Goldene Fallschirme, grüner Teppich

Der Zürcher Gemeinderat hat sich mit goldenen Fallschirmen und dem Filmfestival mit dem grünen Teppich befasst und ein Postulat überwiesen, das dafür sorgen helfen soll, dass alle Anspruchsberechtigten ihre Krankenkassenprämienverbilligung bekommen.

 

An seiner letzten Sitzung vor den Sportferien und gleichzeitig der letzten in der eisgekühlten Halle 9 der Messe Zürich befasste sich der Zürcher Gemeinderat am Mittwochabend mit einer alten Geschichte: Bereits an seiner Sitzung vom 23. März 2022 hatte er über eine Teilrevision der Verordnung über Abgangsleistungen für Behördenmitglieder beraten und diese auch angenommen (siehe P.S. vom 25. März 2022). Statt wie zuvor maximal 4,8 Jahresbruttolöhne (bei unfreiwilligem Abgang nach acht und mehr Amtsjahren) beträgt die höchstmögliche Entschädigung seither noch 1,8 Jahresbruttolöhne. 

 

Per Begleitmotion von Luca Maggi und Roland Hurschler (beide Grüne), die der Rat ebenfalls überwies, kam damals folgendes Begehren durch: Die Verordnung soll nur noch für Mitglieder des Stadtrats gelten. Die übrigen Behördenmitglieder solllen den einschlägigen Bestimmungen des Personalrechts unterstellt werden. Zu dieser Motion arbeitet der Stadtrat aktuell entsprechende Vorlagen aus. Am 12. Mai 2022 wurde nichtsdestotrotz die Volksinitiative der SVP, «Keine goldenen Fallschirme für abtretende Behördenmitglieder», eingereicht. Sie verlangt unter anderem Abgangsentschädigungen nur bei unfreiwilligem Ausscheiden aus dem Amt, nur für Mitglieder des Stadtrats und maximal ein Jahressalär.

 

Zur Vorlage, über die der Rat am Mittwoch zu befinden hatte, erklärte Kommissionssprecher Luca Maggi, die vom Gemeinderat bereits beschlossenen Änderungen seien seit dem 1. September 2022 in Kraft, und für die noch hängige Motion sei die Umsetzungsvorlage auf Ende Jahr angekündigt. Während der «tiefgründigen Behandlung» in der letzten Legislatur habe sich eine deutliche Mehrheit dafür ausgesprochen, dass es auch bei freiwilligem Rücktritt Entschädigungsleistungen geben solle. Dass die Verordnung nur noch für Stadtratsmitglieder gelten solle, sei Gegenstand der erwähnten hängigen Motion und zudem der Gegenvorschlag des Stadtrats zur Initiative. Auch die Höhe der Entschädigungen sei bereits reduziert worden. Die Mehrheit der Kommission lehne deshalb die Volksinitiative ab und heisse den Gegenvorschlag gut.

 

Martin Götzl (SVP) entgegnete, hohe Abgangsentschädigungen für Behördenmitglieder seien «falsch und gehören abgeschafft».Er erinnerte an die früheren «fürstlichen» Entschädigungen für den «Abzockerclub», zu dem er den ehemaligen Schulpräsidenten Roberto Rodriguez und die ehemalige Stadträtin Claudia Nielsen von der SP sowie die ehemaligen StadträtInnen Monika Stocker von den Grünen und Gerold Lauber von der CVP (heute Mitte) zählte. Was genau daran verkehrt ist, wenn jemand eine Entschädigung erhält, die ihm oder ihr gemäss gültigem, vom Gemeinderat verabschiedeten Reglement zusteht, erklärte er nicht. Dafür ärgerte er sich darüber, dass erst die «wahltaktische» Motion behandelt werde, bevor der Souverän über Initiative und Gegenvorschlag bestimmen könne… was Luca Maggi mit den Worten kommentierte, so viele Falschaussagen in ein Votum zu bringen, sei eine beachtliche Leistung. Man habe die Vorlage im März 2022 extra noch «durchgepeitscht», um nicht jetzt, in der neuen Legislatur, nochmals bei Null anfangen zu müssen. Zudem habe die SVP die von ihr beklagte Verzögerung selbst verursacht. Hans Dellenbach (FDP) fügte an, es komme selten vor, dass er mit Luca Maggi einig sei, doch die Initiative sei zum grössten Teil umgesetzt. Die noch bestehenden Unterschiede seien so klein, dass die Initiative längst hätte zurückgezogen werden müssen. Ivo Bieri (SP) befand, wenn Martin Götzl schon eine Liste mit Personen vorstelle, hätte er am Anfang derselben beginnen müssen: Angeführt werde sie nämlich von einem SVP-Mitglied, das seine Entschädigung von über 900 000 Franken, das Maximum von 4,8 Jahressalären, vor Gericht erstritten habe… Nach ausführlicher Debatte lehnte der Rat die Volksinitative mit 91:30 Stimmen (von SVP und GLP) ab und hiess den Gegenvorschlag mit 121:0 Stimmen gut.

 

Erhöhung und Verbilligungen

Mehr Geld soll das Zürich Film Festival (ZFF) bekommen: Der Stadtrat hatte für die Jahre 2023–2026 einen wiederkehrenden Beitrag von jährlich 450 000 Franken beantragt. Wie Kommissonssprecherin Sabine Koch (FDP) ausführte, hatte das ZFF eine Erhöhung des bisherigen Beitrags von 250 000 Franken um 350 000 auf 600 000 Franken beantragt. Der Stadtrat entschied jedoch, dem Gemeinderat eine Erhöhung auf 450 000 Franken beliebt zu machen. In der Kommission passierte dann etwas höchst Ungewöhnliches, wie Stefan Urech (SVP) erklärte: Seine Fraktion beantragte eine Erhöhung um 50 000 auf 500 000 Franken und begründete dies mit dem Thema Filmwissenschaft und dem diesbezüglichen Angebot des «ZFF für Kinder» sowie «ZFF für Schulen» (und damit auch für Lehrer wie Stefan Urech). Nach eingehender Debatte dieser Vorlage sowie zweier Begleitpostulate – von Balz Bürgisser und Monika Bätschmann (beide Grüne) für eine «umwelt- und klimafreundliche Durchführung des ZFF» sowie von Moritz Bögli und Mischa Schiwow (beide AL) für die «Unterstützung der in Zürich stattfindenden Filmfestivals mit zusätzlichen Betriebsbeiträgen im ähnlichen Rahmen wie das ZFF» – sprach sich der Rat mit 77:42 Stimmen (von GLP, Mitte-/EVP und Grünen) für die Erhöhung auf 500 000 Franken aus und überwies beide Postulate.

 

Mit einem dringlichen Postulat verlangten die AL-, Grüne- und SP-Fraktion die «Orientierung und Unterstützung» jener Menschen, die Anspruch auf die Verbilligung der Krankenkassenprämien haben (vgl. auch Seite 10 dieser Ausgabe). Der Stadtrat solle die potenziellen BezügerInnen darauf hinweisen, dass man die Verbilligung fürs 2022 noch bis Ende März 2023 beantragen kann. Walter Angst (AL) führte aus, dass nach einem Systemwechsel fürs Jahr 2022 nur noch 72 Prozent der Berechtigten das neue, komplizierte Formular ausgefüllt und eingereicht hätten. Das sei ein «dramatischer Rückgang» von weit über 100 000 Menschen, die Anspruch hätten. Diese Menschen hätte gleichzeitig ein «sehr grosses Bedürfnis», es seien beispielsweise Armutsbetroffene und Mi­grantInnen, und sie sollten die Unterstützung auch tatsächlich bekommen. Die diesbezügliche Kampagne der AL zeige Wirkung: Das ‹Regionaljournal› habe soeben vermeldet, die SVA werde nun allen, die aufgrund ihrer Daten Anspruch hätten, aber kein Gesuch eingereicht hätten, einen Brief schreiben. Damit sei der erste Teil des Postulats erfüllt, doch ein Brief, der darauf verweise, online auf ein kompliziertes Formular gehen zu müssen, reiche nicht. Die Stadt solle nach wie vor «geeignete Massnahmen» einleiten, um möglichst alle zu erreichen. Mit 61:59 Stimmen (von SVP, FDP, GLP, Mitte-/EVP) überwies der Rat das dringliche Postulat.

 

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