Symbole und Symbolik

Am Mittwoch beriet der Nationalrat drei Vorstösse, die zum Ziel hatten, Symbole des Nationalsozialismus wie Hakenkreuz oder Hitlergruss zu verbieten. Diese Vorstösse wurden von allen Parteien unterstützt ausser von der SVP, die allerdings auch nicht geschlossen abgelehnt hat. Soweit so unspektakulär. Die Debatte erhielt dann aber wie so oft leider eine etwas unappetitliche Note. Das Problem liegt da nicht in erster Linie bei der Ablehnung, denn diese Haltung vertrat bis vor Kurzem auch der Bundesrat. Und zwar, weil er der Meinung war, dass Antisemitismus besser durch Prävention bekämpft würde als durch Verbote. Zudem wurde ein Verbot von Nazisymbolen in den Nullerjahren schon einmal geprüft und ist dann gescheitert, weil es durchaus ein paar Fragen gibt, die ein wenig knifflig sind. Zum Beispiel die Frage, was alles zu Nazisymbolen gehört. Bei Hakenkreuz und Hitlergruss ist der Fall recht einfach, da allen auch bekannt ist, was damit gemeint ist. Aber es gibt auch eine Reihe von Symbolen und Codes, die nur Insider kennen und die auch harmlos sein könnten. Ein Beispiel dafür sind die Zahlencodes: Neonazis brauchen beispielsweise die Zahl 18 als Code für Adolf Hitler oder 88 als Code für Heil Hitler, weil der erste Buchstabe des Alphabets ein A ist und der achte Buchstabe ein H. Nun hat die SP Kanton Zürich einmal zum Jubiläum T-Shirts produzieren lassen mit der Zahl 1888, dem Gründungsjahr der Kantonalpartei. Und keine:r hatte bei dieser Idee Adolf Hitler vor Augen. Zudem wollten zwei der drei Vorstösse, das Verbot nicht nur für Nazi-Symbole, sondern auch für andere rassendiskriminierende, gewaltverherrlichende oder extremistische Symbole. Der ehemalige Nationalrat Angelo Barrile, von dem einer der Vorstösse stammte, hatte dabei als Beispiel die Ku-Klux-Klan-Kutten genannt. Angesichts der Häufung von antisemitischen Vorfällen hat mittlerweile der Bundesrat seine Meinung geändert.

Doch zurück zur Ablehnung der SVP. Fraktionssprecherin Barbara Steinemann begründete die Ablehnung damit, dass wir in der Schweiz einerseits kein Problem mit Nazis haben und zum zweiten die Gefahr des Antisemitismus sowieso nur von Woken, Linken und Ausländer:innen ausgehe. Noch schlimmer waren einige der verschiedenen Zwischenfragen, die von SVP-Parlamentariern gestellt wurden. So wurde Kommissionssprecher Raphaël Mahaim (Grüne), von mehreren Votanten vorgeworfen, er gewichte die Opfer des Nationalsozialismus höher als andere Opfer von Verfolgung, namentlich die Opfer des Sozialismus. Zu dieser Frage gab es in den 1980er-Jahren sogar einen Historikerstreit. Nur ist es interessant, dass die SVP, die sich in letzter Zeit als grosse Kämpferin gegen Antisemitismus und als bedingungslose Verteidigerin Israels die Frage der Singularität der Shoa plötzlich infrage stellt. Den Vogel abgeschossen hat zum Schluss der Zürcher SVP-Nationalrat Benjamin Fischer, der fragte, warum man den Hitlergruss verbieten könne: «Ist es also möglich, dass mit diesem Gesetz eine bestimmte Bewegung des eigenen Körpers unter Strafe gestellt wird? Es könnte also etwas, das ich mit meinem Körper tue, unter Strafe gestellt werden, falls irgendeine Behörde eine bestimmte Gesinnung daran festmacht. Wie können Sie das mit den Grundrechten vereinbaren?» Nun sind andere Körperbewegungen wie eine Kopfnuss schon ganz ohne Gesinnungsprüfung strafbar. 

Die SVP tut sich sowieso im Moment ein wenig schwer mit der Abgrenzung gegen Rechtsaussen. Die Strategiechefin der Jungen SVP, Sarah Regez, hat sich mit dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner getroffen und ist dadurch unter Druck gekommen. Sellner ist Co-Chef der österreichischen identitären Bewegung und hat ein Buch geschrieben mit dem Titel «Remigration. Ein Vorschlag». Auf Einladung der rechtsextremen Bewegung «Junge Tat» weilte er in der Schweiz. Dieses Treffen führte zu einem Protest von sechs Kantonalparteien der Jungen SVP. Andere Teile der Jungen SVP teilen diese Distanzierung nicht. So wurde – wie die ‹NZZ am Sonntag› berichtete – in internen Chats auch von gewissen Jung-SVP-Sektionen geschrieben, dass zwischen den Zielen der «Jungen Tat» und der Jungen SVP keine inhaltlichen Unterschiede bestünden. Bei der Mutterpartei sind unterschiedliche Signale zu hören. Zuerst hat sich der stellvertretende Generalsekretär Peter Keller sehr abschlägig geäussert. Die SVP halte sich grundsätzlich von ausländischen Politikern fern, Nationalismus sei der Schweiz fremd: «Wir sind eine mehrsprachige Willensnation und eben keine Blut-und-Boden-Nation.» 

Von SVP-Übervater Blocher ist überliefert, dass er die Devise herausgegeben hat, dass es rechts neben der SVP keinen Platz haben darf. Das wurde von einigen etwas verklärt. Der Höhepunkt davon war der Aufruf «Papa Blocher, eingreifen bitte!» von ‹CH-Media›-Chefredaktor Patrick Müller, der wollte, dass dieser der Jungpartei die Kappe wäscht.

Geschehen ist aber etwas anderes. Blocher sieht nämlich gar kein Problem dabei. Auf ‹Tele Blocher› liess er verkünden: Es sei doch keine Sache, man rede ja mit allen. Im Übrigen sei das Buch von Martin Sellner, das er nicht gelesen habe, ja harmlos. Das erinnert an einen anderen Fall, als er einmal ein Buch des Holocaust-Leugners Jürgen Graf mit «wie recht er doch hat» kommentierte. Auch dieses Buch habe er gar nicht gelesen. Nun glaube ich ihm sogar, dass er Sellner nicht gelesen hat. Wohl aber die ‹Neue Zürcher Zeitung›, wie er auch auf ‹Tele Blocher› sagte. Sellners Buch sei harmlos, weil es ja bei Remigration nur um die Ausschaffung von kriminellen Ausländern gehe. Nur geht es Sellner nicht nur darum, sondern um die Ausschaffung aller Ausländer und sogar von Eingebürgerten mit nichtwestlichem Hintergrund. Eine Forderung, die sogar Marine Le Pen zu weit geht. Dass Blocher auf die Idee kommt, mit Remigration sei nur die Ausschaffung von kriminellen Ausländern gemeint, ist vielleicht sein eigenes Kalkül. Oder einfach die Folge einer NZZ-Berichterstattung – insbesondere im deutschlandorientierten «Anderem Blick» – die seit Monaten mit Artikeln wie «Remigration Ja, aber richtig» eine systematische Verharmlosung solcher rechtsextremer Ideen betreibt. 

Wir Linken werden von der SVP immer wieder aufgefordert, uns von Chaoten am ersten Mai oder dem Stalinismus zu distanzieren. Mittlerweile erhalten – auch wieder in der NZZ – auch Leute eine Plattform, die den Linken schon mal unbewiesen Sympathien für den IS unterstellen. Das hat mich immer geärgert: Was habe ich mit Stalin oder dem IS am Hut? Und der revolutionäre Aufbau hat auch keine Sympathien für die SP, sonst würde ja nicht immer skandiert, dass wir ihn verraten habe. Nun hat sicher auch die grosse Mehrheit der SVP mit Rechtsextremen nichts am Hut. Solange aber die SVP-Elite die Ambivalenz nicht nur zulässt, sondern auch offensichtlich sucht, bleibt der Vorwurf gerechtfertigt. Das gilt auch für die NZZ. 

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.