Nepperin

Ein herausragendes Beispiel aus der Sparte Berufe mit Zukunft ist die Beraterin. Am Telefon. Im Gesundheitswesen.

Fritz Bisenz alias Barbara Hutzenlaub hat eine neue Berufung gefunden: «Ruf mich an!» Nachdem sie sich in den letzten Programmen während ihrer Diversifizierungsstrategie fast schon ein wenig verzettelt hatte, erscheint sie aktuell das it-Ding gefunden zu haben. Die zur «Universaltherapeutin» weitergebildete «Ärztin aus Erfahrung» erteilt gegen Entgelt telefonische Ratschläge in allen Lebenslagen. Auch exotischen Symptomen steht sie seit der Entdeckung ihrer feurigen südamerikanischen Genwurzeln offen gegenüber.

Fast nie benötigt sie Assistenz durch ihren Kollegen Dr. Google, dafür in sämtlichen praktischen Belangen von Muriel Zemp alias Coco Chantal, die jetzt bereits dem dritten Programm Rhythmus verleiht. Baustellenlärm zum Beispiel, eine heimliche Leidenschaft, bereitet ihr, es ist schon beinahe unverschämt, so etwas zu fühlen, fast schon die umfassendere Lust als ihre erfreulich erfolgreich abgeschlossene Libido-tour-de-Suisse. Eigentlich war sie davon ausgegangen, dieses Kribbeln bereits hinter sich zu haben, aber in Ergänzung zu ihrem bereits langjährig anhaltenden, ausgeprägten Assimilationswillen und in Kombination mit einer trotz allem offenbar ewig währenden Partnerlosigkeit, liessen sich damit gleich mehrere Erfahrungslücken mit einem Streich erledigen. Ihre «Sprechstunde» ist dermassen erfolgreich, dass sie auf allen Kanälen präsent sein muss, was ihre Koordinationsgabe strapaziert. Coco Chantal schafft Abhilfe. Mit welch schwungvoller Grazie sie den «Airdrop Fax XL500 Invisible» bedient und aus dem Nichts eine Papieranfrage zaubert, wird nur noch übertroffen von ihrem meisterhaften Spiel diverser Instrumente, und sei es der sein Programm abspulende Synthesizer. Die am Abend verhandelten Krankheiten stehen bezüglich ihrer Grundversicherungsdeckung alle auf der Kippe, sind aber dafür als Treffer ins Schwarze einer aktuellen Gesellschaftsbefindlichkeit. Die grosse Mehrheit der Nummern sind rhythmisierter Schnellsprech oder Eilzugtempogesang, was die Aufmerksamkeit recht herausfordert. Genauso wie das Jetzt eben. Die einzig nicht abschliessend zufriedenstellend zu beantwortende Frage zückt Barbara Hutzenlaub nach der Pause aus der «Kummerbox» am Bühnenrand. Eine anonyme Person aus dem Publikum – sie sitzt in der siebten Reihe und heisst… – fragt ultrakritisch, weshalb gerade ihren Ratschlägen Glauben geschenkt werden soll. Handkehrum bietet diese Wissenslücke eine Gelegenheit für eine endlos aufzählende Beweisführung der eigenen Hochbegabtenexzellenz einer ganz normalen Überfliegerfrau.

«Sprechstunde», 25.1., Casinotheater, Winterthur.

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