16 Jahre «16 Tage gegen Gewalt an Frauen»

Das Thema geschlechtsspezifische Gewalt ist heute so präsent wie nie zuvor: von Feminiziden zu häuslicher Gewalt, von unzureichenden Geldern in der Gewaltprävention hin zu fehlenden Schutzplätzen in Frauenhäusern – die meisten von uns haben schon von geschlechtsspezifischer Gewalt gehört oder gelesen. Selten jedoch wird über psychische Gewalt, eine der vielen Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt, gesprochen.

Psychische Gewalt äussert sich in Beleidigungen, Erniedrigungen, (Mord-)Drohungen, Stalking, Einschüchterungen, (sozialer) Isolation, Erzeugen von Schuldgefühlen, durch Verbote und Kontrolle. Psychische Gewalt ist die am weitesten verbreitete Form von Gewalt in Paarbeziehungen. Mindestens jede fünfte Frau hat bereits Stalking erlebt. Auch hat fast jede zehnte Frau innerhalb ihrer Partnerschaft bereits vier oder mehr Formen psychischer Gewalt erfahren. Wie kommt es, dass psychische Gewalt trotz der erschreckenden Häufigkeit in der Öffentlichkeit kaum Beachtung findet? 

Sensibilisierungs­kampagne

Hier setzen die diesjährigen Aktionstage der Präventions- und Sensibilisierungskampagne «16 Tage gegen Gewalt» an. Während 16 Tagen – die Aktionstage werden seit 16 Jahren von Frieda – der feministischen Friedensorganisation (ehemals cfd) koordiniert – organisieren über 250 Partnerorganisationen Veranstaltungen und Aktionen zum Thema psychische Gewalt. Gemeinsam streben wir eine feministische und gewaltfreie Gesellschaft an. Eine Gesellschaft, in der die Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» nicht mehr nötig sein wird.

Damit das riesige Ausmass von geschlechtsspezifischer Gewalt und das Leid, das durch Täter:innen angerichtet wird, anerkannt und als gesellschaftliches Problem endlich ernst genommen wird, finden jährlich Aktionstage vom 25. November – dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen – bis zum 10. Dezember – Tag der Menschenrechte – statt. Diese Daten verweisen da­rauf, dass Frauenrechte Menschenrechte sind.

Erstmals auch in der Romandie und im Tessin

Dieses Jahr findet die Kampagne in der Schweiz erstmals auch in der Romandie und im Tessin statt. Die Kampagne arbeitet kantonsübergreifend, Kollektive sowie auch etablierte Organisationen und kantonale Stellen beteiligen sich. Die Reichweite ist in den letzten 16 Jahren ständig gestiegen. Nur schon über die sozialen Medien konnten letztes Jahr eine halbe Million Menschen erreicht werden. Auch wurden die Aktionstage letztes Jahr in über 500 Medienbeiträgen erwähnt. Daraus lässt sich schliessen, dass ein grosses Bedürfnis nach Informationen und nach Diskussion zum Thema besteht. Wir müssen auch immer wieder darüber sprechen, dass der Nährboden für geschlechtsspezifische Gewalt in patriarchalen Strukturen, der Abwertung der Frau und in ungleichen Machtverhältnissen liegt. Diese Strukturen bewirken zudem eine Verharmlosung der geschlechtsspezifischen Gewalt. Es gilt, diese Strukturen sichtbar zu machen und aufzubrechen. Und schliesslich geschlechtsspezifischer Gewalt ein Ende zu setzen. Gerade in Zeiten des Rechtsrutsches ist es von zentraler Bedeutung, dass der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt nicht von der politischen Agenda verschwindet, sondern dass dem gerade deshalb umso mehr Platz im öffentlichen Diskurs gegeben werden muss.

Von aussen meist unsichtbar

Zurück zur Frage, wieso psychische Gewalt im öffentlichen Diskurs so oft unter geht. Eine Hürde ist, dass psychische Gewalt häufig sehr subtil auftritt und von aussen meist unsichtbar bleibt. Psychische Gewalt zeigt sich in vielen Formen und tritt sowohl online als auch offline auf. Psychische Gewalt kann schwerwiegende und lebensgefährdende Folgen haben. Sie kann zu Depressionen und Angstzuständen bis hin zu posttraumatischen Belastungsstörungen führen. Viele Opfer von Feminiziden wurden zuvor gestalkt. Massiver physischer Gewalt geht oft psychische Gewalt voraus, weshalb es sehr wichtig ist, psychische Gewalt einzudämmen. Psychische Gewalt tritt in allen Gesellschaftsschichten und an verschiedenen Orten auf: zu Hause, in der Partnerschaft/Ehe, am Arbeitsplatz, in Schulen oder weiteren Institutionen sowie online.

Zwar ist das Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen (Istanbul-Konvention) seit 2018 in der Schweiz in Kraft getreten. Die Schweiz kommt dennoch unzureichend und nicht umfassend den diskriminierungsfreien Massnahmen im Bereich der Gewaltprävention und zum Schutz der Gewaltbetroffenen nach. Deshalb fordern wir eine umfassende Umsetzung der Istanbul-Konvention. 

Indem wir über Gewalt sprechen, machen wie sie sichtbar. Nur so können wir geschlechtsspezifische Gewalt verringern/verhindern und vorbeugen. Setzen wir uns gemeinsam für eine gewaltfreie Gesellschaft ein. Machen wir unsichtbare Gewalt sichtbar. 

Weitere Infos: 16tage.ch

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