Weiterer Anlauf für den Zankapfel

Die Zukunft des Kasernenareals kann endlich rosiger werden: Stadt und Kanton konnten vergangene Woche das Architektur-Siegerprojekt für die Militärkaserne präsentieren. Auch Verhandlungen über die Zukunft der Polizeikaserne stehen an.

 

von Anatole Fleck

 

Am Ambulatorium an der Kanonengasse vorbei, auf die Wiese. Meterhohe Sensoren hinter Zäunen – eine Wetterstation des Bundes, gibt das blaue Schild Auskunft. Dahinter eine Gruppe Kinder, die auf dem kleinem Spielplatz umhertrollt. Ein Lieferwagen kurvt am teils mit Brettern verschlossenen Durchgang zur Kasernenwiese vorbei. Wer dieser Tage auf das Zeughausareal spaziert, steht in einem Potpourri städtischen Lebens. In Räumen des anliegenden Zeughauses wollten Stadt und Kanton Zürich nun zeigen, dass ihre Planung betreffend die Zukunft des Kasernenareals wieder Fahrt aufnimmt. Es ist eine städteplanerische Erlösung, da scheinen sich die Stadträte Daniel Leupi (Grüne) und André Odermatt (SP) einig: «Über die Weiterentwicklung des Kasernenareals wird seit 1975 diskutiert, gefühlt bald ein halbes Jahrhundert. Wir sind nun sehr froh, diese gemeinsam erarbeitete Lösung präsentieren zu können», so Odermatt. Daniel Leupi nennt es gar einen «Schnitt durch den gordischen Knoten». 

 

Was die präsentierte Lösung nicht ist: eine Neuheit. Bereits ab 2012 entwickelten Stadt und Kanton den gemeinsamen Masterplan, die Vorlage scheiterte im Januar 2019 jedoch denkbar knapp im Kantonsrat – für das nötige absolute Mehr fehlten zwei Stimmen. Doch nachdem im Zuge der letzten Wahlen die alten Mehrheiten endgültig ins Wanken gerieten, reichten Kantonsratsmitglieder der SP, Grünen und der GLP ein dringendes Postulat ein: Sie wollten vom Regierungsrat wissen, wie es nun mit dem Kasernenareal weitergehen soll. Die Lösung war schnell gefunden: Das versenkte Projekt bekam eine Neuauflage, «mit der wir deutlich schneller sind, auch weil der Zürcher Stadtrat wie auch der Gemeinderat ja bereits zugestimmt hatten», wie Regierungsrat Martin Neukom (Grüne) resümiert.

 

Bunt, lehrreich und öffentlich

 

Der neue, alte Masterplan sieht vor, dass das Areal mittels verschiedener gewerblicher und kultureller Nutzungen für die Bevölkerung geöffnet wird. Wie dieser «bunte Nutzungsmix» genau aussehen soll, ist noch offen, vorstellbar sind Werkstätten, Cafés, aber auch ein Hub für Start-Ups. Klar ist, dass die Militärkaserne weiterhin kantonal genutzt werden wird: Wo bis Ende Jahr noch Uniformierte der Kantonspolizei ein und aus gehen, sollen sich ab dem Jahr 2026 die EB Zürich sowie die Maturitätsschule für Erwachsene die 25 000 Quadratmeter Geschossfläche teilen.

Die architektonische Umgestaltung kommt vom Zürcher Büro Spillmann Echsle Architekten. Das Siegerprojekt ist laut Martin Neukom «ein schönes Beispiel für die Weiterentwicklung eines denkmalgeschützten Objekts mittels weniger, gezielter Eingriffe» – es konnte die Jury einstimmig überzeugen. Das Erdgeschoss wird in der architektonischen Vision fast vollständig freigespielt, hier sollen Gastro-Betriebe die Bevölkerung anlocken. Ein zentrales Atrium zieht sich vertikal über alle Obergeschosse und stellt ein Raumangebot ausserhalb des klassischen Schulzimmers zur Verfügung. Von aussen betrachtet, dürfte der gläserne Turm-Aufbau im höheren Mittelteil des Gebäudes die einzige markante Änderung bleiben. Der Durchgang vom Haupteingang zur alten Exerzierwiese wird geöffnet – die Grünfläche soll in ihrer Gesamtfläche öffentlich zugänglich sein.

 

Nicht einmal mit Helm

 

Parallel zur Weiterentwicklung der Militärkaserne wird auch der Baurechtsvertrag für das Zeughausareal dem Kantonsrat erneut unterbreitet: Er sieht vor, dass der Kanton Zürich das Areal für 50 Jahre an die Stadt abgibt und sich darüber hinaus an den Sanierungskosten von rund 55 Millionen Franken mit maximal 30 Millionen beteiligt. Die Zeughaushäuser befinden sich teils in enorm marodem Zustand, eine Sanierung wurde schon in einem Nutzungskonzept aus dem Jahr 2000 als «sehr dringlich» eingestuft. «Es wäre uns nicht einmal dann möglich gewesen, die heutige Medienkonferenz im Waffensaal durchzuführen, wenn wir ihnen allen Schutzhelme mitgegeben hätten», macht es Martin Neukom deutlich. Für ihn ist klar: Dass der einst prunkvolle Waffensaal im Dornröschenschlaf vor sich hin döst, ist ein Verschulden des Kantons. Daniel Leupi betont, die Stadt Zürich komme nicht einfach zu einem «Gratis-Areal». Aber natürlich sei man bereit, für eine breite öffentliche Nutzung zu investieren.

 

Die Zustimmung zum Baurechtsvertrag dürfte im neu zusammengesetzten Kantonsrat Formsache sein. Offener ist die Zukunft der Polizeikaserne. Das Backsteingebäude beherbergt noch Gefängniszellen und Polizeibüros, «eine rasche Umwandlung dürfte hier schwierig sein», so Neukom. Immerhin sind die Verhandlungen angelaufen – Daniel Leupi sieht einen weiteren Baurechtsvertrag zwischen Kanton und Stadt im Kommen. Man darf hoffen, dass dabei das neue Planungstempo nicht vollständig verloren geht.

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