Abfallberg soll Rohstoffmine werden

Das Zürcher Baugewerbe soll ein wichtiger Rohstofflieferant für die Industrie werden: Indem Bauabfälle statt verbrannt künftig dank neuester Technologie konsequenter als bisher aussortiert und als Sekundärrohstoffe aufbereitet werden. Mit der Aktualisierung ihrer Abfall- und Ressourcenstrategie hat die kantonale Baudirektion auch der bislang von der Schliessung bedrohten KVA Horgen eine Dauerbewilligung erteilt.

Wie das weit aufgerissene Maul eines Raubtiers taucht die Baggerschaufel in den Abfallhaufen. Und schnappt sich dort aus dem angelieferten Gewerbekehricht einen Happen nach dem andern aus Sperrgut, Bodenplättli, Plastik, Metall, Lumpen oder Karton und hievt die wenig appetitliche Fracht dann jeweils in einen Metalltrichter. Von dort wird das Material mit einem Transportband zehn Meter in die Höhe befördert. Und dann in einer mächtigen Durchlaufmaschinerie erst geschreddert und dann mittels Infrarotkamera, riesigen Magneten oder etwa Druckluft aufgesplittet – in wiederverwertbare Stoffe etwa für die Zement-, Papier-, Holz oder Kunststoffindustrie. Das vollautomatische und kantonsweit modernste Sortierwerk der Firma Schneider Umweltservice in Volketswil bildete letzthin die anschauliche Kulisse für eine Medienkonferenz, an der die kantonale Baudirektion aufzeigte, wie sie mit dem für die nächsten fünf Jahre aktualisierten Massnahmenplan «Abfall- und Ressourcenwirtschaft» die Abfallflut bändigen und die Umwelt schonen will. Nämlich indem noch stärker als bisher Abfall vermieden oder recycliert wird. Und indem vor allem dank neuer Technologien – wie in Volketswil angewendet – verwertbare Materialen noch stärker als bisher zu sogenannten Sekundärrohstoffen aufbereitet und der Kreislaufwirtschaft zugeführt werden, wie Balthasar Thalmann, stellvertretender Chef des Amtes für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel) ausführte.

Bauabfälle besser nutzen

Abfall-Vermeidungskampagnen und Separatsammlungen zeigen zwar im Kanton Zürich durchaus Wirkung, meinte Thalmann. Gleichwohl landen noch immer rund 40 Prozent der Abfälle in einer KVA oder auf einer Deponie. Doch die Menge an Haushaltkehricht pro Kopf und Jahr sank von 700 kg im Jahr 2006 auf unter 500 kg bis 2022. Mit 1500 kg pro Kopf und Jahr oder 64 Prozent der Gesamtmenge fallen indes die Abfälle der Bauindustrie ungleich stärker ins Gewicht. Unter dem Strich nimmt die verbrennbare Abfallmenge denn auch wegen des Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums weiterhin zu. Allerdings künftig wohl nicht mehr so stark, wie noch vor fünf Jahren vorausgesagt. So rechnet man beim Awel heute damit, dass im Jahr 2035 statt der bislang prognostizierten 830 000 Tonnen Abfall pro Jahr nur noch 790 000 Tonnen in zürcherischen KVA-Öfen landen. Voraussetzung dafür ist freilich, dass die nun angestrebten Massnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft mittels besserer Ausscheidung und Nutzung von Bauabfällen oder etwa auch dank dem Ausbau von Separatsammlungen für Bioabfall und Kunststoff die erhofften Resultate bringen. Seit Kurzem nimmt auch das Deponiegut etwas ab – ein Trend, den der Kanton mit schärferen Auflagen bei der Entsorgung noch verstärken will, wie Thalmann erklärte.

Erleichterung im Bezirk Horgen

Obwohl der Kanton längerfristig mit etwas weniger Verbrennungsmaterial rechnet als ursprünglich angenommen, will er weiterhin an allen fünf KVA-Werken in Zürich, Winterthur, Dietikon, Hinwil und Horgen festhalten. Horgen bekommt dabei statt der bislang bloss befristeten und provisorisch verlängerten, nunmehr eine definitive Betriebsbewilligung, wie dies das Awel den Betreibern im Herbst 2023 zumindest schon mal provisorisch in Aussicht gestellt hatte (P.S. berichtete). Das ist insofern von Bedeutung, als dass der Kanton davor eine vor Jahren schon ausgesprochene Stilllegung zwar wiederholt hinausgeschoben, aber zum Ärger der Bezirksgemeinden und des Zweckverbands Entsorgung Zimmerberg nie zurückgenommen hatte. Über den Dauerbetrieb und eine entsprechende Richtplanänderung muss nun allerdings noch der Kantonsrat befinden. Das Einlenken des Kantons rechtfertigt man beim Awel damit, dass man vor zehn Jahren die Kleinanlage am linken Seeufer als unwirtschaftlich, wenig effizient und auch nicht sonderlich ökologisch und innovativ eingestuft habe. «Horgen aber hat seither den Gegenbeweis angetreten», lobte Thalmann. Im linksufrigen Bezirkshauptort hat man den Entscheid denn auch mit grosser Genugtuung aufgenommen. Weil damit nach der bislang drohenden Schliessung nun auch «eine Zeit der Ungewissheit, die Investitionen gehemmt und verteuert hat», zu Ende gehe, wie Entsorgung Zimmerberg festhält. Nun könne man weiter in die Zukunft der Anlage «die punkto Ökologie und Innovation zu den Topstandorten der Schweiz zählt», investieren.

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