Grüner Januar

Nach mehreren erfolgreichen ‹Veganuaries› blickt die Vegane Gesellschaft Schweiz auf erfolgreiche Kampagnen zurück – und erkennt ein grundlegendes Umdenken im Essverhalten der Bevölkerung. 

 

Sergio Scagliola

 

Der Januar stand für die Lebensmittelbranche ganz im Zeichen der pflanzlichen Ernährung. Aber der ‹Veganuary› ist kein PR-Programm der Industrie, sondern eine internationale Kampagne. Unternehmen können sich daran beteiligen, was meist mit einem Ausbau des veganen Angebots einhergeht. In der Schweiz läuft die Kampagne zu einem grossen Teil über die Vegane Gesellschaft Schweiz. Diese zieht auch dieses Jahr wieder ein durchaus positives Fazit.

 

Es wirkt teils etwas befremdend, wenn die Schweizer Traditionsmarken vermehrt mit Neo-Anglizismen um sich werfen. Die Vegi-Kühlregale sind mit Begriffen wie plant-based plakettiert. Auch visuell sticht die Selektion oft in Grüntönen inmitten der von Rot dominierten Fleischabteilung heraus. Ist das Greenwashing? Versöhnung mit der veganen Konsument­Innen-Gruppe? Oder tatsächlich unternehmerisches Umdenken? Die Vegane Gesellschaft Schweiz stellt zumindest fest: Die treibende Kraft scheint bei den KonsumentInnen zu liegen. Auch ohne Anmeldung beim Veganuary-Newsletter sei in der Schweiz eine Verschiebung im Konsum zu verzeichnen. Schliesslich liesse sich erfahrungsgemäss sagen, dass die bis zu zehnfache Anzahl der Menschen, die nicht beim Newsletter angemeldet sei, im Januar nicht-tierische Ernährung ausprobiere. Die Newsletteranmeldungen liegen bei ca. 10 000.

 

Erfolgsbasis KonsumentInnen

Die Erweiterung der Kampagne im Detailhandel ist also nicht nur zeitgemäss, sondern auch wirkungsvoll. Aber die Kampagne konnte auch in andere Branchen expandieren, besonders in die Gastronomie – mit der ZFV und der SV Group als riesigen Gastronomiegruppen konnten zwei direkte Zugänge zu den KonsumentInnen gewonnen werden. So seien in diesem Januar beispielsweise in Mensen auf einen Schlag sehr viel mehr vegane Menüs serviert geworden. «Auch spannend zu sehen, ist, dass gerade Schweizer Traditionsmarken, die sich bisher etwas gegen die vegane Bewegung gewehrt haben, nun auch gemerkt haben: Dieser Trend ist hier, um zu bleiben.» Auch wenn der Trend über den Januar hinaus besteht: Ein Monat sei ein guter Zeitrahmen, um sich mit veganer Ernährung spielerisch und doch kritisch auseinanderzusetzen. Es gehe schliesslich darum, alte Gewohnheiten zu überdenken und neue zu etablieren, dass man im Idealfall auch über den Veganuary hinaus den Speiseplan zumindest teilweise oder auch ganz umstellen könne. Dass sich das Überdenken des persönlichen Ernährungsverhaltens gesamtgesellschaftlich zeigen lässt, kann Sarah Moser auch an konkreten Zahlen festmachen, die die Vegane Gesellschaft Schweiz in den vergangenen Jahren aufstellen konnte:  «Wir haben da auch wirklich Erfahrungswerte, dass sich ungefähr die Hälfte der Registrierten über den Januar hinaus vegan ernähren und weitere 25 Prozent ihren Fleischkonsum mindestens halbieren wollen. Also es gibt definitiv eine Auswirkung, die nicht nur lokale, sondern auch internationale Bedeutung hat. Spannend ist, dass nur schon die kollektive Wirkung der internationalen Veganuary-TeilnehmerInnen enorm ist. Beispielsweise: Wenn eine Million TeilnehmerInnen weltweit mitmachen, werden 103 840 Tonnen CO2-Äquivalente und 6,2 Millionen Liter Wasser gespart und 3,4 Millionen Tierleben verschont – allein in einem Monat.»

 

Symbolische Unternehmenspolitik?

Ein veganer Monat ist also nicht nur Besänftigung des eigenen Gewissens. Das schreibt sich auch die Kampagne auf die Flagge. Sie soll nicht Angriff auf die lokale Esskultur, sondern primär Sinnbild für eine spielerische Auseinandersetzung mit einer nachhaltigen, tierfreundlichen aber auch kritischen Esskultur sein. In einer auf Fleisch ausgerichteten traditionsorientierten Lebensmittelindustrie eckt man aber auch an. Das sei zwar zu erwarten, aber der Anspruch sei nicht, die nicht-vegane Lebensmittelindustrie in die Enge zu treiben oder zu zerstören. Wenn sich gewisse Vereinigungen und Verbände durch den Aktionsmonat angegriffen fühlen, zeige das, dass man auf dem richtigen Weg sei, sich mit den Hebelwirkungen unseres Konsums auseinanderzusetzen. Für den alteingesessenen traditionsorientierten Unternehmen bietet sich so auch eine Chance zur Reflexion. 

 

Auch wenn die Werbekampagnen im lokalen Kontext teils etwas hypokritisch wirken, zeigt die gesamte Kampagne, dass das Umdenken in unserer Ernährung ein bedeutendes gesellschaftliches Fundament hat – und die Umsatzzahlen der Detailhändler, dass die Angebotserhöhung mindestens erwünscht ist. Der Veganuary scheint so weniger eine internationale PR-Aktion zu sein, sondern mehr eine Reaktion auf eine grundlegende Verschiebung bei den KonsumentInnen. Denn auch wenn der Aktionsmonat eine nützliche Konfrontation mit dem eigenen Essverhalten ist, gerade weil man einen Monat lang mit grüner Bildsymbolik beworfen wird: Vegan ernährt wird auch ganzjährig. 

 

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