Schön verschroben

Welch waghalsige Gedankengänge in kunstvoll gedrechselten Wortkaskaden der Autor Hermann Burger (1942 – 1989) zu Papier gebracht hatte, macht Martin Butzke erlebbar.

 

Zaubern kann Martin Butzke nicht. Eine dreimal wiederholte Übung mit Glitzertuch und Spannungstusch geht ohne Verblüffung zuende. Ganz im Gegensatz zum wortgewaltigen Teil von «Diabelli». In einer Archivaufnahme muss sich Marcel Reich-Ranicki im Literarischen Quartett gegen die Unterstellung verwahren, erst er habe Hermann Burger quasi erfunden, und schon ist man als Publikum auf Absurdität eingestellt. Die wird via die drei ausgesuchten Romanfiguren, die an diesem Abend zur Sprache kommen, noch mehrfach auf köstlichst verschrobene Weise bedient. Nur schon die Figuren… Ein gehörloser Bewerber für die Stelle als Orchesterwart, ein Meistermagier, dem sein Beruf zum Hals raushängt und ein Privatsekretär, dem die versnobte Weltfremdheit seines Herrn zuwider ist. Sie alle hadern mit dem Dasein und liebäugeln mit dem Ende, das auch der Autor selbst nahm. Entgegen der darin innewohnenden potenziellen Schwere ist das finale Gefühl dieses Theaterabends ein verblüfftes Kopfschütteln mit Grinsen auf den Stockzähnen bei gleichzeitiger Bewunderung für die schiere Übergrösse an Denk- und Fabulierfähigkeit, die Hermann Burger in Worte fassen konnte. Wenngleich die Bühnenpräsenz von Martin Butzke keinesfalls gehetzt oder getrieben wirkt, ertappt man sich angesichts der schieren Überforderung durch eine Kür in sprunghaft mäanderndem Wortgedrechsel mit philosophisch mehrstufigem Hintergrund dazu ermuntert, kurz vor der imaginären Aufnahmeerschöpfung reinzurufen: Mann ey, lass mal Luft zum Mitkommen. Aber erst im Nachhinein. Denn das Stück an sich wirkt allein durch die Worte wie die Magie, die einen schlechterdings komplett fesselt. Also das regelrechte Gegenstück zu Martin Butzkes anfänglicher Trockenübung in Fingertrickfertigkeit. Das Ergründen des Innersten des Autors treibt den Schauspieler auf Recherchereise, um die eigene Ratio mit der Begegnung einer physischen Be-greif-barkeit mit einer Art hilfloser Sublimierung durch irgend einen Rettungsanker besänftigen zu wollen, sie solle ihren Widerstand aufgeben und einfach lauschen und sich allein durch Worte berauschen lassen. Sich mit jeder Faser einfach hingeben und anhand der Tiefe simulierenden drei hintereinander hängenden Vorhänge auf etwas gefasst machen, dass auf Anhieb nicht so einfach entschlüsselbar werden wird. Also nochmals alles von vorn? Reizvoll wärs…

 

«Diabelli», bis 21.11., Theater Winkelwiese, Zürich. 25. bis 29.11., Kellertheater, Winterthur.

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