Corona-Risikopersonen sollten sich jetzt impfen lassen

«Eine Impfung für die Corona-Risikogruppen ist jetzt dringend», sagt Steve Pascolo, Immunologe am Universitätsspital Zürich und einer der Väter der mRNA-Technologie, die für die Herstellung der Moderna- und Pfizer/BioNTech-Impfstoffe verwendet wird. Die Zukunft dieser Technologie sieht er aber auch im Bereich von Krebspräventivimpfungen und Krebstherapien. 

Herr Pascolo, aktuell hört man, dass die Coronazahlen stark angestiegen sind. Wie beurteilen Sie die Situation?

Wir alle wissen, dass es im Herbst vermehrt Infektionen durch Viren in den Atmungswegen gibt. Vor 2020 hatten wir die Erkältungen, Grippe. Jetzt haben wir zusätzlich Covid 19. Wir werden mit Covid durch den Winter kommen, so wie wir es mit der Grippe bereits früher gemacht haben. Und so wie sich Risikogruppen gegen Grippe impfen lassen, sollten sie sich auch gegen Covid 19 impfen lassen.

Eigentlich nimmt man ja Corona kaum mehr wahr: Wer sind denn die Risikogruppen, für die eine Impfung Sinn ergibt?

Es sind alle über zirka 65-jährigen, schwangere Frauen, Personen mit hohem Gewicht, Diabetes, chronischen Lungenkrankheiten oder Immmunschwächen, zum Beispiel nach Krebstherapien.

Wurden die Impfstoffe gegen Covid in den letzten zwei Jahren weiterentwickelt? Weiss man inzwischen mehr über die Nebenwirkungen?

Die Impfstoffe wurden laufend angepasst, so an verschiedene Covid-Varianten wie zum Beispiel die Omicron-Variante. In den letzten Jahren wurden mehrere Milliarden Impfdosen verabreicht. Grundsätzlich sind die Nebenwirkungen vernachlässigbar geblieben. In ganz seltenen Fällen gab es schwere Verläufe nach Impfungen. Die mRNA-Impfstoffe haben ein ausgezeichnetes Sicherheitsprofil.

Helfen die Impfungen bei Long-Covid-Patient:innen?

Wir empfehlen, sich bei Long-Covid impfen zu lassen. Dadurch können die Symptome abgeschwächt werden und der Verlauf wird gemildert.

Sie kommen ursprünglich aus der Krebsforschung. Gibt es inzwischen auch Impfstoffe gegen Krebs? Für welche Arten von Krebs eignet sich die mRNA-Technologie?

mRNA-Impfstoffe gegen Krebs sind noch keine zugelassen. Ich habe die erste klinische Studie mit einem mRNA-Impfstoff im Jahr 2003 durchgeführt, und das war ein Impfstoff gegen Melanome. Aber auch Impfstoffe gegen Prostatakrebs oder Brustkrebs befinden sind in der Entwicklung, allerdings dauern klinische Studien sehr lange. Momentan rechnen wir aber in den nächsten Jahren mit der Validierung der ersten Impfstoffe in diesem Bereich. Die können dann helfen, dass der Krebs nicht wieder auftaucht.

Wie steht es um Krebstherapien?

Auch im Bereich Krebstherapien sind in den letzten Jahren mit der mRNA-Technologie grosse Fortschritte gemacht worden. Sie kann insbesondere bei Metastasen helfen, diese zu bekämpfen. Aber die mRNA-Technologie eröffnet auch neue Möglichkeiten bei Herz- und Lungenkrankheiten. Theoretisch könnte die mRNA-Technologie praktisch bei allen Krankheiten zur Prävention oder zur Therapie hilfreich sein. Nicht zuletzt wegen diesen Perspektiven haben auch Grundlagenforscher:innen der mRNA-Technologie dieses Jahr den Nobelpreis in Medizin zugesprochen erhalten.

*Steve Pascolo ist einer der Väter der mRNA-Impfstoffe, welche 2020 erstmals weltweit breit eingesetzt wurden, um die Corona-Pandemie zu bekämpfen. Er war von 2000 bis 2006 wissenschaftlicher Leiter der Firma Curevac, welche Pionierabeit auf dem Gebiet der mRNA-Impfstoffe leistete. Ursprünglich
fokussierte er den Einsatz dieser Impfstoffe im Bereich der Krebstherapie. Seit 2006 ist er an der Universität Zürich tätig und koordinierte hier die mRNA-Forschung bezüglich Krebs.

Wo Impfen?

Den nächsten Impfstandort finden Sie im Kanton Zürich über die Website der Gesundheitsdirektion: zh.ch/de/gesundheit.html und dann über Coronavirus. Da können Termine direkt gebucht werden. Aktuell besteht teilweise eine Wartezeit von einigen Tagen.

Das Interview entstand für NGW-Radio, den Podcast der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Winterthur. Eine ausführliche Fassung kann hier nachgehört werden.

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