Einige Bestnoten, viel Unschönes

Die Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung der Stadt Zürich liegen vor. 20 Prozent der Befragten erfuhren Diskriminierung, das Thema Wohnen macht vielen Sorgen, lebenswert ist Zürich dennoch.

Die städtische Bevölkerungsbefragung wurde repräsentativ durchgeführt, wobei rund 5000 Einwohner:innen befragt wurden, wie es sich in Zürich lebt. Insgesamt gab zum ersten Fokusthema jede fünfte Person an, innert eines Jahres Diskriminierung erlebt zu haben. Bei elf Prozent geschah dies mehrmals, bei neun Prozent einmal. Besonders oft aufgrund der Nationalität, etwas weniger oft aufgrund der Sprache, des Akzents oder Dialekts oder aber des Geschlechts, gefolgt von Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft, Hautfarbe oder anderer körperlicher Merkmale sowie Alter, der beruflichen Position und sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität. Aufgrund des Geschlechts wurden insbesondere Frauen diskriminiert, Männer derweil öfter aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, Hautfarbe oder sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Etwas mehr gleichauf in Bezug auf die Verteilung auf die Geschlechter war nationalitätsbezogene Diskriminierung. Unterschieden bezüglich Geschlechtern wurde übrigens nur binär, was damit begründet wurde, dass nur wenige die dritte Geschlechteroption «divers/non-binär» angegeben hatten.   

Die Befragten gaben an, besonders im öffentlichen Raum und öV oder im beruflichen Alltag diskriminiert worden zu sein, etwas weniger oft war die gravierendste Erfahrung eine bei der Arbeitssuche, bei der Wohnungssuche, in der Familie oder mit der Polizei oder öffentlichen Verwaltung. Lediglich 20 Prozent der betroffenen Personen haben Schritte nach einer Diskriminierungserfahrung unternommen. Bei einem Viertel davon war dieser Schritt ein Gespräch mit anderen Personen mit Diskriminierungserfahrung, gefolgt von Meldungen des jeweiligen Vorfalls bei Vorgesetzten, wiederum gefolgt vom Meiden des Orts respektive der Situation. Noch weniger Personen haben den Vorfall bei einer offiziellen Stelle gemeldet. Rund 40 Prozent hätten nach dem Vorfall zudem nicht gewusst, wohin sie sich hätten wenden können. Besonders von Diskriminierung aufgrund Nationalität oder Sprache betroffen waren Einwohner:innen, die keine Schweizer Nationalität besitzen, bei geschlechterbasierter Diskriminierung sind derweil eher Schweizer:innen betroffen, ebenso in Bezug auf sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität sowie Alter und politische Einstellungen.

Zu luxuriöse Neubauten und Renovationen

Das zweite Fokusthema in der Bevölkerungsbefragung war die Bautätigkeit. Drei Viertel der Einwohner:innen sind der Meinung, dass sich Zürich in eine gute Richtung entwickelt, dieser Wert ist aber im Vergleich mit den Erhebungen in den Jahren 2007, 2015 und 2021 rückläufig. 40 Prozent geben zwar an, die Stadt habe ihnen früher besser gefallen – was leicht höher ist als die Ergebnisse vergangener Erhebungen. 90 Prozent der Befragten begrüssen das Schaffen von mehr Wohnraum in der Stadt, ebenso viele wollen aber auch, dass kein weiterer Grünraum verloren geht. Dazu kommt, dass viele, und auch immer mehr, die Neubauten und Renovationen als zu luxuriös empfinden. Auch dem Satz, «durch die Bautätigkeit der letzten Jahre ist die Stadt schöner und lebenswerter geworden», stimmen stetig weniger Leute als in den Vorjahren vollständig zu. Konstanter ist die Wahrnehmung der baulichen Dichte in der eigenen Wohngegend im Vergleich zum übrigen Stadtgebiet: Elf Prozent empfinden das eigene Quartier als sehr dicht, 48 Prozent als eher dicht bebaut. Aus einer zusätzlichen städtischen Publikation zur Befragung mit Fokus auf den Quartieren lässt sich weiter entnehmen, dass die Bewohner:innen in den Quartieren Seebach, Mühlebach, Oberstrass und Weinegg am zufriedensten sind, die grösste Unzufriedenheit herrscht in Schwamendingen-Mitte, Langstrasse, Hard und Seebach. Gleichzeitig ist man aber in der Hard auch sehr positiv gestimmt bezüglich der Veränderung im Quartier. Die negativste Veränderung empfinden die Einwohner:innen Leimbachs.

Ebenfalls erhoben wurde die Wohnortsbeliebtheit. Ein hier interessanter Ausreisser findet sich zwischen Einkommenskategorien: Sehr gerne, und das auch sehr konstant, wohnen in Zürich 76 Prozent der Menschen mit Haushaltseinkommen über 120 000 Franken brutto pro Jahr. Bei Menschen mit Einkommen unter 60 000 sind es unter «sehr gerne» nur 66 Prozent, während es 2021 noch 73 Prozent waren. Weiter geben Ausländer:innen der hiesigen Lebensqualität eher Bestnoten als Schweizer:innen. Aufs Podest der beliebtesten Angebote und Einrichtungen schafften es die öffentlichen Verkehrsmittel, Einkaufsmöglichkeiten und die postalische Versorgung, die Top 3 knapp verpasst haben der Ausgang, die Kulturangebote sowie Sportanlagen und Schwimmbäder. Wenig Zufriedenheit wurde gegenüber dem Wohnungsangebot geäussert, wobei 31 Prozent die schlechteste Note erteilten – vor zwei Jahren waren das nur lediglich 18 Prozent. Die Bestnoten waren derweil stets so wenige, dass der flachgedrückte Balken in der Grafik die Zahl nur in den Jahren 1999 und 2007 knapp darstellen konnte.

Am meisten Sorgen bereiten der Stadtbevölkerung zwei Themen: Wohnraum und Verkehr, jeweils mit 50 Prozent der Nennungen, die Lebenshaltungskosten liegen abgeschlagen mit 13 Prozent dahinter. Bezüglich Verkehr freut man sich im Osten am wenigen Lärm, im Zentrum und Westen sieht es anders aus. Die tägliche öV-Nutzung bei 35 Prozent der Befragten ist sechs Prozent höher als vor zwei Jahren, auch beim Velo gibt es ein zweiprozentiges Plus auf 14 Prozent, die Autonutzung ist gleichgeblieben und seit 2015 nur um 4 Prozent auf 7 Prozent gesunken. Am wenigsten Bestnoten zur Verkehrssituation geben Velo- und Autofahrer:innen mit 7 respektive 6 Prozent, am meisten Bestnoten erhält mit Abstand der öV.

Das Sicherheitsgefühl, nachts zu Fuss im eigenen Quartier umzugehen, wurde mit 85 Prozent «eher sicher» oder «sehr sicher», fast äquivalent zu Vorjahreswerten, bestätigt und ist nach Geschlecht sowie Alterskategorie nur sehr leicht verändert. Dennoch meiden nur 47 Prozent der Personen, die nachts alleine zu Fuss unterwegs sind, keine Orte. Das sind überwiegend Männer mit 62 Prozent, bei den Frauen sind es nur 30. Am meisten gemieden wird die Langstrasse. Belästigt wurden überwiegend Frauen, besonders in Restaurants und Bars sowie im öV und an Grossveranstaltungen. Auf der Strasse gab es keine Geschlechterunterschiede, Männer wurden jedoch im Park und an der Seepromenade öfter belästigt. Hier handelte es sich insbesondere um tätliche Angriffe, denen Frauen weniger oft ausgesetzt waren, diese waren jedoch deutlich mehr von anzüglichen Blicken, Nachpfeifen, sexistischen Sprüchen, Nachlaufen, Berührungen und obszönen Gesten betroffen.

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