Wohnen auf derselben Wellenlänge

Im Februar 2024 ziehen an der Renggerstrasse in Zürich-Wollishofen die ersten 29 Bewohner:innen ins umfassend erneuerte Renggergut. Sie finden dort nicht nur eine bezahlbare Alterswohnung, sondern werden Teil eines innovativen Wohnmodells.

Das Renggergut gehört der gleichnamigen Stiftung, und bekannt ist es einigen wahrscheinlich wegen des Restaurants Renggergut der Stiftung Arbeitskette, das bis vor zwei Jahren dort eingemietet war. Der Auszug des Restaurants sei wegen Platzmangels und Renovationsbedarfs erfolgt, erklärt Claudia Nielsen. Die ehemalige SP-Stadträtin ist Geschäftsführerin der Stiftung Renggergut.

Die Häuser an der Renggerstrasse 68 und 70 haben Jahrgang 1911, wie der Webseite der Stiftung Renggergut, hinter der die Familie Hungerbühler steht, zu entnehmen ist: Bruno Hungerbühler kaufte die beiden Häuser Mitte der 1950er-Jahre für ein Altersheim. 1975 legte Theo Hungerbühler die Häuser zusammen, modernisierte sie und führte sie in die gemeinnützige Stiftung über. Das Altersheim musste 1999 schliessen, worauf das Renggergut als Jugendwohnraum und durch das Restaurant genutzt wurde.

Für Menschen über 55

Doch der Stiftungszweck lautete und lautet gemäss Handelsregister immer noch, dass die Stiftung «die Schaffung von günstigem Wohn- und Arbeitsraum zu Selbstkosten für alte, kranke oder behinderte Menschen» bezweckt. Und genau das soll das Renggergut nach der bald abgeschlossenen umfassenden Erneuerung wieder bieten: Selbstbestimmt und gleichzeitig gemeinschaftlich wohnen in der zweiten Lebenshälfte, konkret für Menschen ab 55 – zahlbar und doch zentral in der Stadt, nahe am See und an Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf sowie mit dem öV gut erschlossen.

Neu gibt es im Renggergut 21 Wohnungen, wovon 13 Platz für eine Person bieten und acht für zwei Personen. Dazu kommen ein Gemeinschaftsraum mit grosser Küche sowie vier Gewerberäume im Erdgeschoss. Diesen Gemeinschaftsraum sowie das Gästezimmer können auch Externe mieten, was den Austausch mit dem Quartier und anderen Menschen fördern soll. Vier weitere Gemeinschaftsräume hingegen sind den Wohnungsmieter:innen vorbehalten: Familienküche, Bewegungszimmer, Gartenzimmer und Jokerzimmer. Auf letzteres ist Claudia Nielsen besonders stolz, denn «die Mieter:innen werden selber bestimmen, was sie mit diesem wunderschönen Raum machen werden».

Einige Wohnungen sind gemäss den kantonalen Wohnbaurichtlinien subventioniert. Die günstigste nicht-subventionierte Wohnung kostet 1150 Franken netto. Wie üblich in alten Häusern, die «weiterverwendet» werden, gleicht keine Wohnung der anderen, aber alle haben mindestens einen (kleinen) Balkon. Ein Beispiel: Eine schöne, nicht subventionierte 2½-Zimmer-Wohnung für zwei Personen mit 62,5 Quadratmetern Fläche, sieben Quadratmetern Anteil an den Gemeinschaftsflächen sowie zwei Balkonen gibt es für 1800 Franken netto. Dazu kommt die grosse Dachterrasse, die alle nutzen dürfen – und die auch alle nutzen können, egal, ob sie an Stöcken gehen oder auf den Rollator angewiesen sind, denn sie ist per Lift und ab selbigem ebenerdig erreichbar. 

Eigene Wohnung und soziale Kontakte

Doch die bezahlbaren Mieten sind bei Weitem nicht der einzige Grund, im Renggergut zu wohnen: «Unser Ideal ist es, dass ältere Menschen nicht einfach irgendwo eine zahlbare Wohnung haben sollen», erklärt Claudia Nielsen. «Denn gerade Menschen, die keine Kinder in der Nähe haben und nicht mehr arbeiten gehen, laufen Gefahr, ohne soziale Kontakte auskommen zu müssen.» Doch um gesund zu bleiben, seien soziale Kontakte unabdingbar, betont die ehemalige Vorsteherin des Gesundheits- und Umweltdepartements: «Deshalb wollte die Stiftung das Renggergut nicht ‹nur› umfassend erneuern, sondern gleichzeitig dafür sorgen, dass die Bewohner:innen quasi automatisch miteinander in Kontakt kommen.» Das werde auch gelingen, freut sich Claudia Nielsen: «Man trifft sich am Gemeinschaftsdrucker, in der Bibliothek, im Waschsalon, im Gemeinschaftsraum mit Küche für gemeinsames Kochen, im Lift, auf der Dachterrasse… und die Menschen, die im Februar 2024 einziehen werden, haben bereits erste Kontakte geknüpft.» Der Bezug zu Wollishofen und der Stadt Zürich und die Vorstellung, sich auch mal gegenseitig zu unterstützen, bildeten eine gemeinsame Basis, fügt sie an. Eine weitere Besonderheit dürfte zusätzlich dafür sorgen, dass die Bewohner:innen ungefähr auf derselben Wellenlänge liegen: Das Renggergut ist autofrei, alle mussten unterschreiben, dass sie kein Auto haben. 

«Immense Nachfrage»

«Aufgrund der immensen Nachfrage nach diesem innovativen Wohnmodell interessiert sich die Stiftung für den Erwerb einer Liegenschaft ähnlicher Grösse oder grösser im Raum Zürich», heisst es auf der Webseite des Renggerguts. So schlimm? Claudia Nielsen nickt: «Wir hätten jede Wohnung viele Male vermieten können.» Nebst der aktuellen Lage auf dem Wohnungsmarkt und dem «attraktiven Wohnmodell» sieht sie einen Grund für den grossen Andrang darin, dass die Stiftung die nicht-subventionierten Wohnungen mit Kostenmiete vermietet, aber ohne zusätzlich zu erfüllende finanzielle Bedingungen. Dies im Gegensatz zur Stadt, wo seit dem 2019 in Kraft getretenen neuen Mietreglement auch bei den nicht-subventionierten Wohnungen mit Kostenmiete Einkommens- und Vermögenslimiten gelten. Diese könnten dazu führen, dass zwei ältere Menschen, die je für sich die Bedingungen locker erfüllen würden, zusammen «zu reich» seien für eine städtische Wohnung, erklärt Claudia Nielsen – und das trotz unterdurchschnittlichen AHV- und Pensionskassenrenten. Bleibt also zu hoffen, dass der Wunsch der Stiftung nach einer weiteren Liegenschaft bald in Erfüllung geht…

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