Kinds‹wohl›

Während der Papst seine Felle davonschwimmen sah, setzte er ein Machtexempel. 

Vergegenwärtigt man sich, dass nur fünfzig Jahre später die Begründung von Papst Pius IX., weshalb der jüdische Knabe Edgardo Mortara (als Kind: Enea Sala, als Mann: Leonardo Maltese) seiner Familie entrissen, seiner Kultur entfremdet und in eine römisch-katholische Priesterkarriere gepresst werden ‹musste› – jede, auch eine heimliche Taufe gegen den eigenen Willen mache ihn zum «christo in eterno» – keinen Pfifferling mehr Wert war, wenn sich Jüd:innen per Konversion vor der Vernichtung der Nationalsozialisten retten wollten, wird die Anmassung in Marco Bellocchios «Rapito» erst kolossal. Pius IX. galt noch als König der Christen und sein bis dato umfassender Einfluss auf das sich gerade im Umbruch zum unabhängigen Nationalstaat befindliche Italien, ergo der Welt schwand in Windeseile dahin. Also musste ein Exempel der Macht her, auf Biegen und Brechen.

Dass Gehirnwäsche mittels Einbläuung von Dogmen und einer rigiden Abschottung funktioniert, ist nicht neu, und dem Film gemäss war Edgardo nur einer unter vielen Knaben, die vom römisch-katholischen Klerus in seinem Sinn zurechtgebogen wurde. Nur dass seine Geschichte historisch durch mehrere Publikationen verbrieft ist. Anhand der gut vernetzten und einflussreichen Familie Mortara erläutert das Drehbuch, wie ausweglos jeder Ansatz zur Befreiung aus dieser Maschinerie war. Weder das Flehen der Mutter (Barbara Ronchi) noch die Mobilisierung sämtlicher Verbindungen zur katholischen und jüdischen Geistlichkeit durch den Vater (Fausto Russo Alesi) und schon gar nicht die öffentlichkeitswirksame Einmischung des jüdischen Weltkongresses auf der obersten nur denkbaren weltpolitischen Bühne vermochten irgend etwas gegen diese Kindsentführung auszurichten. Es wirkt vielmehr so, als ob gerade die Intensität der Gegenwehr die Haltung der Gegenseite umso mehr in eine totale Versteifung des Rechthabens nochmals befeuert habe. Ein kolossale und eindringliche Tragödie. froh.

«Rapito» spielt in den Kinos Frame, Movie.

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