Abgezockt

«Abzockerei!» zwängelen die Initiant:innen der «Halbierungsinitiative» angesichts der Radio- und Fernsehgebühren von jährlich 335 Franken, die sie gern auf 200 Franken halbiert haben möchten. Darum, dass sie anscheinend nicht rechnen können, geht es hier aber nicht. Das SRF soll dann weitere Angebote abbauen, die die Privaten ja angeblich via Pay-TV weit besser und günstiger bereitstellen können – bei Blue Sport beispielsweise bezahle ich für die drei oder vier Spiele, die ich pro Monat schaue, läppische 34.90, das sind im Jahr 418 Franken 80. «Blue Sport» ist allerdings ein Etikettenschwindel: Eishockey beispielsweise gibt’s da nicht, dafür braucht es zusätzlich ein Abo bei Mysports (358.80/Jahr). Aber, Sie ahnen es, auch darum geht es hier nicht!

Viel mehr als die Abzocke durch die Abogebühren schmerzen mich die sprachlichen Qualen, die mir von den Sportsendern angetan werden. Sagen ihre Kommentator:innen etwa «Abgezockt», meinen sie damit ja eben nicht mich als Abozahler, sondern die Spieler:innen auf dem Feld, die aber keineswegs um ihr letztes Hemd gebracht wurden, sondern im Gegenteil einen Spielzug in kaltblütiger Weise ausgeführt haben. Es gäbe so schöne Wörter dafür – «abgebrüht», «abgefeimt», «kaltschnäuzig» –, aber «abgezockt» gehört nun mal nicht dazu. Es ist eine Zumutung! Apropos Zumutung: Auch diese erlebt im Sportfernsehen gerade eine neue Karriere: Wenn immer sich ein Spieler etwas zutraut, heisst es sogleich, er habe es sich zugemutet. 

Verwirrend ist gelegentlich die Berechnung der Überzahl. Muss eine Spielerin vom Feld, ist das gegnerische Team in Überzahl, das ist noch verständlich. Im Eishockey kommt es gar immer wieder zu einer doppelten Überzahl! Da kommt mir Napoleon in den Sinn, der bei Arcole mit 24 000 Mann gegen 48 000 Österreicher gezogen sein soll. Aber vielleicht ist das ja nur ein Missverständnis, denn anscheinend reichen ja schon 24 002 Österreicher für die doppelte Überzahl.

Nicht nur falsch gebrauchte Wörter nerven, auch unnötige. Etwa «Spielgerät». Es weckt schöne Erinnerungen an das Ritiseili und das Gigampfi auf dem nahen Spielplatz – ein Ball kommt mir dabei aber definitiv nicht in den Sinn. Was in aller Welt ist falsch am Wort «Ball»? Ball Ball Ball. Man kann das Wort hundertfach wiederholen, es nützt sich nicht ab. Irgendwann in der zweiten Klasse haben wir wohl gelernt, dass wir beim Aufsatz darauf achten sollten, Wörter nicht zu oft zu wiederholen. Das war lobenswert, aber es ist keine allgemeingültige Maxime beim Schreiben, und schon gar nicht beim mündlichen Kommentieren. Wenn man von etwas spricht, soll man es benennen, und viele Dinge haben nun mal nur einen sinnvollen Namen. Von mir aus kann man mal noch «das Leder» sagen, auch wenn die Bälle längst aus Kunststoff sind, aber «Spielgerät» klingt einfach nur aufgesetzt und affektiert. Genauso darf man hundertmal «Zürcher» und «Luzerner» sagen, denn jeder vermiedene «Limmatstädter» und «Leuchtenstädter» ist ein Gewinn.

«Scheinbar können die gar kein Deutsch», würde ich als Sportkommentator wohl dazu sagen, denn zwischen «scheinbar» und «anscheinend» können die ja anscheinend nicht unterscheiden. Damit sind sie aber nicht allein, das ist auch in der Gratispresse allgegenwärtig. Genau wie «vermeintlich», wenn sie «angeblich» meinen. 

Ärgerlich sind aber nicht nur die Kommentator:innen, sondern oft auch die Spieler (bei den Spielerinnen ist es mir bislang weniger aufgefallen). Dass es schön ist, ein Tor geschossen zu haben, ist glaubwürdig, wenn auch nicht wirklich überraschend; dass man damit nur «der Mannschaft helfen» wollte jedoch ist zum Gähnen. Haben die Mediencoaches der Clubs echt nicht mehr drauf? 

Mein Vorschlag wäre, dass uns pro sprachliche Verfehlung ein Franken der Abogebühr erlassen wird. Damit würden sich die Gebühren gewiss mindestens halbieren, beim SRF genauso wie bei den Privaten – und wir könnten uns eine zwängelerische Initiative ersparen.

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