwartungsgemäss nicht abzukühlen, im Gegenteil. Es stammte von der SP- und Grüne-Fraktion und verlangte «regelmässige verpflichtende Weiterbildungen für städtische Angestellte in allen relevanten Abteilungen zum Thema Rechtsextremismus». Samuel Balsiger rechnete vor, dass es viel mehr linksextreme als rechtsextreme Gewalt gebe. Man müsse auch nicht «wegen ein paar Volltrotteln im Tanzhaus» gleich einen solchen Vorstoss machen. Dominik Waser (Grüne) entgegnete, die SVP verharmlose die Gefahr, die von Rechtsextremismus ausgehe. Und er erinnerte daran, dass Balsiger gleich nach besagtem Vorfall die Forderungen ebendieser «Volltrottel» als Postulat eingereicht habe… Denkbar knapp, mit 59 gegen 58 Stimmen (von SVP, FDP, GLP und Mitte/EVP) kam das Postulat durch. Eine weitere Niederlage fuhr die SVP sodann mit einem Postulat ein, mit dem sie den Rückzug des Baugesuchs für eine temporäre Wohnsiedlung auf dem Hardturm-Areal verlangte. Stephan Iten erklärte zur Begründung, wenn die Stadt kein Geld für die von der SVP geforderte Rückkehrhilfe für Geflüchtete aus der Ukraine habe, dann reiche es sicher auch nicht, um auf der Hardturm-Brache 320 zusätzliche Flüchtlinge unterzubringen. Zudem wolle die Bevölkerung dort ein Stadion. Mit 14:103 Stimmen ging der Vorstoss bachab.

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