Damit die Richtigen profitieren

Am Sonntag stimmen wir über die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» ab. Die GegnerInnen betonen, die Umsetzung wäre extrem teuer, und obendrein profitierten die Falschen von günstigen Genossenschaftswohnungen. Da lohnt sich doch ein Blick darauf, wer denn in Sachen Wohnen bereits heute profitiert.

 

Am Dienstag veröffentlichte die Stadt Zürich eine Medienmitteilung zur Neubautätigkeit, die sich 2019 «gegenüber den starken Vorjahren etwas abgeschwächt» habe. Trotz dem insgesamt rückläufigen Wohnungsbau seien jedoch viele neue Genossenschaftswohnungen gebaut worden, hält die Stadt fest. Heisst das nun, dass bereits alles im Lot ist und es die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» von Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz, Wohnbaugenossenschaften Schweiz, SP, Grünen, Gewerkschaften etc. gar nicht braucht?

Im Gegenteil, denn erstens ist die Stadt Zürich nicht die Schweiz – schweizweit beträgt der Anteil von Genossenschaftswohnungen am gesamten Wohnungsbestand nur etwa vier Prozent. Und zweitens hat die Initiative mehrere Ziele: Nebst mindestens zehn Prozent bezahlbarer Wohnungen beim Neubau, also gemeinnützige (Genossenschafts-)Wohnungen mit Kostenmiete, fordern die InitiantInnen auch ein Vorkaufsrecht von geeigneten Grundstücken für Kantone und Gemeinden. Zudem verlangen sie, dass energetische Sanierungen künftig nicht mehr dazu missbraucht werden dürfen, günstige Wohnungen erst leer zu kündigen und sie dann so luxuriös auszubauen, dass sie sich die einstigen MieterInnen garantiert nicht mehr leisten können.

 

Zu teuer und für die Falschen?

 

Den GegnerInnen der Initiative sind diese Forderungen, wen wunderts, ein Graus: Sie widersprächen der Schweizer Wirtschaftsordnung fundamental, seien unflexibel und bürokratisch und kämen einer «sozialistischen Planwirtschaft» gleich. Zur Erinnerung: Es geht um einen Anteil von zehn Prozent… Wie diese zehn Prozent über die anderen 90 Prozent bestimmen könnten, bleibt das Geheimnis der GegnerInnen.

Zudem würde die damit verbundene «Bürokratie» den Prozess der Baueingaben «zusätzlich» verlängern und die private Bautätigkeit sogar bremsen, ist im Argumentarium auf ‹NZZ Online› nachzulesen. Ein Anteil von gemeinnützigen Wohnungen von zehn Prozent aller neu erstellten Wohnungen bedeutete mindestens eine Verdreifachung gegenüber heute, und: «Die Mehrkosten dafür schätzt der Bundesrat auf 120 Millionen Franken pro Jahr».

Auf die 120 Millionen Franken pro Jahr käme man tatsächlich nur dann, wenn man, um den Zehn-Prozent-Anteil zu erreichen, den Fonds de Roulement um diesen Betrag aufstockte. Aus diesem Fonds werden gemeinnützigen Bauträgern zinsgünstige Darlehen für die Erstellung, die Erneuerung und den Erwerb von preisgünstigen Mietobjekten gewährt. Sprich: Das Geld, das man in diesen Fonds steckt, kommt in Form von zurückbezahlten Darlehen zurück, samt Zinsen – aktuell ein Prozent. Oder anders gesagt: Wer weiss, was sie bekommt, wenn sie ihr Geld auf dem Bankkonto parkiert, findet diese angeblichen Kosten nicht allzu schlimm…

Soviel zum Finanziellen. Bleiben «die Falschen», die «wenigen privilegierten GenossenschafterInnen», die angeblich von einer Annahme der Initiative profitieren. Wollen wir das wirklich? Profit für bereits Privilegierte? Nein, wollen wir natürlich nicht. Das war ja auch der Grund, weshalb die FDP im Gemeinderat der rot-grün regierten Stadt Zürich vor nicht allzu langer Zeit eine neue Vermietungsverordnung für die nicht-subventionierten städtischen Wohnungen mit Kostenmiete durchsetzen konnte: Zum steuerrechtlich massgebenden Einkommen des gesamten Haushalts werden zehn Prozent des steuerbaren Haushaltvermögens gezählt, das 200 000 Franken übersteigt, und die so ermittelte Summe soll zum Vermietungszeitpunkt das Vierfache des jährlichen Bruttomietzinses nicht übersteigen. Aktuell ist beispielsweise eine städtische 3-Zimmer-Wohnung mit 61 m2 Fläche für 1048 Franken brutto ausgeschrieben. Aufgrund der Belegungsvorschriften müssen mindestens zwei Personen dort wohnen. Zusammen dürfen sie folglich ein massgebliches Einkommen von maximal 50 304 Franken erzielen. Letzte Woche war übrigens eine städtische Wohnung ausgeschrieben, die gemäss den kantonalen Wohnbauförderungsrichtlinien subventioniert ist: 2,5 Zimmer, 65 m2, 1090 Franken brutto. Dort dürften die beiden MieterInnen auf maximal 58 700 Franken kommen…

 

Wer hat, dem wird gegeben

 

Wer heute noch subventioniert werden will, darf halt nicht allzu arm sein. – Zynischer Witz? Leider nein: Im aktuellen ‹Beobachter› findet sich unter dem Titel «Aus der Traum vom Eigenheim» ein aufschlussreicher Artikel. Er handelt nicht nur davon, dass sich heute nur noch jeder zehnte Haushalt Eigentum leisten könnte, sondern thematisiert auch, wovon EigentümerInnen so alles profitieren: «Hypothekarzinsen und werterhaltende Investitionen ins Eigenheim können sie vom Einkommen abziehen. Energetische Sanierungen werden subventioniert, die verbleibenden Kosten kann man ebenfalls abziehen. Hinzu kommen staatliche Investitionen in die Erschliessung von Wohnzonen, etwa durch öffentlichen Verkehr, was den Wert der Liegenschaft nochmals erhöht.» Zudem warte noch ein Steuergeschenk, schätze der Staat doch die Liegenschaft systematisch zu tief ein, «auf etwa 70 Prozent des realen Werts», und dadurch falle auch der Eigenmietwert zu tief aus. Und das ansonsten blockierte Vorsorgegeld der Pensionskasse und der Säule 3a darf für selbst bewohntes Wohneigentum auch noch eingesetzt werden.

Wie viele Millionen Franken das Ganze die SteuerzahlerInnen jährlich kostet, kann niemand sagen – zu individuell ist jede Steuererklärung, zu viele kantonale Regelungen erschweren die Gesamtübersicht. Wenn die Stadt Zürich jedoch zur Kostenmiete vermietet und folglich auf eine «marktübliche Rendite» verzichtet, nennt die FDP diesen Einnahmenverzicht schlicht eine «Subvention».

 

Reichenförderung mit Steuergeldern

 

«Wenn sich nur noch wenige Privilegierte Wohneigentum leisten können und diese Glücklichen auch noch steuerlich begünstigt werden, verkommt die staatliche Förderung des Wohneigentums zu einer Reichenförderung», fasst der ‹Beobachter› zusammen. Warum es definitiv gescheiter wäre, den Anteil gemeinnütziger Wohnungen zu erhöhen, erklärt SP-Nationalrätin Jacqueline Badran in einem Interview in derselben Ausgabe: «Weil es neben selbst bewohntem Eigentum die einzige Möglichkeit ist, sich von der permanenten Finanzierung einer Rendite für Dritte zu befreien. Genossenschaften fordern keine Rendite. Darum können sie Wohnungen rund 20 Prozent günstiger anbieten. (…) Genossenschaften sind der dritte Weg, ein Mix aus selbst bewohntem Eigentum und Kostenmiete. Ein grossartiges Konzept.» Dem ist nichts beizufügen. Ausser natürlich dies: Wer noch nicht abgestimmt hat, sollte am Sonntag unbedingt an die Urne gehen und sein Ja einlegen.

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