Alles oder nichts am Rosengarten

Oben das Tram, unten der vierspurige, richtungsgetrennte Tunnel für die Autos, und fertig ist die neue Rosengartenstrasse – irgendwann Anfang der 2030er-Jahre, sofern alles nach Plan läuft.

 

Eine Koproduktion von Stadt und Kanton Zürich, und das ausgerechnet beim Strassenbau? Genau das ist der Plan an der Rosengartenstrasse, wie im Herbst 2013 eingefädelt (vgl. P.S. vom 3. Oktober 2013) und am Dienstag an einer Medienkonferenz in Zürich bekräftigt. Die Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (FDP) und die beiden Zürcher Stadträte Filippo Leutenegger (FDP) und André Odermatt (SP) präsentierten das Projekt «Rosengartentram & Rosengartentunnel», das mittels eines Spezialgesetzes verwirklicht werden soll. Gemäss Strassengesetz läge das Projekt nämlich in der Zuständigkeit der Stadt, doch dank des Spezialgesetzes geht es in die Verantwortung des Kantons über – und im Falle eines Referendums haben die Stimmberechtigten des ganzen Kantons das letzte Wort. Die Vernehmlassung für das Spezialgesetz startete am Mittwoch. Für das Bauprojekt beginnt heute Freitag das Mitwirkungsverfahren für die Bevölkerung im Sinne von §13 des Strassengesetzes; die Berichte und Pläne liegen noch bis am Montag, 14. Juni beim Tiefbauamt der Stadt Zürich auf.

 

«Keine Kapazitätserhöhung»

Carmen Walker Späh betonte, Lärm, Dreck, unattraktive Fusswege sowie Stau und Wartezeiten für AutofahrerInnen bildeten am Rosengarten seit 1972 einen «Albtraum in Asphalt». Dank des oberirdischen Trams und des unterirdischen Tunnels solle nun ein «Ende der Trennung von Wipkingen durch diese Hochleistungsstrasse» erreicht werden. Durchs Tram werde der öV gestärkt und der öV-Knoten am Hauptbahnhof entlastet. Die beiden neuen Tramlinien Altstetten – Oerlikon und Zürich Süd – Schwamendingen würden die Quartiere besser ans S-Bahn-Netz anbinden und sie sowohl für die PendlerInnen als auch für den Freizeitverkehr attraktiver machen. Carmen Walker Späh nannte auch noch die Kosten von rund einer Milliarde Franken, von denen, so alles läuft wie geplant, der Bund zirka 35 Prozent übernehmen dürfte. Der Rest wird aus dem Strassenfonds (Tunnel) bzw. Verkehrsfonds (Tram) des Kantons bezahlt. Es handle sich bei diesem Projekt um eine «Gesamtlösung», betonte die Regierungsrätin: «Es gibt keine Auswahlsendung, sondern nur beides zusammen – oder gar nichts.»

Filippo Leutenegger schlüsselte den Verkehr am Rosengarten auf: 60 Prozent sind Ziel- und Quellverkehr, das heisst Autos von Leuten, die aus der Stadt heraus oder in die Stadt hinein fahren. Weitere 34 Prozent sind Binnenverkehr, also Fahrten innerhalb der Stadt. Bei den restlichen 6 Prozent handelt es sich um Transitverkehr. Die angesichts der wachsenden Stadt zunehmenden Mobilitätsbedürfnisse seien mit öV, Fuss- und Veloverkehr abzudecken, fuhr Leutenegger fort. Dabei sei die neue Tramverbindung «zentral». Die Kapazität des motorisierten Individualverkehrs (MIV) werde nicht erhöht: Von den aktuell 56 000 Fahrzeugen pro Tag würden künftig 53 000 den Tunnel benützen und lediglich 3000 oberirdisch verkehren, womit die Rosengartenstrasse zur Quartierstrasse werde, die sich die verbliebenen Autos, das Tram sowie Fussgängerinnen und Velofahrer teilten. Zu den Auswirkungen dieses neuen Verkehrsmanagements erwähnte Leutenegger unter anderem den Albisriederplatz, der für die Trams und Busse komplett neu gestaltet werden müsse.

 

Mehr Kritik als Lob

Stadtrat André Odermatt sprach zu den städtebaulichen Auswirkungen dieses «wirklich grossen» gemeinsamen Projekts von Stadt und Kanton. Noch sei selbstverständlich nichts im Detail geplant, schob er sogleich nach; die Entwicklung der nächsten 20 Jahre biete jedoch «grosses Potenzial für die Quartiere», ja die «Voraussetzung für die Reparatur der zerschnittenen Quartiere». Es biete sich die Chance, nicht nur attraktiven Strassenraum, sondern auch ebensolche Stadt- und Quartierplätze zu schaffen, sagte Odermatt. Die Tunnelportale bezeichnete er als «eine grosse Herausforderung». Er hob zudem hervor, wie wichtig es sei, «die Vielfalt im Quartier» zu erhalten – nicht zuletzt angesichts der absehbar steigenden Mieten.

Die Stellungnahmen von Parteien und Verbänden bewegen sich im Rahmen des zu Erwartenden: Die IG Westtangente Plus prangert den «horrenden Zeit- und Geldbedarf für die Scheinlösung Rosengartentunnel» an. Der VCS rechnet vor, der Tunnel koste eine Million Franken pro Meter. Der Verein UmverkehR moniert, das Projekt stehe im Widerspruch zu seiner Städteinitiative, welche die Stimmberechtigten 2011 angenommen haben. Die Grünen nennen das Projekt «finanzpolitisch abenteuerlich» und «verkehrspolitisch unsinnig». Die Grünliberalen zweifeln daran, dass sich die «ausserordentlich hohen Kosten» in einer Zeit rechnen, in der «grössere Umwälzungen im Verkehrssystem diskutiert und prognostiziert werden». Die SP fordert «schnellere Massnahmen zugunsten der Bevölkerung». Die FDP ist «erfreut, dass endlich eine Lösung für den Rosengarten in Sicht ist». Die SVP schliesslich findet, es seien «Zweifel angebracht», nicht zuletzt angesichts der «im Verhältnis geringen» Kostenbeteiligung der Stadt.

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