Ungeduld

«Macht kaputt, was euch kaputt macht!» Dass der Klimawandel nicht nur uns kaputt macht, sondern sogar sehr gut geeignet ist, die ganze Welt ziemlich viel kaputter zu machen, ist langsam so jeder und jedem klar. Und dass hinter dem Klimawandel ein paar systemische Problemchen und Fehlentwicklungen stecken, man kann sie kapitalistisch nennen oder auch nicht, ist auch kein Geheimnis.

Daher hab ich jetzt ein Déjà-vue. Oder gleich mehrere. Wenn die Klimajugend – ob mit oder ohne Support von Erwachsenen oder NGO ist sowas von irrelevant – auf dem Bundesplatz eine klare Haltung zeigt, dann muss man nicht austicken, sondern von guter alter Tradition sprechen. Schon der zweite Vorname der 1980er-Bewegung war «Subito». Es ist logisch, dass Jugendliche ungeduldiger sind, weil sie mehr Zukunft vor sich haben als die Alten. Was mich nicht davon abhält, es auch zu sein, was etwa die Klimafrage oder die nachhaltige Entwicklung betrifft. Jeder Tag, an dem nichts passiert, ist ein verlorener Tag. Und in manchen Bereichen passiert seit einer Generation nichts, was ich, der ich eine Generation älter bin, sehr gut beurteilen kann. Wir reden immer noch von den gleichen Problemen wie vor 30, 40 Jahren. Und von den gleichen Lösungen. Die nicht oder viel zu zögerlich angepackt werden. Und weil heute auch Leute mitreden, die etwas später auf die Welt gekommen sind, haben sie noch nicht mal den Diskussionsstand von vor 30 Jahren intus und reden fröhlichen Stuss. Letzthin hab ich in einer Fachpublikation zum solaren Bauen von mehreren ETH-ProfessorInnen gelesen, dass sie erst gerade unlängst Dinge «entdeckt» haben, die an der ETH schon vor 25 Jahren erforscht wurden, unter anderem von einer ETH-Forschungsstelle in den 1990ern. Was natürlich dokumentiert ist, aber das interessiert ja keine und keinen. Hauptsache, wir tun so, wie wenn wir aktiv wären.

Dass hier die Jugend ausrastet, was die Klimajugend noch nicht mal tut, sondern bemerkenswert ruhig bleibt, ist normal. Auch ich könnte hie und da in den Tisch beissen, und ich bin normal. Denn mittlerweile wissen wir mehr: Wir wissen, dass Handeln gegen die Klimakatastrophe möglich ist. Es gibt, vom individuellen Verhalten bis zum Systemwandel, genug Hinweise, was zu tun wäre. Wir wissen weiter, denn Corona hat es uns gelehrt, dass der Wandel, egal ob disruptiv oder nicht, sehr schnell gehen kann. Die Einführung und geradezu totalitäre Verbreitung des Benzinautos lief in nur gerade zehn bis zwanzig Jahren ab. Der Lockdown ging nur eine Woche. Und das meiste klappte sogar.

Hört mir auf damit, es ginge nicht. Es gibt zum Beispiel keinen einzigen vernünftigen Grund (ausser den Interessen der Verkäufer fossiler Energieträger natürlich), warum man nicht heute schon damit beginnen kann, fossile Heizungen zu ersetzen. Es gibt keinen gesetzlichen Zwang, CO2 ausstossen zu müssen. Man kann sofort damit aufhören, in fossile Energien zu investieren, denn sie sind ja nicht einmal mehr ökonomisch interessant. Aber es gibt nur Faulheit, Ausreden und die immer gleichen kommerziellen Interessen. Kein Grund, die Klimajugend in herablassenden Kommentaren zu belehren, sie müsse halt mit einer Volksinitiative kommen. Was sollte denn das nützen? Dass am Ende in der Bundesverfassung ein weiterer Sonntagspredigtartikel steht? Es geht ja nicht um die Verfassung, es geht um den Vollzug, ihr intellektuellen Arschbomben! Wenn die Jugend nur ungeduldig ist, dann könnt ihr noch von Glück reden.

 

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.