Messianisch

Reinaldo Marcus Green glückt das Kunststück, die Musik von Bob Marley und dessen politisches Gewicht miteinander zu verknüpfen.

Ein Jahr nachdem der letzte äthiopische Kaiser Haile Selassie verstorben war, den die Rastafari als Messias verehren, befand sich Jamaika in grössten politischen und teils gewaltsamen Unruhen. Vier Jahre zuvor glückte der Peoples National Party unter Michael Manley ein elektoraler Umsturz, der die Jamaica People Party unter zuletzt Hugh Shearer von der Macht ablöste. Zum Streit über die Machthoheit kam 1976 eine gewaltsam ausgetragene Fehde zwischen zwei rivalisierenden Banden. In diesem gefährlichen Kippmoment trat Bob Marley (Kingsley Ben-Adir) mit den Wailers allen Warnungen zum Trotz zu einem Versöhnungskonzert unter sämtlichen Jamaikaner:innen unter dem Titel «Smile Jamaica» auf. Das Konzert musste wegen einer Schiesserei abgebrochen werden. «Jah will protect us», war Bob Marleys gottgefälliges Mantra, aber es war sein Mitmusiker und späterer Manager Tyrone Downie (Tosine Cole), der die Kugeln abfing, als die ganze Band und die erweiterte Familie in Bob Marleys immer für alle offenen Haus überfallen wurde. Obschon seine Lebensliebe und Seelenverwandte Rita Marley (Lashana Lynch) nach diesem Überfall in Lebensgefahr schwebte (ihre Rastahaare stoppten die Kugel), er sie also im Ungewissen zurücklassen musste, hörte er diesmal den warnenden Stimmen zu und floh aus der Schusslinie nach London. Im dortigen Exil wurde er vom Labelmanager Chris Blackwell (James Norton) hofiert, nahm das Album «Exodus» auf, das entgegen aller Befürchtungen des Labels zum Grosserfolg wurde und träumte weiter seinen grössten Traum einer Afrikatournée. Der Erfolg führte dazu, dass er in der englischen High-Society herumgereicht wurde und bei all dem Glamour auch Gefahr lief, die Verbindung zu seinen Wurzeln zu verlieren. Weil in keinem afrikanischen Land eine entsprechende Infrastruktur für eine solche Grossveranstaltung wie ein Bob-Marley-Konzert bereitstand und es für die Plattenfirma einträglicher war, ihn zuerst durch Europa und die USA touren zu lassen, zeigte er sich geduldig. Erst als er die Selbstbereicherung von Tyrone Downie durchschaute und ihn beide Bosse der rivalisierenden Gangs auf Jamaika regelrecht anflehten, erneut den Versuch eines Versöhnungskonzertes zu unternehmen – auf dessen Bühne sich auch die rivalisierenden Politiker die Hand reichen sollten – kehrte er für das Grande Finale heim. Die qualitativ hochstehende Musikspur des Films und die Einbettung der politisch-religiösen Texte in ihren Kontext machen «Bob Marley: One Love» zu einem Ereignis.

«Bob Marley: One Love» spielt in den Kinos Abaton, Arena, Corso, Frame.

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