Stoisch

Barbet Schroeder ergründet das Wesen seinen alten Freundes und Malers Ricardo Cavalli.

An den äussersten Zipfel der Bretagne hat sich Ricardo Cavalli (*1954) zurückgezogen, um in akribischer Kleinstarbeit und einer Engelsgeduld die Naturschönheit der dortigen Felsenformationen malen zu können. Bis zu sechs Jahre lang arbeitet er an den aus zig Tafeln zusammengefügten Gemälden, die in ihrer Wirkung der Überwältigung der effektiven Natur nahekommen.

Aber darum gehts in «Ricardo et la peinture» letztlich doch nur am Rand. Seine Bescheidenheit, Besonnenheit, Belesenheit, seine philosophische Fokussiertheit auf das Wesentliche, seine authentisch altruistische Askese, das lebendige Feuer in seinen Augen, seine über jede Leinwand hinausquellende Energie, wenn er über den Lebenssinn von Kunst und dem eigentlichen Sinn von Kunst als solcher ins Schwärmen gerät, sind von einer ungeheuer einnehmenden Wucht. Dabei ist ihm das Aufhebens um seine Person, die Barbet Schroeder («L’avocat de la terreur») und sein Filmteam durch das Vorhaben des Filmens notgedrungen verursacht, gar nicht recht. Er hat sich aus Paris hierher zurückgezogen, um allein zu sein und sich der Natur und der Malerei widmen zu können. Nebenher hat er eine Schule zur Förderung der Kreativität von Kindern gegründet, denen er zugewandt, konzentriert und geduldig seine volle Aufmerksamkeit schenkt, wenn wie geplant die Zeit dafür ist.

Eine solche Konsequenz, Denken und Handeln in einen Einklang zu bringen und dabei ein überragendes, schöpferisches Talent dermassen als nicht ausserordentlich und schon gar nicht betonenswert einzustufen, zeugt von einer ungewohnt komplett in sich ruhenden Persönlichkeit. Einerseits richtet er sich nach den alten Meistern, andererseits zeichnet er mit Tinte, wie wenn es vor ihm keine Kunst gegeben hätte. Sein Selbstverständnis als Handwerker hindert ihn nicht daran, sein Streben nach dem Erfassen beispielsweise eines Steins kontinuierlich zu raffinieren. Faszinierend und bewundernswert. froh.

«Ricardo et la peinture» spielt im Kino Uto.

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