Keine Wohnungen – aus gutem Grund

Am vergangenen Montag hat die Stadt Zürich den Masterplan «Seeufer Wollishofen» vorgestellt. Von der Quartierbevölkerung gab es Beifall dafür, dass in Zukunft doch keine weiteren Wohnungen vorgesehen sind. Von der Kibag nicht.

Stadtrat André Odermatt mahnte gleich zu Beginn der Infoveranstaltung, dass der Masterplan nur der Anfang eines langen und sorgfältigen Prozesses sei, der alle Beteiligten miteinbeziehen soll. Mit ihm existiere aber immerhin ein behördenverbindlicher Plan. Die Quartierbevölkerung in einem gut gefüllten Saal neben der St. Franziskuskirche schien während der ersten Viertelstunde angespannt, trotz eines aussichtsreichen Überblicks zu laufenden Projekten am linken Seeufer von Stadträtin Simone Brander. Das Warten galt der entscheidenden Frage nach den Wohnungen auf dem Kibag-Areal. Katrin Gügler, Direktorin des Amts für Städtebau, beantwortete sie kurz später: «Das Seeufer Wollishofen soll als Ort für Kultur, Soziokultur und Gewerbe gestärkt werden – ohne zusätzliche Wohnungen», weil dies heutigen öffentlichen Interessen widerspräche. Die Sonderbauvorschriften sollen deshalb aufgehoben und eine neue Nutzungsplanung erarbeitet werden. Nach der Applauspause ging man unter merklich besserer Stimmung im Saal zu den Details über. 

Der Masterplan sieht zum Beispiel vor, die Verbindung Landi- und Savera-Wiese über der Werft neu zu gestalten und auch einen besseren Zugang zum durch Strasse und Gleisfeld abgeschnittenen Quartier einzurichten. Auch ein zweiter Zugang zur Savera-Wiese wäre sinnvoll. Direkt hinter der Wiese: Der sich bereits im Bau befindende Neubau der Karmon AG, damit auch viel Konfliktpotenzial, weshalb ein Übergangsbereich gestaltet werden soll. Auch eine Energiezentrale sowie eine Seewasserfassung sollen Platz finden, ebenso mehr Kulturangebote. Weiter soll der Grünraum auf den vorderen Teil des Kibag-Areals erweitert werden – bis zur Roten Fabrik. Für den restlichen Teil des Kibag-Areals ist als Nutzungsschwerpunkt Gewerbe vorgesehen, also keine Wohnungen. Dass das die Kibag und Bürgerliche nervt, ist klar. Die NZZ fasst zusammen: «Für Grundeigentümer auf dem Platz Zürich sind Wohnungen Gold. Gewerbebauten sind bestenfalls Bronze.» Das stimmt: Vor allem, wenn die Wohnungen wie nebenan über 7000 Franken für eine Pärliwohnung mit Büro kosten. 

Affront für die Kibag

Die Kibag hatte indes vor wenigen Monaten, als die Verkündung des Masterplans schon kommuniziert war, eine eigene Idee vorgestellt (P.S. berichtete am 14.7.23). Auch mit einer Freihaltezone vorne, aber mit Wohnungen hinten. Nur noch 70 statt wie zuvor gewünscht 200. André Odermatt ging nur kurz darauf ein: «Es steht jeder Eigentümerin frei, selbst Ideen zu entwickeln», die Grundlage für den Masterplan sei aber die letztjährige partizipative Testplanung. Bei der hatte sich die Kibag wenig kooperativ bezüglich dem Hauptanliegen «keine Wohnungen» gezeigt. Auch klar wird aber: Der Masterplan ist mehr Verhandlungsbasis als Weisung. Denn es ist nicht so, als hätte die Kibag gar nichts mehr zu melden. In der NZZ ist sie dieser Möglichkeit schon jetzt nachgekommen – und stellt sich nach wie vor quer, wenn es um die Berücksichtigung aller anderen Interessen ausser den eigenen geht. Für die Firma sei, so heisst es in der NZZ, die gleichgestellte Einbringung in den Planungsprozess neben allen anderen Parteien ein Affront – anscheinend weil ‹sogar› die Seepfadi mit am Tisch war? Der Kibag-Finanzverantwortliche Martin Kühn wird folgend zitiert: «Es ist schade, dass die Stadt uns keine wirkliche Möglichkeit gegeben hat, die neue Planung mitzugestalten.» Also trotz Testplanung und der Einladung, eine gemeinsame Vertiefungsstudie durchzuführen. Weiter heisst es auch: «Für uns scheint es keine andere Möglichkeit zu geben, als den Status quo zu belassen und auf viele weitere Jahre ein Betonwerk auf einem geschlossenen, nicht öffentlich zugänglichen Areal zu betreiben.» Bis 2030 muss der Status quo übrigens ohnehin belassen und das Betonwerk betrieben werden. Und obwohl teils von «Enteignung» die Rede ist, geht es hier primär nur darum, was eine Motion im Gemeinderat und eine Petition des Quartiervereins gefordert hatte – die Umzonung des Kibag-Areals in eine Industrie- und Gewerbezone mit Freihaltezone im vorderen Teil. So einfach ist das aber auch nicht. Trotz des Beifalls für «keine Wohnungen» – Rekursmöglichkeiten, allfällige Entschädigungspflichten, Referenden und ähnliche Instrumente könnten das Vorhaben durchaus verkomplizieren und vor allem sehr teuer werden lassen. Bei der Stadt heisst es auf Nachfrage, Entschädigungen müssten bezahlt werden, «wenn die Einschränkungen soweit gehen, dass sie wie eine formelle Enteignung wirken», und gegen raumplanerische Massnahmen könnte die Kibag den Rechtsweg beschreiten. Was genau auf dem Areal passiert, hat also auch mit der Bereitschaft der Kibag zu tun, sich andere Vorschläge als den eigenen anzuhören. Die Hoheit über eine Anpassung der Zonierung hat die Gemeinde, aber absolut ist sie nicht und damit der Masterplan ebensowenig. Deshalb war die Wortwahl bei der Stadt wohl auch eher vorsichtig: Die Umzonung wird angestrebt, es sind keine Wohnungen vorgesehen. Ein Anwohner brachte die Unsicherheit auf den Punkt: «Ich hoffe sehr, dass das klappt, was Sie geplant haben.»

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