Neue Richtlinien und «Blackbox»

Die Aktualisierung der Hochhausrichtlinien geht in die nächste Runde – erwartungsgemäss unter genauer Beobachtung durch Einzelpersonen und Gruppen, die in Hochhäusern kein geeignetes Instrument zur Stadtentwicklung sehen.

 

Seit dem 15. Dezember 2022 waren die Aktualisierung der Hochhausrichtlinien und die dadurch nötig werdende Teilrevision der Bau- und Zonenordnung der Stadt Zürich öffentlich aufgelegt. Am kommenden Montag endet die Auflagefrist, während derer alle Interessierten Einwendungen gegen die neuen Richtlinien machen konnten. Die «Arbeitsgruppe Städtebau+Architektur Zürich» (Asaz), die sich bereits verschiedentlich (auch in dieser Zeitung) kritisch zum Hochhausbau in Zürich und zu Hochhäusern allgemein geäussert hat, verschickte ihre zwölfseitige Stellungnahme zur Aktualisierung der Richtlinien am 16. Februar an die Medien. Darin hält sie einleitend fest, die neuen Hochhausrichtlinien und der Hochhausbau seien «einstweilen zu sistieren». Stattdessen müssten das Amt für Städtebau und Grün Stadt Zürich «Zielsetzungen zu einem zeitgemässen, zukunftsfähigen und resilienten Städtebau» formulieren. Dieser müsse umweltgerecht, menschenfreundlich, transformierbar und ergänzungsfähig sein, «im Sinne von Stadtbaukunst». Weiter habe die Zusammensetzung des Baukollegiums in Zukunft folgenden zwei Bedingungen zu genügen: «Es nehmen nur Städtebauer und Architekten mit internationalem Ruf und ausgewiesener Forschungserfahrung Einsitz. Sie planen und bauen in Zürich nicht und sind mehrheitlich ausserhalb der Schweiz tätig. Das Baukollegium ist interdisziplinär, mit ausgewiesenen Fachpersonen zu besetzen (Umwelt, Klima, Soziologie, Psychologie).»

 

Die Asaz sieht ihre Argumente «vom Amt für Städtebau weder sachlich noch fachlich widerlegt», weshalb nun nur noch der Gemeinderat beschliessen könne, «den Bau weiterer Hochhäuser auf wenige, wirklich begründete Ausnahmen zu beschränken». Folgerichtig verlangt die Gruppe vom Gemeinderat, «den nicht mehr zeitgemässen Städtebau und die damit verknüpfte Hochhauspolitik des Hochbaudepartementes zu hinterfragen und zukunftsfähige Konzepte für die Stadtentwicklung zu fordern». Denn die alten und die neuen Hochhausrichtlinien seien «einseitig auf eine Bauform fixiert»: «Sie lenken nicht nur von den wirklichen Problemen unserer Stadt ab, von denen viele neu zu überdenken sind, sondern fördern und verfestigen die Fehlentwicklung für kommende Generationen, ohne Rücksicht auf den Klimawandel und die ökologischen, ökonomischen und sozialen Bedürfnisse unserer Zeit und der Menschen in unserer Stadt.»

 

«Wir schätzen die breite Debatte»

Die Sistierung von Hochhausrichtlinien und -bau, eine andere Art Städtebau, ein anders zusammengesetzes Baukollegium und Forderungen an den Gemeinderat: Wie kommt diese geballte Ladung Kritik bei der Stadt beziehungsweise beim Amt für Städtebau an? Dessen Mediensprecher Anatole Fleck erklärt auf Anfrage: «Das Amt für Städtebau (AfS) schätzt die breite Debatte zur Aktualisierung der Hochhausrichtlinien, die es auch aktiv fördert: Bereits parallel zur Testplanung lief ein umfassender Dialogprozess, der jüngst (am 30. Januar 2023) durch eine weitere öffentliche Podiumsveranstaltung ergänzt wurde.»   Weiter hält er fest, «aktuell findet, als wichtigster Teil der formellen Mitwirkung, die gesetzlich vorgeschriebene öffentliche Auflage statt. Selbstverständlich wird die Einwendung der ‹Arbeitsgruppe Städtebau + Architektur Zürich› dabei eingehend geprüft werden.» Die Stadt Zürich äussere sich im laufenden Verfahren aber nicht zu einzelnen Einwendungen: «Dies im Sinne der Gleichbehandlung und in Anbetracht dessen, dass dadurch die spezifische Haltung einer Gruppe übermässiges Gewicht erhalten würde. Rückmeldung zu allen Einwendungen erstattet zu gegebenem Zeitpunkt der schriftliche Bericht – der wiederum eine wichtige Grundlage für die weitere politische Debatte im Gemeinderat bildet.»

 

Blackbox Baukollegium?

A propos Gemeinderat: Ein Spezialfall auf der langen Liste dessen, was die Asaz an den neuen Richtlinien im Allgemeinen und am Hochhausbau im Speziellen zu kritisieren hat, ist die Zusammensetzung und die Rolle des Baukollegiums. Dessen Präsident ist der Vorsteher des Hochbaudepartements, die weiteren Mitglieder sind die Vorsteherin des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements sowie fünf unabhängige FachexpertInnen, die jeweils für maximal vier Jahre ins Baukollegium gewählt werden. Mit ihrem Postulat vom 21. Dezember 2022, das im Ratsplenum noch nicht behandelt wurde, fordern Mischa Schiwow (AL) und Marco Denoth (SP) den Stadtrat auf, zu prüfen, «wie das Auswahlverfahren für die externen Mitglieder des städtischen Baukollegiums neugestaltet und mehr Transparenz über die beratenen Geschäfte hergestellt werden kann». Auf Anfrage betont Mischa Schiwow, der Vorstoss sei nicht speziell auf die Diskussion um die neuen Hochhausrichtlinien hin eingereicht worden, doch es gebe natürlich einen inhaltlichen Zusammenhang. Das Baukollegium habe einen entscheidenden Einfluss auf die Stadtentwicklung und das Baugeschehen in Zürich, halten die beiden Gemeinderäte denn auch zur Begründung ihres Postulats fest: «Insbesondere betrifft dies Empfehlungen über Abweichungen von der Regelbauweise, vom Bau- und Zonenplan im Rahmen privater Gestaltungspläne (z.B. bei Hochhäusern gemäss § 284 Planungs- und Baugesetz PBG).» Mischa Schiwow führt dazu aus, dass das Baukollegium «sehr grossen Einfluss» habe und gleichzeitig «sehr wenig transparent» sei: «Mein grosses Anliegen ist, dass man weiss, worüber im Kollegium gerade geredet wird. Diesbezüglich ist es heute eine eigentliche Blackbox.»

 

In ihrem Postulat halten die beiden Gemeinderäte weiter fest, die Teilnahme an den Arbeiten des Baukollegiums von in Zürich tätigen Fachleuten trage «im Prinzip zur fundierten Expertise bei, kann jedoch in diesem Kreis auch den Anschein der Befangenheit erwecken». Sie bedauern ausserdem «das Fehlen von Personen, welche die sozialen und ökologischen Aspekte des Städtebaus und der Entwicklung der Wohnsituation ins Baukollegium einbringen». Kurz: «Eine regelmässige Darstellung der wesentlichen ins Baukollegium eingebrachten Standpunkte könnte zur Akzeptanz der gefällten Entscheide beitragen. Die Liste der vom Baukollegium beratenen Geschäfte soll der Öffentlichkeit mindestens vierteljährlich zur Kenntnis gebracht werden.» Die Chancen, dass der Rat das Postulat an den Stadtrat überweist, stünden gut, erklärt Mischa Schiwow. Man darf also gespannt sein auf eine Fortsetzung der Diskussion um die «Blackbox Baukollegium».

 

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