Horizont kann weit sein

Die Matrosentochter Katharina Gut hat sich jetzt lange genug in Grosshöchstetten zu integrieren versucht. Sie ist es Leid und der Metzgerssohn Georg Schön kam auch nie in die Pötte. Es ist «Aller Tage Abend».

 

Zu Herrn und Frau Meise in den Ästen der Dorflinde ist bei «schön & gut» (Ralf Schlatter und Anna-Katharina Rickert) die Paarung Kälbchen und Mutterkuh hinzugekommen, die eine weitere Perspektive für das sich Wundern über sonderliche Eigenheiten des Menschen ermöglichen. Und dafür gibt es auch in ihrem sechsten Programm ausreichend Material. Wie immer träumt der Dorfkönig Kellenberger grösser als ortsüblich. Mit dem neu erworbenen Grund von Frau Gut kann er endlich seine drei überdimensionierten Windräder bauen und damit Grosshöchstetten wie auch das eigene Ego an die Spitze führen. Auch für die werbewirksame Propaganda hat er sich ein Konzept erdacht, wofür er sich in der Antike bedient, oder sonst einer Epoche, in der Frauen für alles geradestehen mussten. Von der verführerischen Sirene bis zur mit Blicken versteinernden Medusa. Ein auf exakt dieses Fleckchen Erde zurasender Meteor verändert die Gefahrenlage massiv, also auch die Wichtigkeit von bisherigen Nichtigkeiten. Endlich schwört der Metzgerssohn, der auf Vegan umgestellt hat, seine Beziehung zur Matrosentochter neu zu verorten, falls sie diese Tragödie überhaupt überleben sollte. Das ganze Dorf kämpft mit Damenstrümpfen gegen die Schwerkraft. Ihre Elastizität wird glücklicherweise doch nicht auf die Probe gestellt und Schön sieht sofort seine Chance, das in Todesangst geäusserte Versprechen zu übergehen, während im Gut souverän und schonungslos Konter gibt: Sie schlägt den Rollentausch vor. Aus Gründen der Perspektiverweiterung. Schön, der doch schon von seiner neuen, ‹woken› Praktikantin laufend am Gängelband vorgeführt wird, stimmt nur unter Protest zu. Was bleibt ihm auch anderes übrig. Als Neufrau Meise hat Ralf Schlatter richtiggehend Mühe, sich auf dem Schemel neben Neuherr Meise überhaupt oben halten zu können, so raumfüllend breit hat er sich doch in seiner ihm angestammten Rolle überhaupt nie platziert, scheint es ihm. Die Lehrstunde Rollentausch geht aber noch weiter und Frau Guts Begabung zur leichten Übertreibung an der jeweils aufschlussreichsten Stelle fördert eine erst schleichende Erkenntnis in Herrn Schön zutage.

 

Aller Anfang ist schwer. Hier ist er schon mal getan und als langjährig erfolgreich erprobtes Vorbild für lockerleicht wirkende, inhaltlich nicht ganz so oberflächliche Abendunterhaltung übertrifft sich das Duo «schön & gut» zum wiederholten Mal gleich selbst.

 

«Aller Tage Abend», 9.12., Theater Ticino, Wädenswil. www.schoenundgut.ch

 

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