Ruck

Die ersten demokratischen Wahlen in Italien mit Frauen­beteiligung waren befreiend.

Der Erstschlag im morgendlichen Ehebett übersteigt bereits die Zuschreibung einer ordinären Ohrfeige, doch Ivano (Valerio Mastandrea) muss im Nachkriegsitalien doch wenigstens die Familienhierarchie als letzte Bastion aufrechterhalten, und so erfährt Delia (Paola Cortellesi) auf ihr freundliches «guten Morgen» als Antwort gleich die versammelte Härte der allgemein wie individuell miserablen Situation mitten ins Gesicht. «C’è ancora domani» von Paola Cortellesi erzählt in die vermeintlich zurückliegende Ältlichkeit der Geschehnisse zementierendem Schwarzweiss von den Miniaturbefreiungsschrittchen, die einer Familienfrau zur Selbstdurchsetzung überhaupt zur Verfügung standen. In der Souterrainwohnung herrscht Gattes Faust mit Unterstützung des bettlägerigen Opas, während auf der Piazzetta des Viertels der hohe moralische Anspruch an jedwede Regung oder eben Weigerung öffentlich kommentiert, missbilligt und mit Verachtung gestraft wird. Es dauert etliche Filmminuten, bis sich herauskristallisiert, dass sich für Delia und in ihrer Figur für die italienische Frau der Arbeiterschicht tatsächlich etwas zum Besseren verändert. Die Familienvisite einer potenziellen Schwägerschaft von höherem finanziellen und gesellschaftlichen Rang verkommt zur demütigenden Farce, woraufhin sich Delia ihrer für unstatthaft angesehenen flüchtigen Bekanntschaft mit einem Schwarzen US-Soldaten erinnert und ihrerseits Rache übt. Insgeheim aber ungeheuer durchschlagend. Ein Stück Papier wird ihr beinahe zum Verhängnis, derweil es exakt der Wisch ist, der ihr als Hoffnungsstrahl in eine potenziell selbstbestimmtere Zukunft leuchtet, der aber bei Verlust auch das Gegenteil bewirken könnte. Am Ziel erhellt ein kurzes Lächeln ihr Gesicht, das aber rasch wieder in den Ernst gegenüber der Fülle an noch zu bewerkstelligenden Selbstbefreiung in die ihr angestammte Versteinerung zurückfällt. Denn Delia ist Realistin durch und durch.

«C’è ancora domani» spielt in den Kinos Abaton, Arena, Capitol, Frame, Houdini, Le Paris, Movie.

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