Rosengarten, Kultur, Papierberge

Der Zürcher Gemeinderat hat die Nachtragskredite ebenso bewilligt wie die Beiträge an diverse Kulturinstitutionen für die kommenden vier Jahre. Auch die Rosengartenstrasse gab mal wieder zu reden.

In die Doppelsitzung vom Mittwochabend startete der Zürcher Gemeinderat mit einer Fraktionserklärung der Grünen, verlesen von Anna-Béatrice Schmaltz: Die Grünen «begrüssen es sehr, dass ab Mitte November auf dem Kasernenareal eine provisorische Kontakt- und Anlaufstelle für Drogenkonsumierende zur Verfügung steht» (siehe auch Seite 17 dieser Ausgabe). Von zwei Anträgen auf Fristerstreckung ging der erste ohne grosse Diskussion durch, beim zweiten jedoch entbrannte eine lebhafte Debatte – da konnte Ratspräsidentin Sofia Karakostas noch so darauf hinweisen, dass es inhaltlich gar nichts zu beraten gebe, sondern es lediglich um die Fristerstreckung gehe… 

Doch der Grund für den grossen Redebedarf war natürlich beim Inhalt der Vorlage zu suchen, die der Stadtrat nun nicht innert Frist ausarbeiten kann: Sie hat den Zweck, eine dringliche Motion der SP-, Grüne-, GLP- und AL-Fraktion sowie der Parlamentsgruppe EVP «betreffend Entlastung und stadtverträgliche Umgestaltung der Achse Bucheggstrasse/Rosengartenstrasse/Hardbrücke» umzusetzen.

Dreimal Nein…

Stadträtin Simone Brander erinnerte an das Nein von zwei Dritteln der Abstimmenden zum Rosengartentunnel am 9. Februar 2020 und zählte auf, was seither so alles im Tun ist: Zum Beispiel «kurzfristig umsetzbare Massnahmen» für den Fuss- und Veloverkehr sowie zur Reduktion der Fahrzeitverluste des öV zwischen Hardbrücke und Bucheggplatz. Weiter die «Reduktion der signalisierten Höchstgeschwindigkeit gemäss Gesamtkonzept Strassenlärmsanierung dritte Etappe». Eine Studie soll die Erweiterung der flankierenden Massnahmen ausloten, die im Hinblick auf die Eröffnung des Ausbaus Nordumfahrung angedacht sind, bevor dann ein Planungsprozesses «für eine umfassende Neubetrachtung und Umgestaltung der Rosengartenachse» starten soll. Natürlich erwähnte Simone Brander auch, dass die Kantonspolizei Tempo 30 auf der Rosengartenstrasse verboten und die Stadt Rekurs gegen diesen Entscheid eingelegt hat.

Stephan Iten (SVP) begründete den Ablehnungsantrag seiner Fraktion mit einem dreifachen Nein – «von SVP, Kantonspolizei und Regierungsrat»: Das Nein zum Tunnel habe sicher nicht geheissen, dass es dort Fussgängerstreifen und Tempo 30 geben solle. Solche Massnahmen hätten zudem «garantiert einen Einfluss auf den Durchgangsverkehr» und führten zu Staus bis auf die Hardbrücke, zum Albisriederplatz, ja die Badenerstrasse runter bis Schlieren, und auch der öV würde leiden. Kurz: «Es braucht keine Fristerstreckung, sondern die Abschreibung dieser Motion!» Andreas Egli (FDP) erklärte, es ergebe sich aus der Vorlage selbst, dass sie erst in einigen Jahren umsetzbar sei. Es leuchte ihm deshalb nicht ein, was eine Fristverlängerung um zwölf Monate bringen solle, es bräuchte jetzt einen Bericht mit geplanten Massnahmen.

…und dreimal Ja

Davy Graf (SP) entgegnete Stephan Iten, «wir sagen Ja, Ja, Ja» – nach der «historischen» Abstimmung vom 9. Februar 2020 habe der Kanton keine neuen Ideen geäussert, «aber er kann verhindern». Dabei sei die Lärmsanierung «Pflicht», und er hoffe, dass die ersten Massnahmen rasch umgesetzt würden, denn wenn die Nordumfahrung 2027 fertig sei, dann müssten die flankierenden Massnahmen parat sein: «Solch eine Chance bekommen wir nicht mehr.» Sven Soberheim fasste sich gewohnt kurz: «Ob es reicht, hängt von der Sicherheitsdirektion ab, das ist das Problem.» Markus Knauss (Grüne) fand, er wäre froh, in einem Jahr zu erfahren, «was gemacht wird». Seiner Ansicht nach müsste das «Zielbild» jedoch «eine ganz normale städtische Hauptstrasse sein, wie beispielsweise die Birmensdorfer- oder die Badenerstrasse. Schliesslich genehmigte der Rat die Fristerstreckung um zwölf Monate mit 81 gegen 33 Stimmen (von SVP und FDP).

Die Nachtragskredite II. Serie 2023 lösten keine grossen Diskussionen aus, nur die SVP stimmte dagegen. Danach galt es, die Beiträge 2024 bis 2027 für diverse Kulturinstitutionen zu bewilligen, vom Jazz-Verein Moods bis zum Literaturhaus. Die Grünen schickten der Debatte eine Fraktionserklärung voraus, verlesen von Urs Riklin. Er sagte, auch wenn das «hochstehende und vielseitige Kulturangebot ein Segen» sei, «so fällt es definitiv nicht einfach vom blauen Himmel». Für eine lebendige Kulturstadt brauche es nebst kreativen Geistern und motivierten Macher:innen «vor allem auch geeignete Rahmenbedingungen». Nach unterschiedlich intensiven Debatten hiess der Rat alle Beiträge gut.

Online-Erläuterungen

Bis zum Sitzungsende um 23.30 Uhr beschäftigte sich der Rat sodann noch mit einem Postulat von Flurin Capaul und Jehuda Spielman (beide FDP). Ihre Forderung: Der Stadtrat solle prüfen, «den Umfang der verschickten Abstimmungsunterlagen zu reduzieren»: Die Stimmberechtigten sollten die Möglichkeit erhalten, sich «per Opt-Out vom Erhalt der gedruckten Erläuterungen abmelden zu können». Stimmzettel und -couvert  sowie den Stimmrechtsausweis würden aber alle nach wie vor zugeschickt bekommen, und zudem sollte an geeigneter Stelle ein QR-Code aufgedruckt sein mit dem Link zu den Online-Erläuterungen. Flurin Capaul erklärte, man erhalte bisweilen sehr viel Papier zugestellt. Im FDP-Chat habe sich jemand deswegen beschwert. Zudem informierten sich heutzutage sowieso die meisten online. Unterschiedlich bestückte Abstimmungscouverts zu verschicken, wäre logistisch gesehen kein Problem, denn das gebe es bereits – Unterlagen für eine Abstimmung der Reformierten etwa erhielten auch nur jene, die Miglied der Reformierten Kirche seien.

Samuel Balsiger (SVP) amüsierte sich über das «Lehrstück in Populismus» der FDP: «Ein Mitglied beschwert sich, und schon sagt ihr, die meisten informierten sich online?» Urs Riklin (Grüne) befand, die Idee sei prüfenswert, aber es werde dann auch schwieriger, FDP-Wahlflyer im offiziellen Couvert zu verschicken, «richten Sie das bitte Ihren Freunden in Geroldswil aus…» Auch die SP finde die Idee prüfenswert, sagte Maya Kägi Götz und beantragte eine Textänderung: Die Online-Erläuterungen sollten «barrierefrei» zur Verfügung gestellt werden. Und Jehuda Spielman erklärte trocken, «bei uns kann auch ein einfaches Mitglied eine Idee einbringen, es braucht dazu keinen Milliardär aus Herrliberg…» Das geänderte Postulat wurde schliesslich mit 98 gegen 12 Stimmen (der SVP) überwiesen.

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