Polizeistellen und Symbolpolitik

Der Zürcher Gemeinderat hat einen Bericht zur geplanten Stellenerhöhung bei der Stadtpolizei zur Kenntnis genommen. Ein Postulat von SP und GLP, das verlangt, erst mal die Hälfte der geforderten Stellen zu schaffen, kam mit den Stimmen der SVP durch.

 

Wie viele PolizistInnen braucht die Stadt Zürich? Der Zürcher Gemeinderat diskutierte an seiner Sitzung vom Mittwochabend ausführlich über dieses Thema, obwohl die effektive Bewilligung von allfälligen neuen Polizeistellen wie eh und je im Rahmen der Budgetdebatte stattfinden wird. Aber – ebenfalls wie jedes Jahr – gibt es Parlamentarier (ja, es sind vornehmlich Männer …), die diesem Ereignis schon Wochen im Voraus entgegenzufiebern scheinen …

 

Konkreter Anlass der Debatte vom Mittwochabend war die Antwort des Stadtrats auf ein Postulat der AL samt Antrag, dieses als erledigt abzuschreiben. Dabei handelte es sich um ein Begleitpostulat zur letztjährigen Budgetdebatte: Der Stadtrat hatte damals zehn zusätzliche Polizeistellen beantragt, und Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart hatte ausgeführt, dass bis 2030 insgesamt 152 zusätzliche Vollzeitstellen geschaffen werden sollten. Die AL jedoch forderte, dass ein vom 16. Juli 2021 datierter Bericht des damaligen Kommandanten der Stadtpolizei zum Antrag auf Stellenerhöhung erst im Gemeinderat diskutiert werden sollte, bevor man neue Stellen bewillige. Dem stimmte die Mehrheit zu und lehnte es ab, die zusätzlichen zehn Stellen zu schaffen.

 

Mehr oder weniger Stellen nötig?

 

Nun ging es folgerichtig darum, diesen Bericht zur geplanten Stellenerhöung zur Kenntnis zu nehmen und das Postulat der AL als erledigt abzuschreiben. Kommissionssprecher Andreas Egli (FDP) erklärte, die Bevölkerung sei in den letzten Jahren deutlich gewachsen, weshalb eigentlich 210 zusätzliche Stellen nötig wären, wenn das bisherige Verhältnis von PolizistInnen und EinwohnerInnen gehalten werden sollte. Beantragt seien jedoch nur 152 Stellen bis 2030, davon seien 140 Polizeistellen und zwölf zivile Support- und Querschnittsstellen. Die PolizistInnen leisteten immer mehr Arbeitsstunden, unter anderem wegen Demonstrationen und Veranstaltungen, aber auch wegen der Terrorgefahr. Wenn aber dieselben Leute immer mehr Einsätze hätten, leide nicht nur ihre «Work-Life-Balance», sondern auch das Arbeitsklima generell. Die Mehrheit der Kommission nehme den Bericht zur Kenntnis und befürworte die Abschreibung des Postulats.

 

Michael Schmid (AL) erklärte, weshalb seine Fraktion den Bericht ablehnend zur Kenntnis nehmen wollte: Die Polizeidichte solle offenbar mit dem prognostizierten Bevölkerungswachstum Schritt halten, hob er an, doch die Frage, ob man sie nicht eher reduzieren müsste, werde gar nicht gestellt. Zürich habe die höchste Polizeidichte der ganzen Schweiz, und der Bericht sei «die Wunschliste der Polizeiführung» und tauge nicht als Grundlage, um als Parlament eine Entscheidung zu treffen. Schliesslich gab Michael Schmid auch noch zu bedenken, bei der Zürcher Stadtpolizei seien jetzt schon 72 Vollzeitäquivalente nicht besetzt – wahrscheinlich rühre die Überlastung der PolizistInnen eher daher…

 

Während Samuel Balsiger (SVP) sein Votum offensichtlich dazu nutzte, das Wort «Messerstecher(ei)» so oft wie nur möglich anzubringen, erklärte Yves Henz (Grüne), wir bräuchten keine Polizei, «die uns auf Schritt und Tritt verfolgt»: «Wir wollen keinen Polizeistaat.» Damit rief er Stephan Iten (SVP) auf den Plan, der ihm vorwarf, «ihr wollt die Anarchie!». 

 

«Viele planbare Veranstaltungen»

 

Nach dieser ersten Auslegeordnung kamen zwei aktuelle Begleitpostulate zum Bericht zur geplanten Stellenerhöhung zur Sprache: GLP und SP forderten den Stadtrat auf zu prüfen, wie die Stadtpolizei bis 2026 einen Stellenausbau um die Hälfte der beantragten Stellen planen könne: Von den 152 Stellen bis 2030 sollten deren 86 bis 2026 geschaffen werden, die Hälfte wären somit 43. «Diese 43 Stellen sollen zur einen Hälfte zur Entschärfung der angespannten Personalsituation (insb. Abbau von Überstunden und Verzicht auf ausserordentliche Wochenendeinsätze) eingesetzt werden. Die andere Hälfte soll für die polizeiliche Arbeit in den Bereichen Cyberkriminalität, Fuss- und Velopatrouillen und Autoposer eingesetzt werden», heisst es im Postulat.

 

Patrick Hässig (GLP) sagte, damit wollten GLP und SP «Planungssicherheit für die Stadtpolizei schaffen». Der Hinweis im Postulat, wo genau diese PolizistInnen eingesetzt werden sollten, bilde das ab, was die Stadtpolizei selber zur Begründung des geforderten Stellenzuwachses ausgeführt habe.

 

Andreas Egli hielt ihm entgegen, dieses Postulat sei «genauso unnötig» wie jenes der SVP, das genau dasselbe fordere wie der links-grüne Stadtrat, nämlich die gestaffelte Schaffung von 140 neuen Polizeistellen bis 2030. Stephan Iten sah das logischerweise anders: «Wenn die Stadtpolizei sagt, dass sie mehr Leute braucht, dann braucht sie mehr Leute!»

 

Markus Knauss (Grüne) zählte auf, dass beispielsweise für das Züri-Fäscht acht Stellen der Stadtpolizei nötig seien, während pro Fussballspiel 1,3 Stellen eingesetzt würden und eine «Critical Mass» lediglich 200 Stunden Polizeiarbeit benötige. Sprich: Es gebe durchaus «gute Gründe für Aufstockungen», aber eben auch «viele planbare Veranstaltungen». Die Grünen nähmen den Bericht «teils ablehnend» zur Kenntnis.

 

In den Abstimmungen nahm der Rat den Bericht mit 97:18 Stimmen zur Kenntnis, schrieb das Postulat der AL einstimmig ab, lehnte das Postulat der SVP (für 140 Stellen) mit 75:39 Stimmen ab und hiess das Postulat von GLP und SP (für 43 Stellen )mit 59:53 Stimmen gut, wobei sich die SVP auf die Seite von GLP und SP schlug, obwohl diese ihr Postulat zuvor abgelehnt hatten.

 

Affenpocken und Wärme

 

Das eine oder andere Thema ausser den Polizeistellen beschäftigte den Rat doch noch: Mit 95:11 Stimmen (der SVP) kam ein dringliches Postulat von Marco Denoth (SP), Flurin Capaul (FDP) und zwölf Mitunterzeichner­Innen durch, das eine «rasche Impfung gegen die Affenpocken durch Interventionen bei Bund und Kanton oder durch eine eigene Organisation der Impfung» forderte. Gesundheitsvorsteher Andreas Hauri erklärte, letzteres sei nicht möglich, da der Impfstoff nicht an Städte oder Regionen, sondern nur an Länder geliefert werde. Er werde sich aber bei Bundesrat Berset im Sinne der Postulant­Innen einsetzen.

 

Die FDP-Fraktion kam mit ihrem Beschlussantrag durch, mit dem sie die «Beschränkung der Temperatur in den genutzten Räulichkeiten des Gemeinderats analog der Heiztemperatur in den städtischen Verwaltungsgebäuden» forderte. Weil die Halle hoch und schlecht isoliert ist, wird es, wie Jürg Rauser (Grüne) anmerkte, «gar nicht wärmer als 14 Grad» … Aber dafür hat in dieser Halle offensichtlich vieles Platz, und seis auch nur Symbol­politik.

 

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