Besser wird es nicht

Ungläubigkeit, Enttäuschung, Wut und eine Spur Hoffnungslosigkeit – kurz, meine Gefühlsabfolge am Abstimmungssonntag. Insbesondere das Resultat des CO2-Gesetzes hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Ich will keine Schwarzmalerei betreiben und bleibe zuversichtlich, dass wir einen Weg finden, um unsere Emissionen zu reduzieren, zumal sich die Schweiz weiterhin zum Pariser Klimaabkommen bekennt. Der Weg dorthin wird aber steiniger, als er es mit der Annahme des CO2-Gesetzes gewesen wäre.

 

Als erstes zu den Schuldzuweisungen. Es ist eine Frechheit, dass einige Politiker­Innen und JournalistInnen jetzt der Klimajugend die Schuld für das Scheitern in die Schuhe schieben. Laut einer Nachbefragung von Tamedia hätten die ‹Jungen› im Altersspektrum von 18 bis 34 Jahren die Vorlage zu 58 Prozent abgelehnt. Erstens bildet der Klimastreik bei Weitem nicht das gesamte Meinungsspektrum aller Stimmberechtigten unter 35 Jahren in der Schweiz ab. Zweitens ist der Klimastreik eher in Stadtregionen präsent. Ausschlaggebend war aber die Mobilisierung auf dem Land, wo weniger links-grün politisiert wird. Drittens, ja der Klimastreik hätte mehr mobilisieren können. Aber wir sollten nicht vergessen, dass wir der Klimabewegung ziemlich viel verdanken. Dazu gehört die grüne Welle bei den eidgenössischen Wahlen, die die Revision des CO2-Gesetzes mitprägte. Er ist also nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung für mehr politischen Gestaltungswillen beim Klimaschutz. Die Schuld tragen andere, unter anderem auch die breite Allianz der BefürworterInnen.

 

Beim Nein zur Vorlage handelt es sich nicht um ein Nein zu Klimaschutz. Die Nachbefragung sowie weitere Studien zeigen, dass das Problem des Klimawandels weiterhin einen hohen Stellenwert bei den StimmbürgerInnen einnimmt. Bei den meisten Personen ist angekommen, dass wir etwas unternehmen müssen. Das Gesetz ist also am Massnahmenpaket gescheitert. Insbesondere die Kostenfrage mit den Lenkungsabgaben hat in der Debatte viel Platz eingenommen. Die Gegenkampagne des Hauseigentümerverbands und der Erdöllobby prophezeite die massive Verteuerung des Wohnens, Fliegens und Autofahrens und warf wild mit Zahlen um sich. Ich denke, dass man Verständnis dafür aufbringen sollte, dass die Kostenfrage die StimmbürgerInnen verunsichert hat, denn sie ist für viele eine Frage des unmittelbaren Überlebens. Das Ziel der Lenkungsabgaben war es, Anreize zu setzen, damit Menschen ihr Verhalten ändern. Doch finanzielle Anreize bewirken nicht automatisch die gewünschte Verhaltensänderung. Sie können auch schnell als Bestrafung empfunden werden. Das hat sich bereits bei den ‹Gilets jaunes› in Frankreich abgezeichnet. Sie protestierten gegen höhere Benzinpreise, weil sie auf das Auto angewiesen sind und ihnen kurzfristig niemand eine Alternative bieten konnte. Daraus schliesse ich, dass es den BefürworterInnen nicht gelungen ist, der Bevölkerung zu versichern, dass sie sie auf dem Weg zu klimafreundlichem Verhalten begleiten möchte. Bedauerlicherweise ist es ihnen auch nicht gelungen zu verdeutlichen, was die Massnahmen tatsächlich kosten. Geschweige denn, wie viel höher sie sein werden, wenn wir nichts tun. Hier hätte man – im Gegensatz zur faktenbefreiten Gegenkampagne – mit aussagekräftigen Zahlen und Argumenten kontern können. Das eher unscheinbare «Klimaschutz Ja»-Plakat hat dazu offensichtlich nicht ausgereicht. Es scheint, als wäre man zu siegessicher gewesen. Und dafür tragen alle dieselbe Verantwortung.

 

Die Zahlen der Nachbefragung zeigen klar auf, dass die Vorlage von bürgerlicher Seite abgelehnt wurde. Die Tarnung der FDP-Basis mit dem grünen Mantel der Parteispitze ist an diesem Abstimmungssonntag definitiv aufgeflogen. Nur 37 Prozent haben laut Nachbefragungen das CO2-Gesetz angenommen. Ähnlich bei der Mitte, wo nur 47 Prozent der WählerInnen Ja stimmten. Der Plan der FDP lautet nun: Anreize, Technologie und Innovationen. Nun sei die Zeit für eine wirklich liberale Klimapolitik gekommen, meinte Petra Gössi in der Abstimmungssendung am Sonntag. Sogar Lenkungsabgaben, die ein liberales Instrument sind, hält sie nicht für mehrheitsfähig. Kurz heisst das: Die Wirtschaft wird es richten. Was nicht zur Strategie gehört: weitere Abgaben, Steuern, Umverteilungsmechanismen, geschweige denn Verbote. Das Gefährliche dabei ist, dass die bürgerlichen Parteien beim Plan einer «liberaleren Klimapolitik» von SVP bis Mitte mitziehen werden.

 

Weniger überraschend war das deutliche Ja vonseiten der WählerInnen der SP, der Grünen und der GLP. Trotzdem staune ich über die 24 Prozent Ablehnung bei der SP. Bei den Grünen beträgt die Ablehnung 11, bei den Grünliberalen 19 Prozent. Ich verstehe die Kritikpunkte von linker Seite an der Vorlage. Für eine rechtzeitige Reduktion der Emissionen bräuchte es teilweise einschneidende und radikalere Massnahmen. Ein weiteres Problem liegt beim Verursacherprinzip. Genau die Akteure mit grosser Hebelwirkung, wie der Schweizer Finanzplatz, werden nicht zur Rechenschaft gezogen. Trotzdem habe ich Ja zum CO2-Gesetz gestimmt. Aus der Überzeugung, dass ein Nein zu einer Kompromissvorlage nur in einer unheiligen Allianz enden könnte, bei der linke Ansätze für einen wirksamen und sozialverträglichen Klimaschutz leer ausgehen. Jetzt wird an einzelnen Massnahmen gebastelt, die Gletscherinitiative erlebt ein Comeback und die SP kündigt bereits eine Finanzplatz-Initiative an. Das finde ich gut, doch der Punkt ist, dass die SP das auch bei der Annahme des CO2-Gesetzes hätte tun können. Das CO2-Gesetz hätte die Basis für die Massnahmen geschaffen, die zur Erreichung der einzigen verbindlichen Ziele beitragen, die sich die Schweiz gesetzt hat. Ein Ja hätte zudem eine andere Signalwirkung gehabt, die den linken Parteien mehr Handlungsspielraum gegeben hätte, um für weitere nötige Massnahmen zu politisieren. Jetzt werden Grüne und SP erst recht Schadensbegrenzung betreiben können. 

 

Das linke Nein und der Diskurs darüber, dass sich jetzt eine Chance für ein besseres CO2-Gesetz bieten soll, zeugen für mich von kompletter Verkennung der Handlungsmöglichkeiten der linken Parteien in der heutigen Situation. Man kann an diesem Punkt der Ansicht sein, dass die institutionelle Politik nicht in der Lage ist, angemessene Lösungen für die Klimakrise zu bieten. Aber an sie stellen wir zurzeit unsere Forderungen und sie bestimmt in diesem Augenblick über Massnahmen, die unsere Zukunft betreffen. Worauf lohnt es sich zu warten? Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Denn wenn wir beim Klimaschutz versagen, verlieren wir alle.  

 

Roxane Steiger

 

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