Entschädigungen und Urlaub

Der Zürcher Gemeinderat will sich höhere Entschädigungen auszahlen und überwies eine Motion für einen vorgeburtlichen Urlaub.

 

An seiner Doppelsitzung vom Mittwochabend befasste sich der Zürcher Gemeinderat zuerst mit der Tagesaktualität beziehungsweise den Berichten in NZZ und ‹Tages-Anzeiger› zur Vergabepraxis der Stadt im Fall der Badibeiz ‹Primitivo› am Oberen Letten und des Kiosks in der Badi Utoquai. An beiden Orten haben die PächterInnen den Zuschlag nicht mehr erhalten. Im Fall des Utoquai läuft eine Unterschriftensammlung «gegen die Monopolisierung der Eventgastronomie in städtischen Betrieben». In einer persönlichen Erklärung sagte Stadtrat Daniel Leupi, natürlich sei es eine «emotionale Sache, wenn die Lieblingsbeiz verschwindet». Dafür habe er «volles Verständnis». Kein Verständnis hingegen habe er, «wenn Fakten verdreht werden». Der Stadt Zürich gehörten 80 der 3500 Zürcher Gastrobetriebe. Die Stadt betreibe aber weder selber Beizen, noch kaufe sie aktiv Restaurants auf. Die Vergabe erfolge grundsätzlich via öffentliche und transparente Ausschreibungen, was im Übrigen auch gegen Schlüsselgeldzahlungen helfe. Auch die Behauptung, die Stadt vergebe ihre Beizen nur noch an grosse Gastrounternehmen, habe «nichts mit der Realität zu tun», stellte er klar. Flurin Capaul und Dominique Zygmont (beide FDP, wobei es für Zygmont die letzte Tat war – er trat am Mittwoch aus dem Rat zurück) reichten eine schriftliche Anfrage zum Thema ein, die AL-Fraktion doppelte mit einem Postulat nach.

 

Eine gemeinsame Fraktionserklärung von SP, Grünen und AL zum Asylzentrum Lilienberg (siehe auch Seite 6) verlasen Luca Maggi (Grüne) und Walter Angst (AL). Sie schliesst mit dem Hinweis, es liege nun an den ParlamentarierInnen, den «vom Gemeinderat gegen den Willen des Stadtrats eingeforderten Umbau der AOZ zu einer Fachorganisation, die Qualität garantiert», rasch umzusetzen: «Ohne direkte Aufsicht des Gemeinderats über die AOZ wird das nicht gehen.»

 

Roger Suter (FDP) verlas eine gemeinsame persönliche Erklärung der Ratsmitglieder der AL, SP, GLP, Mitte/EVP und FDP aus dem Wahlkreis 4/5: «Mit Bestürzen und Trauer» hätten sie am letzten Freitag vom Tod einer Velofahrerin im Kreis 4 erfahren (siehe auch Kommentar Seite 7). Leider sei es nicht das erste Mal, dass an dieser Stelle ein Mensch sein Leben verloren habe, fuhr Roger Suter fort. Seine Gedanken seien bei der Familie der getöteten Frau, aber auch beim LKW-Fahrer, der nun damit leben müsse, einen Menschen auf seinem Gewissen zu haben. Die Mehrheit der GemeinderätInnen aus dem Wahlkreis 4/5 habe beschlossen, sich gemeinsam der Sache anzunehmen und so schnell und unbürokratisch wie möglich etwas dagegen zu tun, denn: «Menschenleben stehen über der Parteipolitik.»

 

Für höhere Entschädigung …

Mit einem Beschlussantrag verlangten die SP-, Grüne-, GLP-, Mitte-/EVP- und AL-Fraktion die Erhöhung der Entschädigungen und der Spesenvergütungen der Ratsmitglieder. Isabel Garcia (GLP) führte aus, das Thema sei ursprünglich in der gemeinderätlichen IG Frauen aufgekommen, es betreffe aber nicht nur Frauen. Es brauche eine «angemessene Erhöhung» der Entschädigung, denn die Arbeit im Gemeinderat sei aufgrund der zunehmenden Komplexität aufwendiger geworden. Man müsse das berufliche Pensum reduzieren, um die Ratstätigkeit ausüben zu können. Die Einbindung in die 2. Säule müsste «selbstverständlich» sein, fuhr sie fort. Zudem brauche es eine Vergütung der Kinderbetreuung während Kommissions- und Parlamentssitzungen, eine Krankentaggeldregelung und die Vergütung des Assistenzbedarfs von Ratsmitgliedern mit Beeinträchtigungen. Auch ein ZVV-Abo für das Stadtgebiet sollten die GemeinderätInnen erhalten, kurz: «Es darf einem kein finanzieller Nachteil daraus erwachsen, dass man für das Gemeinwesen tätig ist.» Roger Bartholdi (SVP) begründete die Ablehnung seiner Fraktion unter anderem damit, dass man als Ratsmitglied keinen Lohn beziehe, sondern eine Entschädigung. Der Gemeinderat sei ein Milizparlament, und die Teilnahme sei freiwillig. Für die aktuelle fünfstündige Sitzung erhielten die Ratsmitglieder 310 Franken, etwas mehr als 60 Franken pro Stunde, das sei «nicht wenig» und auf jeden Fall mehr, als der Büezer und die Verkäuferin bekämen. Zudem müssten zurzeit alle sparen und unter der Teuerung, den hohen Krankenkassenprämien, Strompreisen etc. leiden, da gehe es nicht an, ausgerechnet dem mit Steuergeldern bezahlten Gemeinderat höhere Entschädigungen auszurichten.

 

Monika Bätschmann (Grüne) sagte, die heutige Entschädigung sei «nicht mehr zeitgemäss» angesichts eines Arbeitsaufwands, der einem 30- bis 40-Prozent-Pensum entspreche. Es gehe nicht an, dass man so viel Freiwilligenarbeit leisten müsse, vor allem angesichts der grossen Verantwortung, die man als GemeinderätIn habe. Und es sei wichtig, dass alle im Gemeinderat mittun könnten, nicht nur jene, die es sich leisten könnten. Barbara Wiesmann (SP) betonte, die Belastung steige, und die Fluktuation sei immer grösser. Eine höhere Entschädigung trüge auch zur besseren Vereinbarkeit von Ratsarbeit, Beruf und Familie bei. Martina Zürcher pflichtete ihr bei, dass die Belastung gestiegen sei. Doch es brauche nun erst eine Subkommission, die sich mit dem Vorschlag auseinandersetze und dann konkrete Anträge stelle. Was zum Beispiel eine «angemessene Entschädigung» sei, darüber dürfte kaum Einigkeit herrschen. Die FDP enthalte sich deshalb der Stimme. Mit 80:13 Stimmen (der SVP) und 18 Enthaltungen (der FDP) überwies der Rat den Beschlussantrag.

 

… und vorgeburtlichen Urlaub

Mit einer Motion forderten Natascha Wey und Marion Schmid (beide SP, erstere nicht mehr im Rat) die Einführung eines vorgeburtlichen Mutterschaftsurlaubs von drei Wochen, was eine Änderung des städtischen Personalreglements bedingt. Marion Schmid argumentierte unter anderem damit, dass die meisten Frauen etwa zwei Wochen vor der Geburt zu arbeiten aufhörten und dafür krankgeschrieben würden. Doch es wäre auch für jene Frauen besser, sich in Ruhe auf die Geburt vorbereiten zu können, die nicht aus gesundheitlichen Gründen früher aufhören müssten. Ausser in der Schweiz gebe es zudem im ganzen EU- und EFTA-Raum einen vorgeburtlichen Urlaub. Martin Götzl (SVP) befand, die Stadt sei bereits eine ausgezeichnete Arbeitgeberin, und zudem erfolge der Vorstoss am falschen Ort: Es brauche, wenn schon, eine gesamtschweizerische Lösung. Tanja Maag (AL) entgegnete ihm, «gesamtschweizerische Lösungen dauern ewig», deshalb gelte es, «eine fortschrittliche Lösung für die Stadt Zürich» zu finden. Sie schlug eine Textergänzung vor, die darauf hinauslief, dass die Vertretung der Person im Mutterschaftsurlaub «verbindlich gesichert» werden soll. Diese Textänderung nahm die SP an, und die so geänderte Motion kam mit 59:51 Stimmen (von SVP, FDP, Mitte/EVP und GLP) durch.

 

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