Eins rauf, eins runter

Es gäbe bestimmt Wichtigeres zu berichten. Aber ich bin nun mal in den Ferien. Das heisst, eigentlich bin ich ja immer in den Ferien, seit ich als Mängelexemplar aus dem Erwerbsleben ausgeschieden bin. Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen … Lachen Sie nur! (Oder stöhnen Sie unter ihrem daily workload hervor.) Es ist jedoch nicht trivial, als workaholischer Mensch mit Sendungsbewusstsein und Geltungsdrang plötzlich auf dem Trockenen zu hocken und ganz privat die rheumatischen Däumchen zu drehen.

Zum Glück bin ich dabei nicht allein! Das Schicksal war gnädig und hat meinen Lebenspartner im zarten Alter von U60 mit early onset Alzheimer bedacht. Das war übel, solange es nicht entdeckt und therapiert war: Zack-bumm – Job weg, Arbeitslosengeld weg, Pensionskasse weg! Und Chaos allüberall. Nun, da seine Medikation richtig eingestellt ist und ausserordentlich gut anschlägt, wursteln wir uns als dussliges Rentnerpaar durch den neu erfundenen Alltag und spielen Tourist:innen im eigenen Land.

Jetzt sind wir tatsächlich verreist… Wer fliegt, ist bekanntlich selber schuld und kann von niemandem Mitleid erheischen, wenns in die Hose geht. Immerhin wird aus gebührendem Abstand fast jede unangenehme Erfahrung zur gelungenen Anekdote. Und so kann ich heute lachend und leise kopfschüttelnd von jenem Abenteuer mit Queasyjet berichten, als mein Rückflug von Montpellier an einem Pfingstsonntag um Mitternacht ausfiel und ich auf einem Feldbett mitten in der Ladenpassage des Flughafens übernachten musste. Tags darauf gabs immer noch keine Rückflüge, dafür eine weitere ad hoc-Übernachtung in einem trostlosen Hotel neben dem Rollfeld. Ich verzichtete und tat mich stattdessen mit zwei jungen Frauen zusammen, die anderntags arbeiten mussten, und in einem Mietauto rösteten wir Nonstop die acht Stunden von Südfrankreich nach Basel durch. Dank zeitigem Aufbruch blieb uns auch der achtzig Kilometer lange Rückreisestau erspart, in den ich exakt fünf Jahre zuvor mit meiner Mutter geraten war (aber das ist eine andere Geschichte).

Die heurigen Reiseturbulenzen kann ich nur mir selber anlasten. Trotz striktem Rennverbot meiner Physio wegen defektem Knie mussten wir mit je 45 kg Gepäck auf den Zug nach Kloten sprinten. Die Gepäckaufgabe bei der Schweizer Blümchen-Airline dauerte ewig (am Abend vorher verpennt …), denn im gebuchten Bulky Item steckten statt der deklarierten Tennisausrüstungen Gitarren, und meine zwei Koffer waren je zwei Kilo zu schwer. Sechzig Franken mussten an einem weit entfernten Schalter bezahlt werden, wo eine Kreuzung aus Schnecke und Schildkröte Dienst hatte. Nun strammen Schrittes zum Sicherheitscheck! Ich war in zwei Minuten durch. Mein Partner hatte den Gürtel an, das Portmonnee in der Hosentasche, und im Handgepäck nicht nur das Necessaire mit Rasierklingen und ausgewachsenen Flaschen voller Flüssigkeiten, sondern auch so obskure elektrische Pedale mit Schaltern und Knöpfen dran, aus denen man wohl Bomben basteln könnte. (Ich hätte das zuhause kontrollieren sollen!) Nun wieder rennen: durch den vollgestopften Duty Free und zum entferntesten Gate. Als wir ankamen, wurde bereits diskutiert, was schneller ginge: Uns noch durchzuschleusen oder unser Gepäck wieder auszuladen. 

Man nahm uns dann doch noch mit – und jetzt sind wir hier im Paradies: bei lieben Menschen, die sofort zu Freunden wurden; in einem kleinen, aber feinen umgebauten Ziegenstall mit Blick aufs Meer und einen uralten Drachenbaum. Die nächsten zwei Monate essen wir Kartoffeln, Zitronen, Mangos, Zwiebeln, Papaya, Lauch, Bananen und Kräuter aus dem «eigenen» Garten. Sonst ist hier absolut nichts los, ausser Sonnenschein, Wind und Wolkenspiel …

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