«Die eigene Initiative nicht gelesen»

Der Zürcher Gemeinderat debattierte unter anderem über den Flughafen und über «Fussballchaoten».

In seine Sitzung vom Mittwochabend startete der Zürcher Gemeinderat mit einer Fraktions- und mehreren persönlichen Erklärungen. Die Fraktionserklärung der SVP verlas Stephan Iten, ihr Titel lautete, «Stoppt endlich die Fussball-Gewalt». Inhaltlich lief sie darauf hinaus, «diesen Zustand und das zögerliche Verhalten von Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart» als «unhaltbar» zu taxieren. Die Erklärung endete mit dem Hinweis, es brauche am 3. März ein Ja zur «Anti-Chaoten-Initiative», ja mehr noch: «Die SVP ist überzeugt, dass die Initiative und auch der Gegenvorschlag dem Bedürfnis nach mehr Sicherheit gerecht werden.» Nach diesem Abstimmungs-Werbespot fügte Stephan Iten das an, was die SVP zu diesem Thema immer sagt, nämlich, der erste Schritt wäre es, «wenn auch die linken Parteien hier und jetzt im Parlament die Gewalt verurteilten und Konsequenzen forderten».

Moritz Bögli (AL) konterte in seiner persönlichen Erklärung, die SVP habe offensichtlich ihre eigene Initiative nicht gelesen. Denn bei den Sachbeschädigungen durch «Fussballchaoten», welche die SVP in ihrer Fraktionserklärung angeprangert hatte, habe es sich weder um eine Demo noch um eine Kundgebung gehandelt. Und «alles, was am letzten Samstag passiert ist, ist bereits strafbar». Die Initiative sei «menschenrechtsfeindlich» und abzulehnen. Monika Bätschmann (Grüne) sagte in ihrer persönlichen Erklärung, es sei ein «Trauerspiel», was sich der Gemeinderat leiste, «die einen schreien ‹Polizeigewalt!›, die anderen ‹Repression!›». Was die Polizei auch mache, sei falsch, und für beide Seiten sei offenbar klar, dass die Sicherheitsvorsteherin schuld sei: «Dabei müssten wird hinschauen, welches die Ursachen sind, und mit den Betroffenen in einen Dialog treten.» Sie schloss mit den Worten, die Grünen lehnten die «Initiative gegen die Demokratie» ab.

«Nur ablehnend zur Kenntnis»

Zu reden gab sodann der Bericht zu einem Postulat, mit dem Luca Maggi und Markus Knauss (beide Grüne) den Verzicht auf eine «finanzielle Beteiligung der Flughafen Zürich AG an internationalen Flughafenprojekten» verlangt hatten, die «den umwelt- und sozialpolitischen Zielen der Stadt Zürich entgegenstehen». Zusätzlich hatten die beiden Auskunft über die Rolle des Stadtrats in der Flughafen Zürich AG gefordert. Kommissionssprecher Urs Riklin (Grüne) führte aus, dass 2019 via diverse Medienberichte bekannt geworden war, dass die Flughafen Zürich AG beabsichtigte, sich am «Nijgadh Airport» in Nepal zu beteiligen. Dem damals geplanten Flughafen hätten 2,4 Millionen Bäume weichen müssen. Gemäss Umweltschützern sei Nijgadh einer der letzten ungeschützten und unberührten Abschnitte des gesamten Waldgürtels und mit dem geplanten Projekt stark bedroht. So diene der Wald seltenen Tierarten wie Tigern, Elefanten und Leoparden als Habitat.

Aufgrund dieser Informationen hätten seine beiden Fraktionskollegen diverse Fragen zur Rolle des Stadtrats in der Flughafen AG gestellt, fügte Urs Riklin an. Der nun vorliegende Berichte sei allerdings «relativ lapidar» ausgefallen, es werde auf die Eigentümerstrategie verwiesen und darauf, dass Verwaltungsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft zur Geheimhaltung verpflichtet seien. Umgekehrt habe sich die Situation insofern entschärft, als dass sich das oberste Gericht in Nepal gegen das Projekt ausgesprochen habe und dieses somit «in den Sternen steht», führte Urs Riklin weiter aus. Eine Minderheit der Kommission wolle den Bericht dennoch nur ablehnend zur Kenntnis nehmen.

Für die Mehrheit wies Yasmine Bourgeois (FDP) darauf hin, dass der Flughafen Zürich bezüglich seiner Gebäude die «höchste Nachhaltigkeit» aufsweise und in Sachen Klimaschutz bereits fortschrittlich unterwegs sei. Zudem sei die Schweiz auf möglichst viele direkte Verbindungen nach Europa und in den Rest der Welt angewiesen.

Stadtpräsidentin Corine Mauch erinnerte zuerst daran, dass das Postulat vor vier Jahren eingereicht worden sei und schon längst entschieden sei, dass das Projekt in Nepal nicht weiterverfolgt werde. Weiter verwies sie auf die Richtlinien zum städtischen Beteiligungsmanagement und auf die Eigentümerstrategie des Stadtrats für die Flughafen Zürich AG, die öffentlich und auf der Webseite der Stadt Zürich einsehbar sei. Der Stadt werde ein Sitz im Verwaltungsrat zugesichert, weil sie sich mit mindestens 5 Prozent an der Flughafen Zürich AG beteilige. Corine Mauch erwähnte aber auch die «strategische Bedeutung» dieser Beteiligung: Die Stadt könne «im Rahmen ihrer Möglichkeiten» Einfluss im Verwaltungsrat nehmen und die Geschäftstätigkeit im Sinne der Stadt mitgestalten. Maya Kägi Götz (SP) erklärte, ihre Fraktion treffe sich insofern mit den Grünen, als dass es die Flughafen AG «ein bisschen an die Zügel» zu nehmen gelte. Doch was die Einordnung der städtischen Beteiligung betreffe, habe die SP eine «gänzlich andere Einschätzung». Die im Postulat gestellten Fragen würden im Bericht beantwortet, und «wie sollten wir sonst Einfluss nehmen?», gab sie zu bedenken.

«Viel steht nicht drin»

Ann-Catherine Nabholz (GLP) sagte, auch ihre Fraktion nehme den Bericht zur Kenntnis: «Viel steht nicht drin in diesem Bericht, aber das Projekt in Nepal hat sich erledigt, und die Stadtpräsidentin hat Stellung genommen.» Die Eigentümerstrategie bewertete sie mit den Worten, «lieber schwierig als gar keinen Einfluss», und am Hinweis auf die Geheimhaltung gebe es auch nichts zu beanstanden. Stefan Urech (SVP) stellte die Frage in den Raum, wie viele Linke wohl schon nach Nepal geflogen seien. Markus Knauss sprach bezüglich des Hinweises auf die Geheimhaltungspflicht von einem «sehr, sehr minimalistischen» Bericht, zumal im Obligationenrecht nur die Treuepflicht erwähnt sei. Weiter führte er aus, der Flughafen sei «die grösste Dreckschleuder» in der Schweiz, doch weder davon noch vom Lärm sei irgendwo die Rede und auch nicht von den geplanten Pistenverlängerungen. Kurz: Es gehe durchaus um inhaltliche Fragen, «doch der Stadtrat schweigt». Die Grünen und die AL unterlagen mit ihrem Antrag, den Bericht nur ablehnend zur Kenntnis zu nehmen, mit 25:90 Stimmen, wonach der Rat den Bericht mit 91 gegen 25 Stimmen zur Kenntnis nahm. Die Abschreibung des Postulats erfolgte einstimmig.

Anschliessend arbeitete der Rat bis nach 22 Uhr eine Reihe von Vorstössen zu verschiedensten Themen ab – von der Ausweitung des Mandats der Fachstelle für Gleichstellung um weitere Diskriminierungsformen und der Forderung danach, die Bullingerkirche ab 2028 weiterhin als «Rathaus» zu nutzen, bis zur «sicheren Gestaltung der Querung von Strassen und Plätzen auf Schulwegen».

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